2017 hatte ein internationales Team bei einer Ausgrabung in Kenia vor einem Felsüberhang ein Loch entdeckt, das mit Sediment gefüllt war. Als die Forscher die oberen Schichten freigelegt hatte, ragten plötzlich Zähne aus dem Block. Schnell wurde klar: die Zähne waren menschlich, sie gehörten zu unserer Art Homo sapiens und sie stammten von einem Kleinkind, höchstens drei Jahre alt.
María Martinón-Torres, Direktorin des National Research Center on Human Evolution im spanischen Burgos, hat den Sedimentblock später durchleuchtet - und erlebte dabei eine weitere Überraschung: "Wir sahen, dass es mehr Knochen als nur die Zähne waren. Wir haben verschiedene Methoden angewendet und festgestellt, dass alle Knochen im anatomischen Verbund liegen. Und als wir die Liegeposition des Kindes rekonstruierten, war klar: Das wurde alles sehr sorgfältig gemacht - das Kind lag auf der rechten Seite, die Knie zur Brust angewinkelt."
Das Kind schien zu schlafen
Das Kind wurde nicht nur abgelegt, sondern bestattet. Das war auch einer der Gründe, weshalb es einen Namen bekam: 'Mtoto', was auf Suaheli ‚das Kind‘ bedeutet. Spannend wurde es bei der Datierung des Grabes, so die spanische Paläoanthropologin. "Wir konnten wirklich direkt aus dem Inneren der Grube datieren, in der der Körper lag. Die Datierung ergab ein Alter von 78.000 Jahren, was bedeutet, dass das Grab in Panga ya Saidi der früheste Beweis für eine menschliche Beerdigung in Afrika ist."
"Mtoto" heißt auf Suhaleli "das Kind"
Zu welcher Gesellschaft das kleine Kind gehörte oder woran es gestorben war, ist nicht klar. Zu schlecht sind die Erhaltungsbedingungen im dortigen feuchten Boden. Aber dennoch gelang es, aus einer leicht veränderten Position einiger Knochen Schlüsse zu ziehen. "Aufgrund der besonderen Lage des Kopfes und der Bewegung des Schlüsselbeins und der ersten Rippen gehen wir davon aus, dass der Körper so platziert wurde, als hätte jemand ein Kind in ein Bett gelegt. Offenbar hatte die Trauergemeinde den oberen Teil des Körpers in eine Art Leichentuch gewickelt, das aus einem verderblichen Material bestand, Tierhaut oder Blätter. Hinzukommt, dass der Kopf auf einer Stütze oder so etwas wie einem Kissen ruhte."
Zudem lagen dort auch typische Steinwerkzeuge der mittleren Altsteinzeit – Abschläge, die zum Schaben oder Schneiden dienten.
Der Fund in Afrika passt ins Bild
Eine besondere Grabstätte, sagt auch Louise Humphrey von Natural History Museum in London, die nicht an der Studie im Fachmagazin Nature beteiligt war, aber einen Begleitartikel verfasst hat: "Es ist aufregend, weil es das bislang nicht gab. Wobei es nicht ganz überraschend kommt. Wir wissen, dass unsere Spezies Homo sapiens die Toten begraben hat. Es gibt Bestattungen im Nahen Osten seit 120.000 Jahren. Von daher gab es irgendwie immer die Hoffnung und Erwartung, dass wir eine Beerdigung aus dieser frühen Zeit auch in Afrika finden."
Die ältesten bislang bekannten eindeutigen Gräber menschlicher Gesellschaften stammen von Neandertalern und wurden in Gebieten des heutigen Israel und Irak entdeckt. Bei vielen deutlich älteren Skelettfunden, etwa in Höhlen auch in Afrika, ist häufig nicht klar, ob die Menschen damals dort starben oder dorthin gebracht und bestattet wurden.
Glaube ans Jenseits als treibende Kraft?
Fest steht: Schon bei den ersten Gräbern von Neandertalern und Homo sapiens fanden sich Grabbeigaben. Die Menschen gaben ihren Toten nicht nur Wertgegenstände mit, sondern auch Waffen und Werkzeuge. Vielleicht, weil sie davon ausgingen, dass die Toten diese Gegenstände in einer kommenden Welt gebrauchen könnten. Viel spricht dafür, dass auch die Hinterbliebenen von "Mtoto" nicht nur trauerten, sondern mehr dahinter stand – der Glaube oder die Hoffnung, dass der Tod in dieser Welt nicht das Ende ist.