Der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Hubmann, sagte der "Ärzte Zeitung", er befürchte, dass Cannabis an Kinder und Jugendliche vermehrt durchgereicht werde, wenn die Substanz für Erwachsene legalisiert werde. Seinen Worten zufolge bekommt der Kinder- und Jugendschutz bereits den Umgang mit Alkohol und Nikotin nicht in den Griff. Auch die Bundesärztekammer warnte vor der geplanten Cannabis-Teilfreigabe. Bundesgesundheitsminister Lauterbach warb hingegen um Zustimmung. Mit dem Gesetz werde der Schwarzmarkt zurückgedrängt, so dass Kinder und Jugendliche besser geschützt würden.
Richterbund warnt vor Überlastung der Justiz
Der Deutsche Richterbund bekräftigte hingegen seine Warnungen vor einer Überlastung der Justiz. Grund sind mögliche rückwirkende Straferlasse bei Cannabis-Vergehen. Der Gesetzgeber solle die geplante Amnestie-Regelung für nicht vollstreckte Altfälle streichen. Zur Begründung sagte Richterbund-Bundesgeschäftsführer Rebehn dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, die Strafakten müssten mit Bezug zum Betäubungsmittelgesetz händisch ausgewertet werden. Es müsse geprüft werden, ob die betroffenen Sachverhalte nach der neuen Rechtslage straflos wären. Dies sei sehr zeitaufwändig.
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter forderte erneut den Stopp der Ampel-Pläne. Der DBK-Vorsitzende Peglow führte in der Funke-Mediengruppe, das Gesetz sei in der Praxis schwierig umsetzbar und fördere den Kleinhandel vom Cannabis.
Offener Brief von 30 Experten ruft Abgeordnete zur Zustimmung auf
Anfang der Woche hatten dagegen 30 Fachleute, darunter vor allem Professoren aus den Bereichen Rechtswissenschaft, Soziologie und Psychologie, einen offenen Brief verfasst. Er ging an Abgeordnete des Deutschen Bundestags und rief sie dazu auf, der geplanten Teil-Legalisierung von Cannabis in dieser Woche zuzustimmen. Die meisten relevanten Experten setzten sich für ein Ende der Strafverfolgung von Konsumenten ein, sagte der Initiator des Briefs, Bernd Werse, dem Deutschlandfunk. Es sei ihm angesichts der vielen Meldungen der Gegenseite wichtig gewesen, dies zu verdeutlichen, führte der Leiter des Zentrums für Drogenforschung an der Uni Frankfurt aus. Der Brief sei an die Ampelfraktionen und die Fraktions- sowie Gruppenleitungen der anderen demokratischen Parteien gegangen.
Den Experten zufolge deuten Erfahrungen aus anderen Ländern darauf hin, dass eine ausgewogene Teil-Legalisierung, wie von der Koalition geplant, keine Erhöhung des Konsums zur Folge haben werde. Auch Befürchtungen über eine Stärkung des profitorientierten Schwarzmarktes seien nicht haltbar und ohne Bezug zur kriminologischen Drogenmarktforschung.
Abstimmung am Freitag
Im Bundestag wird morgen abschließend über das Gesetzesvorhaben abgestimmt, das am 1. April in Kraft treten soll. Die Neuregelung sieht vor, den Bezug von Cannabis in begrenztem Umfang - maximal 25 Gramm pro Tag - für Erwachsene ab 18 Jahren über nicht kommerzielle Vereine zu ermöglichen. Im Eigenanbau sollen bis zu drei Pflanzen erlaubt sein. Union und AfD, aber auch einige SPD-Abgeordnete lehnen die Pläne ab.
Diese Nachricht wurde am 22.02.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.