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Kiel
Ex-Bürgermeisterin Susanne Gaschke rechnet ab

Erst war sie "Zeit"-Redakteurin, dann wechselte Susanne Gaschke in die Politik, wurde Oberbürgermeisterin von Kiel, bevor ein Steuerfall sie zum Rücktritt zwang. Zurück am Schreibtisch arbeitet sie ihre Zeit im Rathaus in einem neuen Buch auf.

Von Dietrich Mohaupt |
    Jetzt liegt sie also auf dem Tisch - gut 250 Seiten stark, die angekündigte Abrechnung der Journalistin Susanne Gaschke mit ... ja, mit wem eigentlich, und: Was ist es, wollte die ehemalige "Zeit"-Redakteurin wirklich eine Art Abschlussrechnung präsentieren?
    "Nein, also darum ging es mir wirklich nicht in erster Linie - und es ist auch schon wieder ein bisschen ärgerlich, wenn man merkt, dass Kollegen, die das Buch erkennbar noch nicht gelesen haben, von Rache schreiben und solche Sachen - das ist irgendwie ärgerlich."
    Also - keine politische Abrechnung, kein Enthüllungsbuch! Weitgehend unspektakulär, meint unter anderem Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig. Er ignoriert deshalb das Buch mehr oder weniger, leicht genervt verkneift er sich ausschweifende Kommentare.
    "Es gibt keine neuen Vorwürfe, es gibt die alten Vorwürfe - und zu denen ist alles gesagt."
    Das wiederum sieht Susanne Gaschke dann doch ein wenig anders. Die 47-Jährige hat schon noch einiges zu ihrem knappen Jahr als Oberbürgermeisterin von Kiel zu sagen, und genau das wolle sie mit dem Buch tun. Dabei wusste Susanne Gaschke eigentlich ganz genau, worauf sie sich mit ihrer Kandidatur für das Oberbürgermeisteramt in Kiel im Oktober 2012 einließ. Die schleswig-holsteinischen Genossen hatten gerade eine heftige Auseinandersetzung zwischen dem ehemaligen Oberbürgermeister Torsten Albig und dem SPD-Landeschef Ralf Stegner um die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl erlebt - und doch präsentierten Albig und Stegner sich sofort im Anschluss wieder als beste Freunde, zur Verblüffung auch von Susanne Gaschke:
    "Was große Teile der Sozialdemokraten und auch der Öffentlichkeit irritiert hat, war dieser Schulterschluss, der dann hinterher von Albig gemacht wurde. Und ich bin jemand, der in dieser Partei seit 25 Jahren in Schleswig-Holstein mit diskutiert hat, und auch klare Standpunkte vertreten hat - und Albig wollte mich von Anfang an nicht, unter anderem weil ich dieses Verhalten von ihm ja auch klar kritisiert hatte. Er hatte eine eigene Kandidatin, die wollte er durchsetzen, das ist nicht gelungen und die sozusagen Nachfolgeauseinandersetzungen waren dann traditionell hart."
    Albig wollte sie also nicht, und auch Stegner wollte sie nicht - mit dem lag sie übrigens schon 1993 im SPD-internen Streit um die Rolle Engholms und anderer Genossen in der Barschel-Affäre offen im Clinch. Das war also die explosive Mischung schon zu Beginn ihrer Amtszeit als Kieler Oberbürgermeisterin im Dezember 2012.
    "Ich glaube, das habe ich unterschätzt. Ich habe die Auseinandersetzung natürlich wahrgenommen, habe es wichtig gefunden, dass die SPD sozusagen da auch mal die andere Position anbietet - also die Position, die vielleicht versucht, einen ganz neuen Politikstil in Schleswig-Holstein mal zu etablieren - und habe gedacht: Gut, die anderen sind sehr dagegen, aber wenn das entschieden ist, einmal von der Partei und dann von den Wählerinnen und Wählern, dann müssen sie letzten Endes damit sportlich umgehen."
    Und das - glaubt sie heute - war ein ganz entscheidender Fehler. Der zweite war ihrer Ansicht nach der tränenreiche Auftritt vor der Kieler Ratsversammlung im Sommer 2013. Kurz zuvor hatte sie die verhängnisvolle Eilentscheidung im Steuerdeal mit dem Kieler Augenarzt unterschrieben - durch die heftige Kritik daran fühlte sich völlig zu Unrecht an den Pranger gestellt.
    "Ich will dieses Spiel nicht spielen, und ich werde dieses Spiel nicht spielen. Es wird schon viel zu lange gespielt, und alle normalen Leute verabscheuen es. Es ist ein zerstörerisches Spiel, es soll Menschen zerstören, es zerstört Vertrauen und Offenheit in der Politik."
    Inhaltlich gebe es an dieser Aussage von damals nichts zu korrigieren, betont sie heute - sie hätte eben nur nicht diese Emotionen zeigen dürfen.
    "Schlimm und überhaupt nicht hilfreich, da in der Ratsversammlung die Fassung zu verlieren und zu weinen - das ist für eine Frau tödlich! Damit ist im Grunde genommen schon alles gesagt, es muss auch hinterher niemand mehr genau hingucken: Die hat halt geheult! Und das hat die Bilder geliefert, mit denen der geschätzte NDR seine ganze Berichterstattung bestritten hat und so weiter - also ... darf man nicht tun!"
    Als "Kieler Extremismus" bezeichnet Susanne Gaschke die Art des Umgangs mit ihr - sie zieht Parallelen zu den großen Affären vom Barschel-Skandal 1987 über die Schubladen-Affäre 1993 mit Engholm-Rücktritt bis hin zum "Heide-Mord" 2005 mit dem Scheitern von Heide Simonis bei der Ministerpräsidentenwahl im Landtag. Diesmal sei es "staatlicher Machtmissbrauch zur Lösung eines innerparteilichen Konflikts" gewesen, behauptet sie.
    "Und dann gab es massive Vorwürfe von Straftaten. Nötigung, Untreue - das ganze Verfahren sei angeblich rechtswidrig gewesen. Nichts davon ist geblieben - nur mein beschädigter Ruf. Und das ist natürlich eine schwierige Sache - wenn Landesregierungen mit der Macht ihres Amtes Vorwürfe in die Welt setzen oder bekräftigen, die sich als völlig unhaltbar erweisen, das darf kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein."
    Am Ende steht also doch eine gewisse Abrechnung - Susanne Gaschke sieht sich ganz klar als Opfer eines "verletzenden, auf Vernichtung des Gegners abzielenden Politikstils" ihrer "Parteifreunde". Damit provoziert sie natürlich die entsprechenden Reaktionen. Ralf Stegner will ihr diese Opferrolle partout nicht zugestehen - seine Antwort lässt, wie man es von ihm gewohnt ist, an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.
    "Ich glaube eher, dass sie versucht, ein Klischee auszubeuten, um ihr Scheitern zu er- und zu verklären. Ich glaube, es sagt überhaupt nichts über den Umgang von Männern und Frauen in der Politik, es sagt überhaupt nichts über die schleswig-holsteinische Landespolitik oder die schleswig-holsteinische Sozialdemokratie - es ist am Ende doch auch ein bisschen ein trauriges Buch, weil ich fürchte, dass - wenn man durch ist - man dann doch das Bild von einem Menschen hat, der an seiner Hybris gescheitert ist."
    So sind sie, die Spitzengenossen in Schleswig-Holstein - derzeit sieht es jedenfalls nicht danach aus, als wollten sie sich von Susanne Gaschkes Auftritt noch einmal aus der Ruhe bringen lassen.