"Ich finde es auch interessant an der Politik, das geht ja uns auch was an. Ich meine jetzt, wenn Kinder jetzt Politiker wären, würde ja auch viel mehr für uns gemacht werden. Also es geht ja auch um die Schulen, ob die Schulen jetzt erneuert werden oder so was, und dann könnten wir da auch mal bisschen mitbestimmen und so, aber das dürfen wir ja eigentlich nicht."
Doch so aussichtslos ist die Lage gar nicht. In der Konvention über die Rechte des Kindes, vor 20 Jahren von den Vereinten Nationen beschlossen, heißt es:
"Kinder haben das Recht, bei allen Fragen, die sie betreffen, mitzubestimmen und zu sagen, was sie denken."
Ein Kind ist im Sinne des Übereinkommens jeder Mensch, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Doch obschon die Konvention 1992 von der Bundesrepublik ratifiziert wurde, ist sie hierzulande noch viel zu wenig bekannt. Besonders an der praktischen Umsetzung hapert es. Die Internationale Akademie an der Freien Universität Berlin bietet deshalb seit einem Jahr einen neuen Studiengang an, den European Master in Children's Rights.
Er ist vernetzt ist mit ähnlichen Studiengängen an anderen europäischen Universitäten. Bisher sei es so, sagt der Soziologe Manfred Liebel, dass die Rechte des Kindes vorwiegend als Verpflichtung von Erwachsenen oder Staaten den Kindern gegenüber verstanden werden. Erwachsene sollen dafür sorgen, dass Kinder zu ihrem Recht kommen. Zweifellos ein wichtiger Gesichtspunkt. Liebel:
"Aber wir fügen den Gesichtspunkt hinzu, dass Kinder auch in der Lage sein müssen und auch die Bedingungen dafür geschaffen werden müssen, dass sie selbst auch ihre Rechte wahrnehmen können. Und da wollen wir eben mit unseren Forschungen und dann auch mit der entsprechenden Ausbildung dazu beitragen, dass dafür sich das Verständnis in der Gesellschaft erweitert."
Eine der Forschungsarbeiten ist die von Dirk Wullenkord. "Demokratie von Anfang an?" heißt das Thema seiner Arbeit, mit der er den European Master in Children's Rights erwerben will. Zu den Bedingungen, unter denen Kinder ihre Rechte selbst vertreten können, gehören Räume, in denen sie sich frei äußern dürfen, so Wullenkord:
"Also dass sie ein Forum haben, in dem sie ihre Wünsche und Bedürfnisse äußern, in dem sie zu bestimmten Themen, die die Schule betreffen – ob das jetzt Schulhofgestaltung ist, es gibt da ganz verschiedene Sachen – dass sie da befragt werden und ihre Wünsche angehört werden. Das heißt nicht, dass irgendwie immer alles gemacht wird, was Kinder sagen, ihnen aber erklärt, warum es nicht geht. Es geht darum, dass man mit Kindern kommuniziert."
Kommunizieren bedeutet hier, Kinder als Akteure ernst zu nehmen. Sie werden in demokratische Entscheidungsprozesse einbezogen. Wullenkord:
"Und je früher man anfängt, desto mehr verinnerlichen sie die Fähigkeit mit zu entscheiden, und es hat ja auch große Auswirkungen auf das Zusammenleben an der Schule. Also wie man miteinander umgeht, wie man mit der Schule umgeht, wenn sie eher das Gefühl haben, das ist mein Raum, das ist meine Schule, weil ich die auch mitgestalten kann, als wenn es halt nur der Ort ist, an dem ich Wissen vermittelt bekomme."
Mitgestalten meint selbst durchdenken und erkämpfen, hat Wullenkord bei seinen Interviews an verschiedenen Schulen erfahren. Von anderen durchgesetzte Rechte und Pflichten bleiben Kindern fremd – selbst wenn sie im Sinne der Kinder ausgehandelt sind.
"An einer der beiden Schulen haben die Kinder gesagt, nein wir werden hier nicht beteiligt. Obwohl es gibt Prozesse, wo sie beteiligt wurden. Also es gibt Schulregeln, die wurden aber schon vor vielen Jahren gemacht, auch von Schülern und Schülerinnen und von den Lehrerinnen und von der Schulleitung, und die haben auch noch Bestand, aber damit haben die Kinder, die heute an der Schule sind, nichts mehr zu tun. Das sind so allgemeine Regeln, wie man sich miteinander verhält, damit es einem gut geht. Aber so ein Prozess muss meiner Meinung nach immer wieder angeschoben werden, damit auch alle wissen, was damit zu verbinden ist."
Zentral ist in dem Zusammenhang der Begriff von Selbstwirksamkeit. Kinder müssen die Erfahrung machen, etwas bewirken zu können, sagt Wullenkord:
"Dass sie halt merken, ich bin wichtig, auch meine Meinung ist wichtig. Weil das wird ihnen vielfach gerade im Bereich Grundschule versagt, diese Erfahrung. Weil diese Erfahrung mich auch dazu animiert, an solchen Prozessen teilzuhaben und mitzumachen. Wenn ich merke, es interessiert sowieso keinen, was ich sage, dann beteilige ich mich nicht mehr, dann machen die Erwachsenen das, und ich bin raus."
Wer in frühen Jahren seine "Wirksamkeit" erfahren hat, so die pädagogische Hoffnung, wird sich auch als Erwachsener eher an demokratischen Prozessen beteiligen. Das gilt erst recht für Kinder, die bisher kaum Erfahrungen mit demokratischer Beteiligung gemacht haben: die jungen Flüchtlinge – junge Menschen bis 18 also, die mit oder ohne Begleitung Erwachsener nach Deutschland gekommen sind. Mit ihnen beschäftigt sich Philip Meade, der als Kind mit seinen Eltern aus England emigriert ist. In seiner Masterarbeit hat er herausgefunden, dass ihre Kompetenzen von der deutschen Gesellschaft weit unterschätzt werden. Der Grund sei ein veraltetes Kindheitsmodell, das noch immer hier herrsche:
"Seit Entstehung des Bürgertums im 17., 18. Jahrhundert bekam man das Bild von Kindern, dass sie in einem gewissen Schutz- und Schonraum ihre Kindheit verbringen müssen, und in diesem quasi sozialisiert werden müssen. Und natürlich ist die Schule damit einhergegangen, dass sie das Wissen der Erwachsenen aufnehmen sollen, und selber nicht viel zu sagen hatten. Das ist natürlich eine europäische, eine westliche Sichtweise, aber in anderen Ländern ist das oft nicht so, vor allem Ländern, aus denen die jungen Flüchtlinge selber kommen. Und auch hier wird immer mehr diese Sichtweise in Frage gestellt."
Langsam wachse auch hierzulande die Einsicht, dass Kinder selbst für ihre Rechte eintreten, sich öffentlich äußern und in die Politik einmischen dürften, so Meade:
"Dazu bedarf es natürlich auch von Seiten der Politik und der Gesellschaft einer gewissen Offenheit dafür und ein gewisses Zutrauen, dass die Kinder das auch können. Dafür treten die jungen Flüchtlinge, die ich in meiner Masterarbeit interviewt habe, ein."
Jungen Menschen mehr Gehör verschaffen – das bedeutet letztlich, dass wir unser Bild vom Kind verändern. Meade:
"Sowohl vom Kind als von Flüchtlingen allgemein. Darum handelt auch ein Teil meiner Arbeit über die gesellschaftliche Wahrnehmung von Flüchtlingen, und die ist leider nicht allzu gut. Oft werden Flüchtlinge als Schmarotzer dargestellt, oder als Opfer von irgendwelchen Tragödien, was sie natürlich auch sind, aber gleichzeitig können sie auch einen Weg über ihre Verhältnisse hinaus weisen. Das ist das Ergebnis meiner Forschung, dass sie quasi auch selber Ideen haben, wie sie sich helfen können und wie sie ihr eigenes Leben verändern können, wenn sie es nur dürften von Seiten der Gesellschaft und der Strukturen."
Wie groß die Bereitschaft junger Flüchtlinge ist, sich öffentlich zu äußern, zeigt ein Interview, dass Philip Meade mit Mohammed Jouni durchgeführt hat. Der junge Libanese ist mit zwölf Jahren aus seinem Heimatland nach Deutschland geflohen. Hier hat er Jugendliche mit ähnlichem Schicksal kennen gelernt und über ihre Situation einen Kurzfilm gedreht:
"Da saßen wir wirklich fünfmal zu je vier Stunden und haben diskutiert. Da kamen dabei ganz große Projekte raus. Das macht dann echt Spaß, zu sehen, wie andere was ganz anderes denken als ich, und dann kommt man trotzdem auf einen gemeinsamen Nenner auch oft."
Junge Flüchtlinge, so Philip Meade, können enorm vielseitig sein, wenn sie sich für ihre Rechte einsetzen. Sie bilden Netzwerke, führen politische Diskussionen, initiieren Projekte, besuchen öffentliche Veranstaltungen, stellen Plakate und Flyer her. Und ist es nicht dieses Engagement, das wir uns für alle Kinder in Deutschland wünschen? Junge Flüchtlinge könnten Vorbilder sein, wenn man sie nur ließe.
Doch so aussichtslos ist die Lage gar nicht. In der Konvention über die Rechte des Kindes, vor 20 Jahren von den Vereinten Nationen beschlossen, heißt es:
"Kinder haben das Recht, bei allen Fragen, die sie betreffen, mitzubestimmen und zu sagen, was sie denken."
Ein Kind ist im Sinne des Übereinkommens jeder Mensch, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Doch obschon die Konvention 1992 von der Bundesrepublik ratifiziert wurde, ist sie hierzulande noch viel zu wenig bekannt. Besonders an der praktischen Umsetzung hapert es. Die Internationale Akademie an der Freien Universität Berlin bietet deshalb seit einem Jahr einen neuen Studiengang an, den European Master in Children's Rights.
Er ist vernetzt ist mit ähnlichen Studiengängen an anderen europäischen Universitäten. Bisher sei es so, sagt der Soziologe Manfred Liebel, dass die Rechte des Kindes vorwiegend als Verpflichtung von Erwachsenen oder Staaten den Kindern gegenüber verstanden werden. Erwachsene sollen dafür sorgen, dass Kinder zu ihrem Recht kommen. Zweifellos ein wichtiger Gesichtspunkt. Liebel:
"Aber wir fügen den Gesichtspunkt hinzu, dass Kinder auch in der Lage sein müssen und auch die Bedingungen dafür geschaffen werden müssen, dass sie selbst auch ihre Rechte wahrnehmen können. Und da wollen wir eben mit unseren Forschungen und dann auch mit der entsprechenden Ausbildung dazu beitragen, dass dafür sich das Verständnis in der Gesellschaft erweitert."
Eine der Forschungsarbeiten ist die von Dirk Wullenkord. "Demokratie von Anfang an?" heißt das Thema seiner Arbeit, mit der er den European Master in Children's Rights erwerben will. Zu den Bedingungen, unter denen Kinder ihre Rechte selbst vertreten können, gehören Räume, in denen sie sich frei äußern dürfen, so Wullenkord:
"Also dass sie ein Forum haben, in dem sie ihre Wünsche und Bedürfnisse äußern, in dem sie zu bestimmten Themen, die die Schule betreffen – ob das jetzt Schulhofgestaltung ist, es gibt da ganz verschiedene Sachen – dass sie da befragt werden und ihre Wünsche angehört werden. Das heißt nicht, dass irgendwie immer alles gemacht wird, was Kinder sagen, ihnen aber erklärt, warum es nicht geht. Es geht darum, dass man mit Kindern kommuniziert."
Kommunizieren bedeutet hier, Kinder als Akteure ernst zu nehmen. Sie werden in demokratische Entscheidungsprozesse einbezogen. Wullenkord:
"Und je früher man anfängt, desto mehr verinnerlichen sie die Fähigkeit mit zu entscheiden, und es hat ja auch große Auswirkungen auf das Zusammenleben an der Schule. Also wie man miteinander umgeht, wie man mit der Schule umgeht, wenn sie eher das Gefühl haben, das ist mein Raum, das ist meine Schule, weil ich die auch mitgestalten kann, als wenn es halt nur der Ort ist, an dem ich Wissen vermittelt bekomme."
Mitgestalten meint selbst durchdenken und erkämpfen, hat Wullenkord bei seinen Interviews an verschiedenen Schulen erfahren. Von anderen durchgesetzte Rechte und Pflichten bleiben Kindern fremd – selbst wenn sie im Sinne der Kinder ausgehandelt sind.
"An einer der beiden Schulen haben die Kinder gesagt, nein wir werden hier nicht beteiligt. Obwohl es gibt Prozesse, wo sie beteiligt wurden. Also es gibt Schulregeln, die wurden aber schon vor vielen Jahren gemacht, auch von Schülern und Schülerinnen und von den Lehrerinnen und von der Schulleitung, und die haben auch noch Bestand, aber damit haben die Kinder, die heute an der Schule sind, nichts mehr zu tun. Das sind so allgemeine Regeln, wie man sich miteinander verhält, damit es einem gut geht. Aber so ein Prozess muss meiner Meinung nach immer wieder angeschoben werden, damit auch alle wissen, was damit zu verbinden ist."
Zentral ist in dem Zusammenhang der Begriff von Selbstwirksamkeit. Kinder müssen die Erfahrung machen, etwas bewirken zu können, sagt Wullenkord:
"Dass sie halt merken, ich bin wichtig, auch meine Meinung ist wichtig. Weil das wird ihnen vielfach gerade im Bereich Grundschule versagt, diese Erfahrung. Weil diese Erfahrung mich auch dazu animiert, an solchen Prozessen teilzuhaben und mitzumachen. Wenn ich merke, es interessiert sowieso keinen, was ich sage, dann beteilige ich mich nicht mehr, dann machen die Erwachsenen das, und ich bin raus."
Wer in frühen Jahren seine "Wirksamkeit" erfahren hat, so die pädagogische Hoffnung, wird sich auch als Erwachsener eher an demokratischen Prozessen beteiligen. Das gilt erst recht für Kinder, die bisher kaum Erfahrungen mit demokratischer Beteiligung gemacht haben: die jungen Flüchtlinge – junge Menschen bis 18 also, die mit oder ohne Begleitung Erwachsener nach Deutschland gekommen sind. Mit ihnen beschäftigt sich Philip Meade, der als Kind mit seinen Eltern aus England emigriert ist. In seiner Masterarbeit hat er herausgefunden, dass ihre Kompetenzen von der deutschen Gesellschaft weit unterschätzt werden. Der Grund sei ein veraltetes Kindheitsmodell, das noch immer hier herrsche:
"Seit Entstehung des Bürgertums im 17., 18. Jahrhundert bekam man das Bild von Kindern, dass sie in einem gewissen Schutz- und Schonraum ihre Kindheit verbringen müssen, und in diesem quasi sozialisiert werden müssen. Und natürlich ist die Schule damit einhergegangen, dass sie das Wissen der Erwachsenen aufnehmen sollen, und selber nicht viel zu sagen hatten. Das ist natürlich eine europäische, eine westliche Sichtweise, aber in anderen Ländern ist das oft nicht so, vor allem Ländern, aus denen die jungen Flüchtlinge selber kommen. Und auch hier wird immer mehr diese Sichtweise in Frage gestellt."
Langsam wachse auch hierzulande die Einsicht, dass Kinder selbst für ihre Rechte eintreten, sich öffentlich äußern und in die Politik einmischen dürften, so Meade:
"Dazu bedarf es natürlich auch von Seiten der Politik und der Gesellschaft einer gewissen Offenheit dafür und ein gewisses Zutrauen, dass die Kinder das auch können. Dafür treten die jungen Flüchtlinge, die ich in meiner Masterarbeit interviewt habe, ein."
Jungen Menschen mehr Gehör verschaffen – das bedeutet letztlich, dass wir unser Bild vom Kind verändern. Meade:
"Sowohl vom Kind als von Flüchtlingen allgemein. Darum handelt auch ein Teil meiner Arbeit über die gesellschaftliche Wahrnehmung von Flüchtlingen, und die ist leider nicht allzu gut. Oft werden Flüchtlinge als Schmarotzer dargestellt, oder als Opfer von irgendwelchen Tragödien, was sie natürlich auch sind, aber gleichzeitig können sie auch einen Weg über ihre Verhältnisse hinaus weisen. Das ist das Ergebnis meiner Forschung, dass sie quasi auch selber Ideen haben, wie sie sich helfen können und wie sie ihr eigenes Leben verändern können, wenn sie es nur dürften von Seiten der Gesellschaft und der Strukturen."
Wie groß die Bereitschaft junger Flüchtlinge ist, sich öffentlich zu äußern, zeigt ein Interview, dass Philip Meade mit Mohammed Jouni durchgeführt hat. Der junge Libanese ist mit zwölf Jahren aus seinem Heimatland nach Deutschland geflohen. Hier hat er Jugendliche mit ähnlichem Schicksal kennen gelernt und über ihre Situation einen Kurzfilm gedreht:
"Da saßen wir wirklich fünfmal zu je vier Stunden und haben diskutiert. Da kamen dabei ganz große Projekte raus. Das macht dann echt Spaß, zu sehen, wie andere was ganz anderes denken als ich, und dann kommt man trotzdem auf einen gemeinsamen Nenner auch oft."
Junge Flüchtlinge, so Philip Meade, können enorm vielseitig sein, wenn sie sich für ihre Rechte einsetzen. Sie bilden Netzwerke, führen politische Diskussionen, initiieren Projekte, besuchen öffentliche Veranstaltungen, stellen Plakate und Flyer her. Und ist es nicht dieses Engagement, das wir uns für alle Kinder in Deutschland wünschen? Junge Flüchtlinge könnten Vorbilder sein, wenn man sie nur ließe.