Das sieht man selten im Flüchtlingslager Vial auf Chios: Glückliche Kinder: Sie lachen, sie albern herum. Die 10-jährige Esra aus Syrien zeigt stolz ihren himmelblauen Rucksack, in den sie Hefte und Buntstifte gepackt hat. Am Tor wartet schon der Schulbus. Das Lager Vial besteht nun schon zweieinhalb Jahre, in dieser Woche dürfen zum ersten Mal Kinder aus dem Lager zur Schule gehen, zumindest einige von ihnen.
Im Lager selbst, so erzählt der 14-jährige Ahmed, gibt es auch manchmal so etwas wie Schule. Flüchtlingshilfsorganisationen bieten Kurse für Kinder an, damit sie Englisch oder Griechisch lernen. Ahmed kann dort aber nicht hingehen.
"Die Kurse sind morgens, dann muss ich immer anstehen für das Frühstück für meine kleinen Geschwister", sagt Ahmed. Das dauere oft eine Stunde oder länger.
Die Kinder spielen zwischen Müll und Dreck
So geht es den meisten Kindern im Lager Vial. Sie lernen nichts. Sie spielen zwischen Müll und Dreck. Und das macht krank, sagt Apóstolos Veizis von der Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen".
"Unsere Klinik im Lager auf der Nachbarinsel Lesbos behandelt jeden Tag 150 bis 200 Kinder. Die leiden an Infektionen, an Hautausschlag, an Durchfall – viele sind inzwischen auch psychisch krank. Einige Kinder haben sogar versucht, sich das Leben zu nehmen."
Schuld daran, so Apóstolos Veizis, seien die menschenunwürdigen Zustände in den sogenannten Hotspots, den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln, die unter der Fahne der Europäischen Union geführt werden.
"Es ist eine Schande für Europa. Und es ist eine Schande für uns Europäer, das mit anzusehen. Ich finde, wir müssen jetzt aufschreien und rufen: Nicht in unserem Namen!"
"Ich bin vollkommen schockiert!"
Apóstolos Veizis spricht damit nicht nur für "Ärzte ohne Grenzen", sondern für alle Flüchtlingshilfsorganisation auf der Asyl-Konferenz in Griechenland.
Katharina Stamm von der Diakonie Deutschland, dem Wohlfahrtsverband der Evangelischen Kirche: "Ich kann nur sagen: Ich bin vollkommen schockiert! Ich war vor zwei Jahren da und ich bin jetzt wieder da und es ist schlimmer geworden. Mehr Container, mehr Kinder. Die Zustände sind schlimmer. Ein 'Weiter so' kann es nicht geben."
Die Flüchtlingshilfsorganisation fordern, die Lager auf den Inseln auflösen:
"Ich glaube, es ist nicht möglich, auf den Inseln in der Ägäis menschenwürdige Zustände herzustellen. 5.000 Menschen auf Samos, 10.000 auf Lesbos – das ist schlicht und ergreifend nicht möglich. Vordringliche Lösung ist erst einmal, die Menschen von den Inseln herunterzuholen. Die Menschen sind vollkommen isoliert. Das ist wirklich die Hölle dort."
Die Flüchtlinge sollen stattdessen auf dem griechischen Festland oder besser noch – in anderen EU-Ländern untergebracht werden, fordern die Hilfsorganisationen. Dort könnten sie besser medizinisch versorgt werden – und dort sei auch einfacher, allen Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen.