Bei Menschen mit einer ausgeprägten Alkoholsucht verändert sich der Stoffwechsel im Gehirn. Corinde Wiers, Suchtforscherin an der University of Pennsylvania:
"Alkoholkranke Menschen haben einen reduzierten Glukose-Stoffwechsel im Gehirn. Jahrelang glaubte man, dass alkoholkranke Menschen deshalb auch eine verringerte Hirnaktivität hätten. Neuere Studien zeigen aber, dass bei solchen Patienten der Acetat-Gehalt im Gehirn erhöht ist. Acetat kann als alternative Energiequelle die Glukose ersetzen. Es ist ein Nebenprodukt der Alkohol-Stoffwechsels. "
"Alkoholkranke Menschen haben einen reduzierten Glukose-Stoffwechsel im Gehirn. Jahrelang glaubte man, dass alkoholkranke Menschen deshalb auch eine verringerte Hirnaktivität hätten. Neuere Studien zeigen aber, dass bei solchen Patienten der Acetat-Gehalt im Gehirn erhöht ist. Acetat kann als alternative Energiequelle die Glukose ersetzen. Es ist ein Nebenprodukt der Alkohol-Stoffwechsels. "
Das Gehirn greift zu Acetat anstelle von Zucker
Acetate sind Essigsäure-Ester. Sie entstehen in der Leber, wenn dort große Mengen an Alkohol abgebaut werden. Über das Blut gelangt Acetat dann auch ins Gehirn.
Die Hirnzellen brauchen viel Energie, normalerweise in Form von Glukose, also simplem Zucker. Bei einem hohen Angebot von Acetat stellen sie aber ihren Stoffwechsel teilweise um. Sie nutzen dann Acetat als Energielieferant. Sinkt der Acetatgehalt im Blut, fahren sie den Glukosestoffwechsel wieder hoch, wenn auch etwas verzögert. Corinde Wiers erforscht seit Jahren, auf welche Weise typische Entzugserscheinungen einer Alkoholsucht entstehen. Ihre Theorie: Es sind Nebeneffekte, die bei der Umstellung des Stoffwechsels auftreten.
"Wenn man mit dem Alkoholtrinken aufhört, dann könnte dieser Übergang von einem hohen Acetat-Spiegel zurück zu einem hohen Zucker-Spiegel im Gehirn die Entzugssymptome auslösen."
Anders gesagt: Das Gehirn, dem ohne Alkoholkonsum mit einem Mal viel weniger Acetat zur Verfügung steht, während der Glukose-Stoffwechsel als Energielieferant nur verzögert einsetzt, durchlebt eine Phase des Mangels. Der manifestiert sich in den typischen Entzugserscheinungen wie Angstgefühle, körperliches Zittern, manchmal bis hin zu regelrechten Anfällen, und dem starken Verlangen nach Alkohol.
"Wenn man mit dem Alkoholtrinken aufhört, dann könnte dieser Übergang von einem hohen Acetat-Spiegel zurück zu einem hohen Zucker-Spiegel im Gehirn die Entzugssymptome auslösen."
Anders gesagt: Das Gehirn, dem ohne Alkoholkonsum mit einem Mal viel weniger Acetat zur Verfügung steht, während der Glukose-Stoffwechsel als Energielieferant nur verzögert einsetzt, durchlebt eine Phase des Mangels. Der manifestiert sich in den typischen Entzugserscheinungen wie Angstgefühle, körperliches Zittern, manchmal bis hin zu regelrechten Anfällen, und dem starken Verlangen nach Alkohol.
Diät mit viel Fett liefert dem Gehirn eine Acetat-Alternative
Corinde Wiers fragte sich, ob eine spezielle Ernährung die Entzugserscheinungen von Alkoholkranken abmildern könnten. Und zwar eine sogenannte ketogene Diät.
"Eine ketogene Diät enthält sehr viel Fett und wenig Kohlenhydrate und Protein. Unsere Zellen im Körper brauchen nicht unbedingt Glukose als Energielieferant. Die Leber liefert bei dieser Diät Ketonkörper als Ersatz."
"Eine ketogene Diät enthält sehr viel Fett und wenig Kohlenhydrate und Protein. Unsere Zellen im Körper brauchen nicht unbedingt Glukose als Energielieferant. Die Leber liefert bei dieser Diät Ketonkörper als Ersatz."
Solche Ketonkörper, die beim Fettabbau entstehen, könnten wie das Acetat aus dem Alkohol als alternative Energiequelle für das Gehirn dienen. Corinde Wiers machte hierzu ein klinisches Experiment. Sie setzte 33 alkoholkranke Probandinnen und Probanden für drei Wochen auf Alkoholentzug – aber mit zwei unterschiedlichen Ernährungsweisen. 19 erhielten eine ketogene Diät, die restlichen 14 eine sogenannte amerikanische Standarddiät, mit der üblichen Portion Kohlenhydraten. Alle Mahlzeiten gab es in Form von flüssigen Drinks, damit niemand erkennen konnte, welche Diät er bekam. Der Energiegehalt der Mahlzeiten war bei beiden Gruppen gleich. Bei der Wirkung zeigten sich aber tatsächlich Unterschiede.
"Es gab einen deutlichen Effekt. Mit der ketogenen Diät reduzierten sich die Entzugserscheinungen."
"Es gab einen deutlichen Effekt. Mit der ketogenen Diät reduzierten sich die Entzugserscheinungen."
Weniger Psychopharmaka für die Süchtigen
Am stärksten manifestierte sich das darin, dass die Probandinnen und Probanden mit einer ketogenen Diät signifikant weniger Benzodiazepine benötigten. Das sind bestimmte Psychopharmaka, mit denen sich Entzugserscheinungen lindern lassen. Für Corinde Wiers waren die Ergebnisse so vielversprechend, dass sie die Auswirkungen einer ketogenen Ernährung auf Alkoholkranke in weiteren Studien nun intensiver erforschen will.
Allerdings mit einer kleinen methodischen Abwandlung. Die Probanden sollen nicht mehr über Wochen hinweg eine ketogene Diät einhalten müssen, was nicht immer leicht sei, wie sie sagt. Stattdessen sollen sie nur spezielle Energydrinks als Nahrungsergänzung erhalten, sogenannte Keton-Ester. Damit lässt sich die Konzentration von Ketonkörpern im Blut schnell anheben, was wiederum die Alkohol-Entzugserscheinungen lindern sollte. Corinde Wiers will in Kürze mit entsprechenden Versuchen beginnen.