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KI und Geopolitik
Hängen die USA und China Europa ab?

Künstliche Intelligenz gilt als Schlüsseltechnik für geopolitische Macht. Doch Europa hinkt den USA und China hinterher. Muss der Wissenstransfer von der Forschung zur militärischen Anwendung verbessert werden?

Von Thomas Reintjes |
Illustration zum Recherche-Projekt China Science Investigation. Zu sehen ist eine Collage mit dem Atomium, durchkreuzt von roten Bändern.
China Science Investigation (Follow the Money)
Heutzutage bestimmen geostrategische Interessen, wie wir über Technik denken, sagt Rita Konaev. Das ist die US-amerikanische Perspektive, denn sie forscht an der Georgetown Universität, nur wenige Schritte vom Kapitol entfernt, zu Künstlicher Intelligenz und Verteidigung. In Europa hingegen spielt dieser geostrategische Aspekt von Künstlicher Intelligenz bisher eine untergeordnete Rolle, sagt Ulrike Franke, Militärtechnik-Expertin bei der Denkfabrik European Council on Foreign Relations:
„Die USA hatten lange bevor sie eben eine nationale AI-Strategie, also KI-Strategie hatten, haben sie eine militärische KI-Strategie gehabt. Da sieht man schon, wo es herkommt. Und in Europa ist es ganz klar andersrum und in Deutschland noch mal mehr, würde ich sagen. Ein bisschen tut sich da was. Aber geopolitisch würde ich sagen, ist Europa und für die EU das einfach seit sehr kurzem wirklich ein Thema.“

Oft mehr Distanz zum deutschen als zum chinesischen Militär

In der EU habe Frankreich als einziges Land eine militärische KI-Strategie. Der globale Wettstreit um die KI-Vorherrschaft dagegen findet vor allem zwischen den USA und China statt. Auch deshalb, weil der Transfer von Know-how aus der Forschung in die militärische Anwendung dort einfacher funktioniert. In China gebe es eine enge Verzahnung des zivilen und militärischen Bereichs, sagt Ulrike Franke.
In Deutschland hingegen verbieten Zivilklauseln an Universitäten oft die Zusammenarbeit und den Wissenstransfer mit dem Verteidigungssektor. Zumindest mit dem heimischen, denn wie China Science Investigations gezeigt haben, gibt es Hunderte gemeinsame Forschungsarbeiten mit militärnahen chinesischen Institutionen. Damit auch hiesige Militärs stärker von deutscher KI-Forschung profitieren könnten, müsste das Kooperationsverbot überdacht werden.
Ulrich Franke: „Klar, aus einer geopolitischen Sichtweise müsste man sagen, das sollte man zumindest etwas aufweichen und Es sollte möglich sein, für militärische Zwecke auch diese zivile Forschung zu nutzen. Aber das ist eine kulturelle Frage, die die Politik jetzt nicht einfach ebenso mal entscheiden kann, solche Ansichten entwickeln sich auch eben über die Zeit.“
In den USA ist die Lage anders. Dort fließt viel Forschungsgeld vom Pentagon in private und universitäre KI-Entwicklung. Allerdings gelingt es dem Verteidigungsministerium auch nicht immer, die Top-Entwicklerinnen und -Entwickler für sich zu gewinnen. So musste etwa eine bei Google beauftragte Entwicklung aufgegeben werden, weil die Belegschaft dagegen protestierte. Außerdem sei die Bürokratie des Pentagons im Wettbewerb mit anderen Investoren zu langsam, um vielversprechende KI-Startups aufzukaufen, sagt Rita Konaev:
„Inzwischen ist man sich dieser Herausforderungen aber bewusst und in den letzten Jahren gab es Reformprogramme um flexibler und agiler zu werden, um sich besser mit Tech-Unternehmen austauschen zu können und um Fachleute für das Verteidigungsministerium zu gewinnen. Es tut sich auf jeden Fall was.“

Schweden und Finnland könnten neue Impulse für Europa bringen

Bewegung gibt es inzwischen auch in Europa. In der EU, aber vor allem auch in der NATO. Die USA drängen auf eine engere Zusammenarbeit. Denn wenn ein Teil des Bündnisses technologisch abgehängt ist oder sich zu unterschiedliche Standards innerhalb der NATO entwickeln, würde das den Verbund schwächen. Ulrike Franke macht ein Beispiel mit 5G-Mobilfunktechnik aus chinesischer Produktion, der nachgesagt wird, Spionagewerkzeuge zu enthalten.
„Wie sehen wir das denn eigentlich, wenn wir auf der einen Seite sagen, wenn man Huawei in seinen 5G-Netzen hat, dann ist das ein Cyber- und Sicherheitsrisiko. Was machen wir denn jetzt, wenn einige NATO-Länder das als klare Bedrohung sehen und andere NATO-Länder das aber genau haben und eben Huawei dann in ihren 5G-Netzen benutzen?“
Welche Technik ist akzeptabel, welche ein Sicherheitsrisiko? In Europa ist man stolz auf strengen Datenschutz und sieht auch den verantwortungsvollen Einsatz von KI in Wirtschaft und Gesellschaft als Stärke. Wie sich das auf den militärischen Sektor übertragen lässt, ist offen. Kann ethische und transparente KI auch dort bestehen? Neue Impulse erwartet Ulrike Franke durch den bevorstehenden NATO-Beitritt von Schweden und Finnland:
„Gerade Finnland, das ist interessant, die haben sich sehr früh mit diesem ganzen KI-Thema auseinandergesetzt. Wenn ich richtig sehe, dann ist Finnland das einzige Land in Europa, was schon seine zweite KI-Strategie hat. Und als Finnland die EU-Ratspräsidentschaft vor einigen Jahren hatte, hat es sich auch gerade mit KI im Geopolitischen und eben im Militärischen auseinandergesetzt, hat da Konferenzen zu veranstaltet. Da gibt es zumindest ein Bewusstsein, dass das ein großes Thema ist, und ich würde sagen, das kann der NATO da in diesem Bereich eigentlich nur helfen.“