Chips, Cola und Süßigkeiten für zwischendurch, Pizza, Pommes und einen Burger als Hauptmahlzeit. Für viele Kinder und Jugendliche ist das ganz normal – und deshalb werden sie immer dicker. Bald sieben Prozent sind bereits adipös, also fettleibig. Als krank gelten die Kinder und Jugendlichen damit noch nicht, aber sie befinden sich an der Schwelle dazu. Eine dänische Langzeitstudie, die gerade im British Medical Journal veröffentlicht wurde, bestätigt das: Wer schon mit Anfang 20 fettleibig war, hatte schlechte Karten:
Jeder Zweite erkrankte bis zu seinem 55. Lebensjahr an einer Herzkreislauferkrankung oder verstarb früh. Das Risiko, Diabetes Typ 2 zu bekommen, war achtmal so hoch wie bei Normalgewichtigen. Und das Schlaganfallrisiko nahm bereits bei den Übergewichtigen zu: um 40 Prozent.
Das sind deutliche Zahlen. Am Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrum Adipositas in Leipzig ist man noch einen Schritt weiter gegangenen. Dort haben Wissenschaftler fast 1500 Kinder und Jugendliche im Alter von elf bis 18 Jahren untersucht. Sie wollten herausfinden, welche Hinweise die Körper-Fett-Verteilung auf spätere Erkrankungen gibt:
Susan Blüher: "Wir konnten zeigen, dass neben dem Körpermassenindex auch der Taillenumfang bereits bei Jugendlichen eine große Rolle spielt. Das heißt ganz konkret, dass mit Zunahme des Taillenumfangs schon deutlich veränderte Blutparameter zu finden sind."
Dazu gehören verringerte Werte für das HDL-Cholesterin, das ist das sogenannte gute Cholesterin, das gegen Herzkreislauferkrankungen schützen soll. Andererseits sind die Nüchtern-Insulinwerte erhöht und deuten auf eine gestörte Glukosetoleranz im Körper der Kinder und Jugendlichen hin.
"Eine gestörte Glukosetoleranz ist sozusagen ein Vorvorläufer des möglicherweise sich entwickelnden Typ 2 Diabetes, des Altersdiabetes, den wir bis vor ein paar Jahren in der Kinderheilkunde gar nicht kannten und jetzt leider auch zunehmend sehen bei Kindern, die zum Teil erst 12/13 Jahre alt sind."
Susann Blüher leitet die Studie am IfB Leipzig. 30 Prozent der adipösen Kinder und Jugendlichen hatten bereits eine Insulinresistenz: Es ist ausreichend Insulin da, aber es kann von den Zellen nicht mehr entsprechend aufgenommen werden.
"Das Gefährliche ist, dass man das nicht merkt, den Betroffenen geht es gut, die haben dadurch keine Beschwerden."
Wenn die Diabetes erst da ist, ist es zu spät. Schon in der Pubertät aber lässt sich das Risiko an einem erhöhter Taillenumfang ablesen. Dieser wird durch Referenzwerte und unter Berücksichtigung des individuellen Körperwachstums ermittelt. Die Leipziger Forscher konnten außerdem nachweisen, dass ein deutlicher Zusammenhang zwischen Taillenumfang und erhöhten Leber- und Harnsäurewerten bei Jugendlichen besteht. Erhöhte Harnsäurewerte können im Erwachsenenalter zu Gicht führen. Erhöhte Leberwerte deuten auf eine beginnende Lebererkrankung hin.
"Man weiß es ziemlich genau aus der Erwachsenenmedizin, da gibt es einen ganz klaren Zusammenhang zwischen erhöhtem Bauchumfang und metabolischen Risikofaktoren oder bereits bestehenden Begleiterkrankungen."
Bei Kindern und Jugendlichen war das bislang nicht belegt. Die im Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism veröffentlichte Studie hat das jetzt nachgeliefert. Als Konsequenz daraus sollte der Taillenumfang standardmäßig bei jungen Menschen gemessen und gegebenenfalls durch Bluttests ergänzt werden, fordert Susann Blüher. Aber nicht nur die Medizin, auch die Betroffenen selber sind gefordert:
"Wir sehen interessanterweise, das Kinder die das geschafft haben ihr Gewicht zu stabilisieren oder die körperliche Aktivität im Alltag zu steigern, dass die dann wieder eine Abnahme der erhöhten Werte haben. Dass das klar reversibel ist in diesem jungen Alter. Deswegen sollte bei Kindern immer vordergründig eine Lebensstilintervention angestrebt werden."
Dazu gehören gesündere Lebensmittel. Weniger schnelle, fettige oder süße Produkte, die immer und überall erhältlich sind. Ob es irgendwann essensfreie Zonen geben wird? Vielleicht. Dass die Kaloriensteuer kommt, vor allem auf Süßigkeiten und Snackprodukte, sei nur eine Frage der Zeit, prognostizieren manche. Und der Vorstoß der Politik, gerade der deutschen Gesundheitspolitiker, deutet in diese Richtung. Auch wenn die Nahrungsmittelkonzerne und ihre Lobbyisten alles tun werden, um Steuern oder sonstige Reglementierungen hinauszuzögern. Beim Tabak war es ähnlich.