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Keul (Grüne) zu Moorbrand der Bundeswehr
"Enorme Folgen dieses Fehlers in den Griff kriegen"

Der durch eine Schießübung der Bundeswehr ausgelöste Moorbrand in Niedersachsen sei ganz offensichtlich unterschätzt worden, sagte die Grünen-Politikerin Katja Keul im Dlf. Jetzt müsse alles daran gesetzt werden, die Folgen dieses Fehlers zu beheben. Dann gelte es zu klären, was alles schiefgelaufen sei.

Katja Keul im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker |
    Die Grünen-Politikerin Katja Keul im Bundestag
    Die Grünen-Politikerin Katja Keul: "Das war eindeutig ein Fehler, das hätte nicht passieren dürfen" (picture alliance / dpa / Lukas Schulze)
    Ann-Kathrin Büüsker: Die Verteidigungsministerin macht sich ein Bild von den Auswirkungen des Moorbrandes bei Meppen, sie wird begleitet von diversen Parlamentariern, unter anderem auch von Katja Keul. Sie sitzt für die Grünen im Verteidigungsausschuss des Bundestages und ist Sprecherin für Abrüstung der Fraktion. Guten Tag, Frau Keul!
    Katja Keul: Ja, schönen guten Tag!
    Büüsker: Vielleicht nehmen Sie uns zu Beginn einfach mal kurz mit an den Rand des Moores! Welche Eindrücke haben Sie bis hierhin von der Lage vor Ort gewonnen?
    Keul: Wir waren zunächst mit der Ministerin in der WTD 91, haben uns dort sozusagen von den Einsatzführungskräften kurz aufklären lassen und sind jetzt in Stavern, wo die Ministerin mit den Bürgermeistern samt Gemeindebürgermeistern spricht und die auch sicherlich deutlich ihren Unmut gerade auch noch mal geäußert haben über die Verursachung, aber auch natürlich alle jetzt hier voller Dank auch sind für das, was jetzt hier gerade an Einsatzkräften eingetroffen ist, die hier einen unheimlichen Aufwand machen, jetzt sozusagen das Schlimmste noch zu verhindern.
    Büüsker: Da, wo Sie jetzt sind, kann man das Feuer da sehen und riechen?
    "Bundeswehr hat eingesehen, dass hier ein Fehler gemacht worden ist"
    Keul: In Stavern kann man es tatsächlich riechen. Auf dem Weg hierher habe ich wenig Rauch gesehen, aber hier jetzt direkt vor Ort ist es tatsächlich auch deutlich zu riechen.
    Büüsker: Das Feuer brennt jetzt ja seit mehr als zwei Wochen und heute kommt dann plötzlich ein Tross mit Politikerinnen und Politikern vorbei, um sich das Ganze anzugucken, nachdem das vorher so lange gedauert hat. Wie glaubwürdig ist das?
    Keul: Na ja, also die Politiker, die jetzt hier sind, unter anderem ja auch ich, wir wissen ja auch erst seit einer Woche, seit die Öffentlichkeit auch im Prinzip davon weiß. Und das ist ja genau das Problem. Ich glaube, es ist schon jetzt auch wichtig, auch für die Leute vor Ort, dass die Ministerin jetzt zeigt, die Bundeswehr hat das eingesehen, dass hier ein Fehler gemacht worden ist, und alles daran setzt, die Folgen dieses Fehlers jetzt auch zu beheben. Von daher ist das glaube ich hier schon auch für die Menschen wichtig. Und dass wir uns als Volksvertreterinnen und Volksvertreter jetzt auch ein Lagebild vor Ort machen, ist glaube ich auch wichtig, weil wir hinterher auch gucken müssen, dass die Aufklärung vernünftig funktioniert. Also die Staatsanwaltschaft ermittelt, aber auch die Bundesverteidigungsministerin hat intern Aufklärungen angekündigt, und da legen wir natürlich höchsten Wert drauf.
    Büüsker: Frau Keul, wie erklären Sie sich das, dass das so lange gedauert hat, bis die Öffentlichkeit davon erfahren hat?
    Keul: Na ja, das war eindeutig ein Fehler, das hätte nicht passieren dürfen. Man hat diesen Brand ganz offensichtlich einfach unterschätzt. Bevor irgendwelche Schießübungen gemacht werden, muss immer die Standortfeuerwehr das vorher freigeben und durchprüfen. Und das wird natürlich jetzt Gegenstand der weiteren Ermittlungen sein, warum ist das freigegeben worden, also sprich, sind die Verfahren nicht ausreichend, gibt es Regelungslücken oder wurde gegen Regelungen verstoßen? Darüber will ich jetzt nicht spekulieren, aber das muss natürlich aufgeklärt werden. Und dann hat man einfach zu lange gewartet, weil man gedacht hat, man kriegt es irgendwie mit eigenen Mitteln in den Griff, und das war natürlich dann der zweite Fehler, dass vor Ort einfach zu spät die Hilfe angefordert worden ist.
    Büüsker: Die Polizei ermittelt jetzt ja wegen des Verdachts auf fahrlässige Brandstiftung. Kann man denn den einfachen Soldaten, die diese Übung durchgeführt haben, einen Vorwurf machen?
    "Bundeswehr braucht die Ausrüstung zur Erfüllung ihrer Aufgaben"
    Keul: Dazu kann ich jetzt noch nichts sagen. Möglicherweise, habe ich ja gerade gesagt, stellt sich am Ende heraus, dass jemand fahrlässig gehandelt hat, dass jemand gegen Regelungen verstoßen hat. Vielleicht stellen wir ja aber auch fest, dass einfach die Regelungen unzureichend sind. Das kann man jetzt zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten, das muss die Staatsanwaltschaft klären, aber auch natürlich auch die Bundeswehr selbst. Und jetzt geht es natürlich hier erst mal darum, die enormen Folgen dieses Fehlers hier in den Griff zu kriegen, denn das ist ja noch nicht das Ende hier heute.
    Büüsker: Über die Folgen können wir gleich vielleicht noch sprechen, ich würde gerne auch noch mal über den Punkt Ausrüstung sprechen. Was wir aus Bundeswehrkreisen erfahren, ist, dass der Brand deshalb nicht gelöscht werden konnte, weil eine Löschschraube vor Ort defekt war und die zweite, die man besitzt, ohnehin in der Werkstatt war. Müssen wir vor diesem Hintergrund auch noch mal generell über die Ausrüstung der Bundeswehr reden, Stichwort "mangelhafte Ausrüstung"?
    Keul: Ja, wobei die Frage natürlich auch ist: Hätte man dann vor Ort, in Anbetracht der Tatsache, dass ein Fahrzeug nicht zur Verfügung steht, freigeben dürfen? Also diese Frage wird natürlich auch zu beantworten sein. Natürlich muss, wenn hier weiter im Moor Testschüsse gemacht werden, auf jeden Fall die Feuerwehr hier so ausgestattet werden, dass das hier nicht passiert. Aber wenn ein Fahrzeug jetzt nicht zur Verfügung steht, dann hätte man möglicherweise auch reagieren müssen und an diesem Tag genau auch eingreifen müssen und das absagen müssen.
    Büüsker: Das Ganze hinterlässt ja mal wieder ein desolates Bild von unserer Bundeswehr, die sind nicht mal in der Lage, einen Brand, den sie selbst verursachen, zu löschen. Wie soll diese Bundeswehr im Falle des Falles das mit der Landesverteidigung hinbekommen?
    Keul: Na ja, das würde ich jetzt dann doch noch mal auch infrage stellen. Also die Bundeswehr braucht natürlich die Ausrüstung zur Erfüllung ihrer Aufgaben, das wird auch von meiner Fraktion, auch wir als Grüne, nicht infrage gestellt. Aber wir müssen natürlich im politischen Raum auch weiter diskutieren, wo sind eigentlich die Defizite bei der Beschaffung und Ausrüstung, was ist eigentlich die Aufgabenstellung auch der Bundeswehr? Also diese Debatten würde ich jetzt nicht an diesem Brand hier aufhängen, zumal wir eben noch nicht wissen genau, welcher Fehler letztlich zu dem Brand geführt hat.
    Büüsker: Experten gehen ja davon aus, dass das Moor jetzt voraussichtlich über mehrere Wochen hinweg brennen könnte, und das setzt Hunderttausende Tonnen CO2 frei. Der BUND schätzt, dass jetzt schon mindestens 500.000 Tonnen CO2 freigesetzt wurden. Wenn wir jetzt auf die Fläche gucken, wenn dieser Brand irgendwann mal vorbei ist, wenn der gelöscht ist, was muss dann mit dieser Fläche passieren? Kann man diesen Schaden irgendwie wiedergutmachen?
    "Das ist natürlich verheerend für die Klimabilanz"
    Keul: CO2, das freigesetzt ist, können wir nicht wiedergutmachen, das ist ein verheerender Schaden. Also die Schätzungen, die ich jetzt gehört habe, gehen sogar noch höher, auf 800.000 Tonnen CO2, und das Moor brennt ja noch weiter. Das ist natürlich auch verheerend für die Klimabilanz und man muss einfach gucken, wie das auf jeden Fall sichergestellt werden kann, dass das vermieden wird, sonst muss man möglicherweise diskutieren, ob in so einem Moor, das ja auch belastet ist mit Munitionsrückständen, weil hier ja bereits seit 100 Jahren mit Munition hantiert wird, ob das auch wirklich so ohne Weiteres fortgesetzt werden kann. Wir wissen auch, die Hitzeperioden werden in den nächsten Sommern ja jetzt nicht weniger werden, wir werden ja mehr heiße Sommer haben und trockene Phasen haben, und dann stellt sich schon die Frage, ob das überhaupt so in dieser Form weiter verantwortbar ist.
    Büüsker: Also es geht Ihnen darum, ob die Bundeswehr tatsächlich das Moor noch als Übungsplatz benutzen kann?
    Keul: Davon gehen hier im Moment alle aus, aber man muss natürlich schon auch einfach die Entwicklung, die wir ja jetzt haben, auch in Betracht ziehen, und das müssen wir uns genau angucken.
    Büüsker: Sagt Katja Keul, sie ist für die Grünen Mitglied des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages und schaut sich im Moment im Tross der Verteidigungsministerin die Lage vor Ort in Meppen an. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, Frau Keul!
    Keul: Ja, gerne!
    Büüsker: Und die schwierige Telefonleitung bitten wir zu entschuldigen, Mobilfunk im Emsland ist manchmal so eine Sache.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.