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Kiel
Kleingartenverein sperrt sich gegen Migranten

Immer mehr Migranten entdecken den Kleingartenverein und ihre eigene Kleingartenkultur. In einem Kieler Kleingartenverein gibt es allerdings genau darüber Diskussionen. Angeblich gibt es dort in einigen Anlagen "zu viele" Migranten.

Von Johannes Kulms |
    Ein Gebüsch aus dem eine Fahnenstange mit der deutschen Flagge herausragt.
    Der Kieler Kleingartenvereins wurde bereits 1897 gegründet (Deutschlandradio / Johannes Kulms)
    Axel Zabe sieht so aus, wie sich viele einen Seebären vorstellen. Der 63-jährige Kieler hat lange als Bäcker gearbeitet. Wegen seiner Gesundheit ging er vorzeitig in Rente. Dann kam der Kieler Kleingartenverein von 1897 auf ihn zu.
    "Da ich 'n kleiner Querulant bin, gebe ich ja zu, habe ich dann diesen Posten hier übernommen damit der Verein nicht ganz vor die Hunde geht."
    Knapp 2.400 Gärten zählt der Verein. Sie verteilen sich auf 54 Anlagen über die ganze Stadt. Die Vision des Vorsitzenden:
    "Ja, das ist eine Gemeinschaft, ein Kleingartenverein. Da sind die Nationalitäten vollkommen egal. Hier ist eine Gemeinschaft, die Gesetzen untersteht, die wir leider einhalten müssen."
    Doch aus Axel Zabes Sicht gibt es gerade unter den neuen Mitgliedern immer mehr, die sich nicht an die Regeln halten wollten. Darunter viele Migranten.
    "Das ist natürlich so, dass die 'n ganz anderen Lebensstil haben als wir, das ist ja vollkommen klar. Und dass sie den hier natürlich beibehalten wollen. Das geht damit los, dass hier zum Teil geschlachtet und geschächtet wird."
    Viele Regelverstöße
    Bloß hätten die Leute Angst, diese Fälle zu melden, sagt Zabe beim Gang durch eine der Anlagen. Sogar Drohungen gegen alteingesessene Vereinsmitglieder habe es gegeben, dass diese besser ihren Garten abgeben sollten.
    "Und dann sind es zu 90, zu 95, zu 99 Prozent, sind es meist ausländische Mitbürger, die jetzt da noch mehr daneben haben. Also, die sich im Enddefekt zusammen-... ich sage immer zusammenrotten, das ist nicht der richtige Ausdruck. Aber sie bleiben gerne auf einem Gebiet zusammen."
    Wie viele Regelverstöße es gebe, weiß er nicht. Genauso wenig, wie hoch insgesamt der Migrantenanteil unter den knapp 2.400 Vereinsmitgliedern ist. Trotzdem ist er sich sicher: Es muss etwas getan werden! In einigen Anlagen will er keine Migranten mehr aufnehmen.
    Der Kreisverband der Kieler Kleingärtner sieht das ganz anders. Er versichert, jeder sei in seinen Vereinen willkommen und sieht mit dem geplanten Aufnahmestopp Tendenzen zum Rassismus. Auch die Leiterin der schleswig-holsteinischen Anti-Diskriminierungsstelle hat sich eingeschaltet.
    Interessenten wegen ihres Migrationshintergrunds die Aufnahme in bestimmte Anlagen zu verweigern, sei juristisch höchst fragwürdig, sagt Samiah El Samadoni.
    Wer sich jedoch auf den Anlagen des Kieler Kleingartenvereins von 1897 umhört, der findet durchaus Unterstützung für den Kurs des Vorsitzenden. Ins Mikrofon wollen diese Menschen allerdings nicht sprechen.
    Kollhorst ist eine der Anlagen, in denen der Migrantenanteil sehr hoch ist. Auch der 33-jährige Mischo hat hier einen Garten. Er stammt aus einer syrisch-kurdischen Familie und heißt in Wirklichkeit anders.
    "Bei uns mögen sie gerne Gärten und so was. Mein Vater ist jetzt in Rente. Was soll er sonst machen? Zu Hause? Geht auch nicht! Deswegen geht er zum Garten natürlich."
    Wichtig für Erwachsene und Kinder
    Sechs nebeneinander liegende Gärten haben Mischos Familienmitglieder inzwischen gepachtet. In Syrien hätten sie Land gehabt und dort Baumwolle angebaut. Ein Schrebergarten in Deutschland sei zwar nicht dasselbe, aber sehr wichtig für die Erwachsenen und die Kinder, die hier gerne spielten.
    "Bei uns gibt’s nicht so viele Gesetze und Regeln. Deswegen macht man praktisch, was man will. Da ist mehr Freiheit sozusagen"
    Neben ihm sitzen vier weitere Familienmitglieder und trinken Tee. Wurde hier schon mal ein Schaf geschlachtet? Mischo selber stellt diese Frage in den Raum, um sie gleich zu beantworten: "Nein!"
    Ja, manchmal könne es hier auch mal lauter zugehen. Aber eine Rückmeldung von außen genüge da doch schon.
    "Unsere Kultur ist: Wir sind praktisch immer zusammen. Wenn es Probleme gibt, gibt's ältere Leute, gehen wir zu denen, sagen praktisch dies und das, und die erklären das. Und diesen Sommer war sehr lang, haben Sie auch gemerkt! Natürlich waren wir öfter hier als irgendwie letztes Jahr. Und Kinder wissen Sie, dass die die 'n bisschen lauter sind. Und die sollen nicht übertreiben. Ich finde, die sollen uns verstehen und wir sollen die auch verstehen!"
    70 von 88 Gärten beanstandet
    Nach dem Vorstoß des Vereinsvorsitzenden Axel Zabe hat sich die Stadt Kiel eingeschaltet und die Anlage Kollhorst inspiziert, 70 von 88 Gärten beanstandet. Auch Mischos Onkel hat einen Brief bekommen, der besagt, dass seine Laube zu groß sei und Feuerstätten und Schornsteine zu entfernen seien. Seinem Onkel werde das alles inzwischen zu stressig, und er überlege den Garten aufzugeben, sagt Mischo.
    Auch die Petersens haben einen Brief bekommen. Ihr Garten liegt nur ein paar Schritte weiter.
    "Ich hatte so 'ne Spitzen an der Pforte. Die sollte ich abnehmen."
    "Haben Sie gemacht?"
    "Ja, ist schon weg!"
    Klaus und Ingrid Petersen sind seit 50 Jahren Kleingärtner. Inzwischen seien die meisten Nachbarn Migranten.
    "Wir haben ja keinen Ärger noch nie mit denen gehabt. Weder mit denen noch mit denen noch mit denen! Aber die Deutschen wollen keinen Garten mehr haben!"
    Also arrangiert man sich, auch wenn es sprachlich manchmal nicht ganz einfach ist. Von Rassismus-Debatten hält Ingrid Petersen jedenfalls nichts. Hauptsache sei doch, die Kleingärten werden weiter bewirtschaftet! Auch der eigene, meint die 73-Jährige.
    "Wenn er weg ist, ist er weg. Dann sehen wir ihn eh nicht mehr. So, wie er jetzt aussieht, würde ich ihn wahrscheinlich nie wieder sehen!"