Hier also liegt Utopia: In Galiläa, Israel, direkt an der Grenze zum Libanon. Das Freibad wurde gerade erst eröffnet. Alles ist neu hier: die weißen Sonnenschirme, die sandfarbenen Fliesen am Beckenrand, die hellblauen Pools. Bewaldete, sanft geschwungene Berge säumen den umzäunten Ort.
Nur der Motor des Rasenmähers stört das Idyll. Am Pool kümmert sich Joseph um die Kinder, er betreut sie in den Ferien. Joseph ist 36 Jahre alt, trägt ein lachsfarbenes T-Shirt und einen Hut mit breiter Krempe. Weil seine Frau Kibbutz-Mitglied von Geburt an ist, durfte er nach der Hochzeit vor fünf Jahren nach Sasa ziehen.
"Für mich ist das die Erfüllung eines Traums, an einem Ort der Gemeinschaft, in einer Gruppe zu leben, wo einer sich um den anderen kümmert. Es gibt einem viel Kraft im Kibbutz, dass Menschen sich zusammentun."
Sasa wurde 1949 gegründet, ein Jahr nach dem Staat Israel. Die Gründer wollten hier ihren sozialistischen Traum leben. Heute leben im Kibbutz Sasa 245 Erwachsene und 110 Kinder.
Jeder nach seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen
Der Speisesaal ist das Herz des Kibbutz. Hier kommen morgens und mittags alle zusammen. Abends essen die Mitglieder in ihren großzügigen Wohnungen, sie sind im Durchschnitt 140 Quadratmeter groß. Yoni Tsoran, Generalsekretär, leitet diese Wirklichkeit gewordene Utopie.
"Die Idee ist, dass hier jeder nach seinen Fähigkeiten und seinen Bedürfnissen mitmacht. Es gibt also keinen wirklichen Zusammenhang zwischen dem, was man in den Kibbutz wirtschaftlich einbringt und was man bekommt. Sondern du bekommst, was du brauchst, und du trägst das bei, was du nach deinen Kräften kannst. Das ist ein Prinzip, an das wir uns immer noch halten."
Die Kibbutznikim bezahlen weder Miete noch Strom, Gas, Wasser und die Mahlzeiten im Speisesaal. Kinderbetreuung, Wäscheservice, Postservice, Grundnahrungsmittel im Supermarkt – alles bekommen sie gratis. Aber: Jede und jeder muss voll arbeiten. Ein Gehalt bekommt niemand. Im Kibbutz nennt man das "Budget". Je mehr Kinder eine Familie hat, desto höher ist das Budget.
"Nehmen wir zum Beispiel Dani, den Chef unseres wichtigsten Betriebs. Mag sein, dass er dem Kibbutz Einnahmen von einigen hunderttausend Dollar im Jahr bringt, aber er bekommt ein geringeres Budget als der Arbeiter in der Produktion in seinem Betrieb, der einige zehntausend Dollar im Jahr erbringt, weil dieser Arbeiter mehr Kinder hat als Dani."
Dani ist gerade auf einer Auslandsreise, wie so oft. Er leitet die größte Firma des Kibbutz Sasa. Sie heißt Plasan und stellt Panzerungen für Fahrzeuge her. Im Irak-Krieg rüstete Plasan die amerikanische Armee aus.
Eine Milliarde Umsatz im Jahr
"Wir hatten Erfahrungen, die wir während des Palästinenseraufstands gesammelt haben – nämlich Teile zu produzieren, mit denen man vorhandene Fahrzeuge panzern kann. Unsere Lösung passte zu dem Bedarf, den die Amerikaner hatten."
Heute verkauft die Firma ihre besonders leichten Panzerungen in alle Welt, an Polizeien und Armeen. Mit dem Verkauf der Panzerungen macht Plasan etwa eine Milliarde US-Dollar Umsatz im Jahr. Ein Verkaufserfolg ist der "Sand Cat", ein Patrouillenfahrzeug, das sich wie ein gepanzerter Rennwagen fährt.
Ganz Sasa ist dankbar für den Erfolg des Betriebs. Die Leiterin der Personalabteilung des Kibbutz, eine 38-Jährige, die anonym bleiben will, strahlt.
"Großartig. Sonst kann man da nichts drüber sagen. Das ist sehr schön, die Leute arbeiten sehr hart dafür. Das hat nur Gutes für den Kibbutz gebracht, und wir genießen es."
"Seit Plasan erfolgreich ist, hat der Kibbutz hohe Einkünfte, und die Mitglieder bekommen am Ende des Jahres einen Bonus. Und wenn du sparsam bist, kannst du davon auch ins Ausland fliegen. Ich versuche, ein bis zweimal im Jahr ins Ausland zu fliegen."
Große Zufriedenheit der Kibbutz-Bewohner
Am Rand des Swimmingpools treffen wir Zippi und Ya'akov. Sie sind Rentner. Es geht ihnen so gut wie allen im Kibbutz. Halten sie an den alten sozialistischen Idealen fest?
"Klar! Wir sind sogar Kommunisten, nicht nur Sozialisten!" – "Nein! Wer ist hier Kommunist?"
"Als ich 'Kommunistin' gesagt habe, meinte ich das nicht im politischen Sinne, sondern im sozialen Sinn. Ein Kibbutz ist eigentlich eine Form von Kommunismus, denn er teilt alles gerecht auf, egal als was man arbeitet oder was dein Einkommen ist. Alle bekommen dasselbe. In dieser Hinsicht ist das eine Art Kommunismus."
Wer glückliche Kommunisten sehen will, sollte den Kibbutz Sasa besuchen und dort die Leiterin der Personalabteilung treffen.
"Nicht schlecht. Unser Leben ist schön. Ich kann mich nicht beschweren."