Forschen Schrittes eilt Sebastian Edathy ins Landgericht, für den herandrängenden Pulk aus Kameraleuten und Fotografen hat der Politiker aus dem Landkreis Nienburg einen vieldeutigen Fingerzeig:
"Wenn Sie der Wahrheit eine Gasse bahnen würden, wäre ich Ihnen sehr dankbar!"
Rund 100 Zuschauer und Medienvertreter sitzen im aufgestuhlten Verhandlungssaal 104. Der für seine hartnäckigen Fragen bekannte Politiker aus dem Landkreis Nienburg lässt seine Personalien protokollieren. Familienstand: ledig, Beruf: zur Zeit unbeschäftigt.
Doch die Anklage ist noch nicht einmal verlesen, da sorgt Edathy für den Paukenschlag: Er lässt seinen Strafverteidiger Christian Noll erklären, dass der Prozess umgehend eingestellt werden müsse. "Etwas ist aus dem Lot geraten", sagt Noll – und verweist auf die laufenden Ermittlungen gegen den Celler Generalstaatsanwalt Frank Lüttig. Der Chefermittler im Fall Edathy steht im Verdacht, den Ermittlungsbericht des Landeskriminalamtes an ausgewählte Medien weitergereicht zu haben. "Ein einmaliger Vorgang", raunt Noll. Hätte Lüttig das Material tatsächlich an Journalisten gespielt, so spekuliert der Anwalt, so hätte er das herausragende mediale Interesse damit erst befeuert, mit dem Anklage die Notwendig eines Strafverfahrens begründet.
Ermittlungen gegen Behördenvertreter
Delikat aus Sicht der Verteidigung: Auch sämtliche Akten zu laufenden Ermittlungen wegen eines möglichen Geheimnisverrats seien über Lüttig gelaufen. Dabei bleibe der Generalstaatsanwalt womöglich nicht der einzige Beschuldigte: In 25 weiteren Fällen werde gegen Behördenvertreter ermittelt, die Informationen, ja ganze Aktenbände durchgestochen haben sollen. Ein faires Verfahren sei so nicht mehr möglich.
Von einer "massiven Vorverurteilung" seines Mandanten, spricht Noll. Dabei sei dieser längst und für´s Leben bestraft: Mit dem Beruf habe Edathy auch seinen Ruf verloren, Freunde hätten sich abgewandt.
"Ich finde, mit dem Herunterladen von kinderpornografischem Material wird ja ein ganzer Markt betrieben, das ist ja hinlänglich bekannt, und der Herr Edathy hat mit seinem privaten Herunterladen von diesen Daten, diesen Markt auch noch zusätzlich beheizt, auf jeden Fall gebilligt."
"Ich bin der Meinung, dass dieser Mensch, der also einen Fehler gemacht hat, auch dafür gerade stehen soll."
"Und dann vor allen Dingen ist es ja auch noch interessant, wer noch, was wann und wo wusste."
57 Politiker, Ermittler und Amtsträger sollen laut einer dem NDR vorliegenden Liste bereits vor den Haussuchungen von den Vorwürfen gegen Edathy gewusst haben. Hartnäckig hält sich der Verdacht, dass dieser von niedersächsischen Parteifreunden gewarnt worden sein könnte.
Mögliche Einstellung gegen Geldauflage
Die Staatsanwaltschaft Hannover wirft Edathy vor, sich im Laufe von sechs Tagen im November 2013 über seinen Internetzugang mit Hilfe seines dienstlichen Laptop kinderpornografische Bild- und Videodateien heruntergeladen zu haben. Edathy soll überdies ein Bildmagazin und eine CD mit Aufnahmen nackter Knaben besessen haben, die man als jugendpornografisch einstuft.
Am Ende eines kurzen Verhandlungstages bringt der Richter noch einmal die Rede auf eine mögliche Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage. Die Kammer sehe wegen der vergleichsweise wenigen Taten und den erheblichen privaten und beruflichen Folgen, die Edathy bereits erfahren habe, gute Gründe dafür. Doch darauf, so ihre Sprecherin, will sich die Staatsanwaltschaft nur einlassen, wenn Edathy Einsicht zeigt.
"Voraussetzung dafür wäre für uns, dass der Angeklagte ein glaubhaftes Geständnis ablegt – und wir müssen abwarten, wie sich der Angeklagte dazu verhält."
Am nächsten Montag wird der Prozess fortgesetzt.