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Kernziele zum Schutz der Biodiversität
Bedürfnisse indigener Gruppen schützen

Indigene und traditionell lebende Gemeinschaften besiedeln einen großen Teil der artenreichen Naturräume auf der Welt. Sie schützen sie durch ihre nachhaltige Lebensweise. Zum Schutz der Biodiversität sollen daher ihre Bedürfnisse und Praktiken geachtet und geschützt werden. Doch das gelingt nur teilweise.

Im Jahr 2010 wurden im japanischen Nagoya die so genannten Aichi-Ziele zum weltweiten Schutz der Artenvielfalt formuliert. Diese Kernziele zum Schutz der Biodiversität sollten bis 2020 erreicht werden. Manchen dieser Vorgaben ist die Menschheit ein wenig nähergekommen, die meisten wurden klar verfehlt. Darüber diskutieren Experten ab Oktober 2021 im chinesischen Kunming beim 15. Weltbiodiversitätsgipfel (COP15).

Verlorene Vielfalt: Wunsch und Wirklichkeit beim Artenschutz

In unserer Reihe "Verlorene Vielfalt: Wunsch und Wirklichkeit beim Artenschutz" stellen wir ausgewählte Ziele dar und ziehen Bilanz.
Kernziel 4: Ressourcenverbrauch beschränken
Kernziel 5: Regenwaldrodungen stoppen, Flächenfraß eindämmen
Kernziel 6: Überfischung vermeiden, marine Ökosysteme schützen
Kernziel 8: Nitratbelastung senken, Pestizideinsatz verringern
Kernziel 9: Invasive Arten kontrollieren
Kernziel 10: Korallenriffe schützen
Kernziel 11: Mehr wirksame Schutzgebiete an Land und im Meer
Kernziele 12+13: Artensterben stoppen, Biodiversität erhalten
Kernziel 15: Wüstenbildung bekämpfen
Kernziel 18: Bedürfnisse indigener Gruppen schützen

Ein besonderer Fokus liegt dabei auch auf dem Zusammenhang zwischen Biodiversität und Lebensweise indigener und traditioneller Gemeinschaften. Ziel 18 lautete deshalb:
Aichi-Ziel 18: "Bis 2020 werden das traditionelle Wissen, die Innovationen und die Praktiken indigener und lokaler Gemeinschaften, die für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt von Bedeutung sind, sowie ihre gewohnheitsmäßige Nutzung biologischer Ressourcen vorbehaltlich nationaler Rechtsvorschriften und einschlägiger internationaler Verpflichtungen geachtet und bei der Umsetzung des Übereinkommens unter umfassender und wirksamer Beteiligung indigener und lokaler Gemeinschaften auf allen relevanten Ebenen in vollem Umfang einbezogen und berücksichtigt."

Aichi-Ziel 18 - Bilanz: Fortschritte, aber noch immer Bedrohung indigener Gruppen

Allein indigene Gruppen umfassen heute knapp 500 Millionen Menschen – gut sechs Prozent der Weltbevölkerung –, die weltweit eine Fläche von fast 30 Prozent besiedeln. Und dort befindet sich auch ein Großteil der geschützten Ökosysteme. Indigene Gruppen und traditionell wirtschaftende lokale Gemeinschaften tragen durch ihren nachhaltigen Lebensstil auf vielfältige Weise zur Biodiversität bei: etwa durch langfristiges Landmanagement durch kontrollierten Einsatz von Feuer oder traditionelle Weidehaltung (Hütesystem).
Eine Elefantenherde läuft über ein Feld in China.
Erhalt der Biodiversität - Ein Drittel der Erde soll unter Naturschutz gestellt werden
Um das Artensterben zu stoppen, plant die UN einen "Global Deal for Nature". Menschenrechtler, die für indigene Bevölkerungen kämpfen, schauen mit Sorge auf das Vorhaben und sprechen von kolonialer Landnahme.
Doch die Rechte, das Wissen und die Methoden der indigenen und lokalen Gemeinschaften werden vielfach nicht beachtet. Stattdessen sind sie nach wie vor vielerorts bedroht – von Entrechtung, veränderter Landnutzung, Abholzung, Ölbohrungen, dem Bau von Minen und Dämmen sowie dem Klimawandel.
Aichi-Ziel Nummer 18 gilt daher offiziell als nicht erreicht, es gibt aber Fortschritte: zum Beispiel die erfolgreiche Ausweitung von Schutzgebieten, die vielfach mit deren Heimat überlappten. Zudem sei die öffentliche Einsicht gewachsen, dass indigenen und lokalen Gemeinschaften eine zentrale Rolle beim Schutz der globalen Biodiversität zukommt. Vor allem in den vergangenen fünf Jahren sei zudem deutlich mehr Wissen darüber gesammelt worden, welchen Einfluss traditionelle Praktiken auf die Umwelt haben.

Ausblick

Eduardo Brondízio, Professor für Anthropologie an der Indiana University in Bloomington, USA, fordert, dass indigene Völker und lokale Gemeinschaften eine Stimme, eine direkte Beteiligung an internationalen Verhandlungen über die biologische Vielfalt und den Klimawandel bekommen müssen – auch auf nationaler Ebene, wo Entscheidungen über Entwicklung, Infrastruktur und Wirtschaftswachstum getroffen werden – und viele davon auf Kosten indigener Völker und lokaler Gemeinschaften.
Frauen aus der Amazonas-Region stehen während der Messe in den Kirchenbänken. Daneben: Geistliche und Messdiener.
Indigene im Amazonas - Zwischen Ausbeutung und Anbetung
Die Lage der Indigenen in Brasilien ist seit jeher schwierig, weil sich im Regenwald gegensätzliche Interessen begegnen: die Ureinwohner wollen von und mit dem Regenwald leben, die anderen möchten ihn nutzen, also ausbeuten.
Regierungen müssten künftig die Rechte indigener und lokaler Gemeinschaften achten. "Gibt es noch andere Möglichkeiten? Das ist der einzige Weg: Die lokalen Landschaftspfleger respektieren, diejenigen, die sich um das Land kümmern. Das eröffnet die Chance auf eine nachhaltige Zukunft für die Menschheit."
Quellen: Lennart Pyritz, Scientific Reports.