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Kinderbetreuung
Aufwachsen in der 24-Stunden-Kita

Weil es immer mehr Alleinerziehende gibt und die Zahl der Menschen, die im Schichtdienst arbeiten, steigt, wächst die Nachfrage nach flexibleren Betreuungszeiten. In Schwerin gibt es schon zwei 24-Stunden-Kitas. Die Möglichkeit, dass die Kinder dort auch übernachten können, entlastet viele Eltern - auch wenn sie es noch gar nicht genutzt haben.

Von Sabine Demmer | 10.04.2015
    Manuela Schwesig in der 24-Stunden-Kita "nidulus duo" in Schwerin
    Familienministerin Manuela Schwesig kam im vergangenen Jahr zur Eröffnung der 24-Stunden-Kita "nidulus duo" in Schwerin (dpa/picture alliance/Bodo Marks)
    "Jetzt gehen wir rein. Ja, guck mal so, mein Schatz. Jetzt gehen wir zu Mona und Jule Liesi. Jetzt noch schnell ausziehen." Mit einem blauen Plastikchip am Schlüsselbund verschafft sich Anja Schröter Zutritt zur Kindertagesstätte Nidulus duo. Die 39-Jährige ist auf dem Weg zur Arbeit. Sie und ihr Mann arbeiten als Ärzte am Helios Klinikum in Schwerin - im Schichtdienst. Lieselotte ist ihr erstes Kind, 18 Monate alt. Seit einem halben Jahr bringt Anja Schröter sie fast täglich in die Kita.
    "Ja, ausziehen. So. Wenn ich arbeite, bringe ich sie so kurz vor acht hierher. Wenn ich frei habe bis neun und halb zehn. Dann frühstücken wir zu Hause in Ruhe. Wenn ich aber arbeite, dann frühstückt sie hier. Mama holt noch die Hausschuhe und dann gehen wir mal rein zu den anderen Kindern. Da freut sich schon jemand drauf. Ja. Sie freut sich immer auf die Kita. Guten Morgen, liebe Liesi. Alle Kinder sind schon da."
    Mehr Zeit für die Familie
    Wegen ihres Jobs zog Anja Schröter vor wenigen Jahren von Berlin nach Schwerin. Lernte dort ihren Mann kennen. Sie ist Chirurgin, er Orthopäde. Die 24-Stunden-Kita liegt auf dem Weg zur Arbeit, gerade mal acht Minuten mit dem Fahrrad vom Wohnort entfernt. Die 39-Jährige ist froh, dass sie für ihre Tochter einen Platz in der Nidulus duo bekommen hat, denn die Verwandtschaft, die ihr helfen könnte, lebt leider nicht in der Nähe. Dass ihre Tochter irgendwann auch mal über Nacht in der Kita bleiben wird, bedeutet für Anja Schröter eine große Entlastung. "Wir haben noch nicht die Übernachtung in Anspruch genommen, weil ich im Moment noch Teilzeit arbeite, aber wenn sie ein bisschen älter ist und ich mehr arbeite, werden wir das in Anspruch nehmen. Was natürlich super ist, weil man dann mehr Zeit für die Familie hat, nicht immer getrennt Dienste machen muss und dadurch mehr Zeit zu dritt hat."
    Während Anja Schröter kein schlechtes Gewissen hat ihre Tochter abzugeben, gibt es durchaus Eltern, die damit Schwierigkeiten haben. Häufig kommt Druck von der Verwandtschaft, von Freunden, die sagen: Was bist Du für eine Rabenmutter. Warum hast Du ein Kind bekommen, wenn Du es dann in die Fremdbetreuung gibst. Anke Preuß, die Geschäftsführerin der Schweriner Kita betont, dass die 24-Stunden-Einrichtung kein Abschiebehort sei. Das Angebot richtet sich an Eltern, für die solch ein Platz nicht einfach nur zusätzlicher Luxus ist, sondern eine solche Einrichtung dringend benötigen. "Es gibt Plätze, die jetzt von sieben bis 17 Uhr sind. Ausschließlich für Eltern und Kinder gedacht, die Arbeitszeiten haben, die nicht in eine Regelzeit hineinpassen würden, also so, dass Regelkita nicht besucht werden kann."
    Wenn es sein muss, auch nachts
    Auch Sabrina Rau hatte das Glück, einen der Plätze für ihre Tochter zu bekommen. Die 28-Jährige arbeitet als Kinderkrankenschwester - natürlich auch im Schichtdienst. Da ihr Mann beruflich auch nicht zeitlich flexibel ist, ist sie überglücklich, dass sie ihre Tochter in der Nidulus duo unterbringen kann.
    "Ja, das ist ein Luxus, hat nicht jeder. Wenn einer Schichtarbeit arbeitet, mein Mann ist bei der Bundeswehr. Wenn man eine Kita hat, wo man die Kinder 24 Stunden unterbringen kann. Ich weiß nicht, wie ich es alleine machen sollte.“
    Wahrscheinlich müsste Sabrina Rau ihren Beruf aufgeben, wenn sie den Platz in der 24-Stunden-Kita nicht hätte. 1.200 Euro kostet solch ein Krippenplatz insgesamt. Zahlen müssen davon die Eltern für ein Krippenkind bis drei Jahre 480 Euro. Den Rest übernehmen Stadt, Land und Bund. Das heißt für die Eltern: Sie müssen rund 150 Euro im Monat mehr aufbringen als für einen Platz an einer normalen Kindertagesstätte in Schwerin. Die Möglichkeit, ihre Tochter auch nachts unterzubringen, hat Sabrina Rau bis jetzt noch nicht in Anspruch genommen.
    "Bis jetzt konnte ich das noch umgehen. Nicht, weil sie das nicht gut machen würden, sondern weil mir das das Herz zerreißen würde. Das wird wahrscheinlich irgendwann auf sie zukommen. Ja, wird so sein. Wenn Papa nicht da ist, ich Nachtdienst habe und Oma nicht kann. Dann muss sie und ich auch."
    Mehr zu dem Thema am Samstag im Wochendjournal