"Die Pandemie hatte in vielfältiger Hinsicht Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche, vor allem in den Bereichen Bildung, soziale Interaktion und sozioemotionale Entwicklung, körperliche Aktivität sowie psychisches Wohlbefinden", heißt es in der jüngsten Ad-Hoc-Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina zur Corona-Pandemie. Manche Minderjährige würden "kurz,- mittel- und wahrscheinlich auch langfristig von Belastungen und erlittenen Defiziten begleitet werden".
Es sei eine zentrale gesellschaftliche und politische Aufgabe, Bildungs- und Unterstützungsangebote so zu gestalten, dass die pandemiebedingten Defizite ausgeglichen werden, erklärten die wichtigste deutsche Wissenschaftsakademie. Zugleich müssten bereits zuvor vorhandene Ungleichheiten nachhaltig angegangen werden. Es gehe darum, nicht nur wieder aufzuholen, "sondern dass wir besser dastehen als vor der Pandemie",
betonte die an der Leopoldina-Stellungnahme beteiligte Gesundheitspsychologin Dr. Jutta Mata im Dlf-Interview
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Präsenzunterricht: "effektivste Art des Lernens"
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schlagen dazu Maßnahmen in vier Bereichen vor: Bildung, soziale Interaktion und soziemotionale Entwicklung, körperliche Aktivität sowie psychische Situation. Konkret empfehlen sie etwa im Bereich Bildung, den Präsenzbetrieb an Schulen und Kitas als "effektivste Art des Lernens" im kommenden Schuljahr aufrechtzuerhalten – unter Berücksichtigung geeigneter Schutzmaßnahmen. Die sich ausbreitenden Delta-Virusvariante habe die Leopoldina-Stellungnahme in diesem Punkt ein bisschen überholt, sagte Mata im Dlf. Sicherheitsmaßnahmen wie Masken, Händewaschen und wo möglich Abstandhalten sollten daher weiter beachtet werden, so die Wissenschaftlerin von der Universität Mannheim.
Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen fordern zudem die digitale Infrastruktur der Bildungseinrichtungen schneller zu verbessern. Dazu gehöre neben der technischen Ausrüstung auch die personelle Ausstattung und die Weiterbildung in der Didaktik mit digitalen Medien. Notwendig sei zudem eine validierte, standardisierte und frühe Diagnostik der Sprachkompetenzen aller Kinder. Sprachstanderhebungen sollten statt erst im letzten Jahr vor der Einschulung bereits im Alter von drei Jahren erfolgen. Darauf aufbauend sollte dann auch die Sprachbildungsqualität im Kita-Kontext nachhaltig gefördert werden.
Mehr Bewegungsangebote in Kitas und Schulen
Als kurzfristige Maßnahmen schlagen die Wissenschaftlerinnen vor, die Stundentafel in den Grundschulen anzupassen, um Rückstände in den Kernfächern Deutsch und Mathematik aufzuholen. Schülerinnen und Schüler mit Leistungsschwächen in diesen Fächern sollten – unabhängig von der Pandemie – zusätzlich gefördert werden, etwa durch qualifizierte Tutorinnen und Tutoren.
Weiter empfehlen die Wissenschaftler den "Ausbau einer bewegungsfördernden Infrastruktur für Kinder und Jugendliche, idealerweise tägliche Bewegungsangebote in Kitas und Schulen". Allen Kindern sollte die Möglichkeit gegeben werden, sich ausreichend zu bewegen, führte Gesundheitspsychologin Mata aus. "Weil wir wissen, dass Bewegung natürlich mit ganz wichtigen kognitiven, motorischen sozial-emotionalen Entwicklungen zusammenhängt."
Um soziale Interaktionen und die sozioemotionale Entwicklung nach der Pandemie zu stärken, wird empfohlen, Informationsangebote auszubauen - vort Ort, aber auch online. Fachkräfte in Kitas und Lehrkräfte in Schulen sollten zudem für psychische Probleme von Kindern und Jugendlichen sensibilisiert werden. Dazu sollen sie fortgebildet und die Schulsozialarbeit ausgebaut werden.