Michael Böddeker: Kinderlosigkeit im Alter wird oft als Problem gesehen. Denn wenn man keine eigenen Kinder hat, wer soll einem dann helfen im Notfall, oder auch im Alltag? Laut einer neuen Untersuchung ist das Problem aber nicht so groß wie angenommen. Mehr darüber weiß Laura Romeu – sie ist eine der Autorinnen – vom Deutschen Zentrum für Altersfragen. Ich habe sie gefragt: In Ihrer Untersuchung geht es um Männer und Frauen ab dem Geburtenjahrgang 1950. Gibt es unter denen besonders viele Kinderlose?
Laura Romeu: Ja. Es ist tatsächlich so, dass die Kinderlosigkeit für diese Geburtskohorten zugenommen hat. Wir haben also immer mehr ältere Leute, die ohne Kinder älter werden.
Böddeker: Und nimmt das im Trend auch noch weiterhin zu in der Zukunft?
Romeu: Das wird voraussichtlich auch noch zunehmen, aber in welchem Umfang, können wir noch nicht sagen.
Böddeker: Jetzt könnte man annehmen, dass man es ohne Kinder im Alter schwer hat. Das ist aber gar nicht unbedingt so, sagen Sie. Warum?
Romeu: Wir untersuchen die Unterstützung, die Personen ohne Kinder und Personen mit Kindern im Alter bekommen. Und wir sehen, dass die kinderlosen älteren Menschen die Unterstützung irgendwo anders sich holen, und zwar von Freunden oder Bekannten oder von anderen Verwandten. Und damit kompensieren sie die mangelnde Unterstützung durch die eigenen Kinder.
Kinderlosigkeit hat keine Auswirkung auf Lebenszufriedenheit
Böddeker: Wie wirkt sich denn Kinderlosigkeit überhaupt aus, zum Beispiel auf die Zufriedenheit und auch auf das Wohlbefinden?
Romeu: Wir beobachten Unterschiede. Wir beobachten zum Beispiel, dass kinderlose Männer öfter unzufriedener sind mit ihrem Leben als Väter. Allerdings, Männer mit Kindern und Männer ohne Kinder mit den gleichen Merkmalen in Bildung, Alter und Partnerschaftsstatus verschwindet dann dieser Unterschied. Das heißt, dass diese Unterschiede in der Lebenszufriedenheit nicht durch die Kinderlosigkeit an sich getrieben werden, sondern eher durch diese verschiedenen Merkmale.
Böddeker: Und diese verschiedenen Merkmale führen dann einerseits dazu, dass man unzufrieden ist, und andererseits dazu, dass man eben keine Kinder bekommen hat.
Romeu: Genau.
Allein leben heißt nicht gleich einsam
Böddeker: Dann vielleicht noch mal speziell zu den Frauen. Da gibt es gerade auch aktuelle Zahlen vom Statistischen Bundesamt. Da geht es um Frauen über 65, und demnach leben 45 Prozent der Seniorinnen allein. Bei den Männern sind es weniger. Ergeben sich daraus Probleme, vielleicht auch besonders für ältere Frauen?
Romeu: Nein. Dass die Leute eher allein leben im Alter, besonders die Frauen, bedeutet nicht unbedingt, dass sie sich öfter einsam fühlen. Was wir hier beobachten, ist, dass der Anteil von Personen, die sich mit 40 einsam fühlen, sehr ähnlich ist dem Anteil von Personen, die dann im höheren Alter sich einsam fühlen. Das heißt also, das persönliche Netzwerk wird im Alter geringer, und der Anteil von Leuten, die allein leben, größer, aber es ist nicht unbedingt der Fall, dass die Leute im Alter sich viel häufiger einsam fühlen.
Böddeker: Was heißt das jetzt zusammengefasst? Es wird ja oft als Problem gesehen, Kinderlosigkeit im Alter. Müssen wir da vielleicht umdenken?
Romeu: Das ist genau unsere Botschaft. Kinderlosigkeit nimmt zu. Allerdings müssen wir auch betrachten, dass die sozialen Netzwerke sich im sozialen Wandel befinden. Freundschaften zum Beispiel werden immer wichtiger. Und die Leute holen sich diese Unterstützung von Freunden, von Bekannten. Ohne Kinder älter zu werden, bedeutet nicht unbedingt, dass man isoliert und einsam ist.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.