"Die zentrale Erkenntnis ist die, dass wir eigentlich schon sehr viel wissen, das heißt, die Wissenschaftler wissen schon sehr viel, und es auch Lösungsmodelle gibt, um den doch sehr kranken Ozean wieder in Ordnung zu bringen, aber die Politik gefragt ist", sagt Nikolaus Gelpke, Gründer des mare-Magazins und Initiator des World Ocean Review, einem Bericht, der den Stand der Meeresforschung allgemein verständlich darstellen will und mit Lösungsvorschlägen aufwartet. Die größte Bedrohung für die Weltmeere sei nicht der medial sehr präsente Plastikmüll, sagt Meeresbiologe Gelpke
"Das Hauptproblem, was wir in den Meeren haben, ist eigentlich die Erwärmung und die Versauerung. Die ist medial nicht darstellbar, drum nicht so oft in den Medien wie eine Mülltüte."
Das Meer wird immer saurer, weil das viele CO2 in der Luft vor allem vom Meer aufgenommen wird, durch das viele CO2 in der Luft sinkt also der ph-Wert des Meeres.
"Wenn sich der ph-Wert ändert und das Meer versauert, dann lösen sich Kalkschalen auf. Jetzt denkt man, wieso Kalkschalen? Aber die ganzen Korallenriffe bestehen sehr viel aus Kalk; die meisten einzelligen Lebewesen haben Kalkskelette. Das ist die größte Biomasse, die es auf der Welt gibt. Auch nur auf dem Mikroskop zu sehen. Theoretisch kann es dazu führen, dass sich die gesamte Biomasse des Ozeans ändert, die Nahrungsstrukturen, die Nahrungsketten sich ändern. Und das ist einer der fürchterlichsten Eingriffe, die man sich vorstellen kann. Das ist nicht wie wenn ein paar Elefanten fehlen oder ein paar Wale, sondern dann ändert man ein Ökosystem."
Auch die anderen Bedrohungen für das Meer lägen klar auf dem Tisch: Neben dem C02-Ausstoß setzt auch das Bevölkerungswachstum dem Meer zu: Dünger aus der Landwirtschaft, Erdölförderung auf hoher See, Überfischung. Es gebe im Kern drei Wege, um Mensch, Wirtschaft und Meer in ein Gleichgewicht zu bringen, sagt Martin Visbeck, Prof. am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel und Sprecher des Exzellenzcluster "Ozean der Zukunft". Zunächst müsse das Meer weltweit in Zonen aufgeteilt werden:
"Das hat Deutschland sehr gut gemacht. Wir haben eine sehr kleine Küste, da ist sehr gut ausgewiesen, wo sind die Windkraftanlagen, wo sind die Schifffahrtsstraßen, wo sind Schutzgebiete nach Natura 2000. Das wird im Raumplan begriffen und da eben auch verhandelt. Wenn sie etwa nach Indonesien fahren, da gibt es so einen Plan nicht. Ich glaube, es wäre sehr wichtig für Indonesien, den zu erstellen. Man hat ein besseres Gefühl, was das Meer wert ist, man weist diesem Wert, dieser Nutzung einen Raum zu und beschränkt sich aber auch."
Fangquoten auf EU-Ebene durchsetzen
Beschränken meint vor allem: Weniger Fische fangen, der zweite Handlungsansatz nach Meeresforscher Visbeck. Wissenschaftler wüssten mittlerweile recht gut, wo es wie viele Fische gibt und wie viele dieser Fische gefangen werden dürfen, damit sich der Rest wieder erholen kann. Ausgerechnet die USA seien hier Vorbild, sagt Meeres-Publizist Gelpke:
"Die folgen dann tatsächlich dem, was das International Council for the Exploration of the Sea (ICES), was also die Wissenschaftler sagen: Unsere Erkenntnis ist folgende, der und der Fisch darf jetzt nicht mehr befischt werden. Dann sperren die USA radikal solche Fischfanggründe."
Von der EU fordert der Kieler Ozeanograph Martin Visbeck, die Fischerei nicht mehr zu subventionieren, denn vor allem wegen staatlicher Fischerei-Förderung könnten sich Fischbestände in Europa nicht mehr erholen:
"Wir wissen, in Europa haben wir den Punkt lange überschritten. Wir fischen zu viel. Und das kann man nur deswegen ökonomisch darstellen, weil die meisten Fischer steuerfrei Diesel kriegen, fast zinsfrei große Fischereifahrzeuge sich leisten können und dadurch zu viel Kapazität vorhanden ist."
Außerdem müsse die EU Fangquoten durchsetzen, die Wissenschaftlern als gesicherte Erkenntnis gelten. Da sei die gemeinsame Fischereipolitik der EU auf einem guten Weg, sagt Meeresforscher Visbeck, sie müsse jetzt nur noch umgesetzt werden. Meeresbiologie und Verleger Gelpke ist skeptischer. Die EU würde das seit Jahren versprechen: weniger Subventionen und strikte Fangquoten, aber am Ende hätten sich immer Fischereiländer wie Frankreich und Spanien durchgesetzt.