Vor zwölf Jahren begannen engagierte Menschen im brandenburgischen Groß Leuthen eine kleine Ausstellungsreihe, die der Landbevölkerung internationale Kunst nahe bringen wollte. Der Titel "Rohkunstbau" war angesichts der Örtlichkeit damals Programm, und niemand hat vermutet, dass Kunst hier einmal gegen den Trend zum echten Standortfaktor werden würde. Am Wochenende hat die brandenburgische "Mini-documenta" ihre inzwischen zwölfte Ausgabe eröffnet.
Viele Jahre war das Wasserschloss Groß Leuthen ein Kinderheim und Waisenhaus, ein Ort, an dem man bei aller Beschaulichkeit der Landschaft noch immer die Einsamkeit von Kinderseelen erahnen kann, die sich in den heruntergekommenen Schlafsälen in eine bessere Welt träumten. Noch heute veranstaltet eine Potsdamer Waisenstiftung hier kreative Landpartien. Auch Arvid Boellert, der künstlerischer Leiter und Erfinder von "Rohkunstbau", konnte sich dieser Geschichte des Ortes nie entziehen, vor zwei Jahren etwa hingen Gemälde mit sporttreibenden FDJlern des Berliners Norbert Bisky im ehemaligen Schlafgemach des Schlossherren, 2004 hingen an gleicher Stelle Bilder mit Kinderportraits von Cornelia Schleime.
Aber erst in diesem Jahr ist die jüngere Geschichte des Anwesens zum Hauptthema der Ausstellung geworden. Da diesmal auch der 13-teilige Zyklus der "Kinderszenen" von Robert Schumann die eingeladenen Stipendiaten inspirieren sollte, wurde ausnahmsweise ein Künstler mehr als sonst eingeladen.
An der Zusammenstellung des Teilnehmerfeldes hat sich trotzdem nichts geändert: Ein Teil der Plätze ist für Künstler aus Deutschland reserviert, der Rest kommt aus aller Welt. Man bemüht sich immer, Osteuropa und Asien zu berücksichtigen und darüber hinaus eine repräsentative Mischung zeitgenössischer Kunstpraktiken zu präsentieren. So gesehen ist alles wie beim ersten Mal, als man den Bewohnern zwischen Cottbus und Lübben noch die große weite Kunstwelt eröffnen wollte. Mittlerweile haben eher die Berliner dieses Kunstcamp als Sommerfrische und Festival für sich entdeckt.
Außerdem bemüht sich Arvid Boellert bei seiner Auswahl um ein ausgewogenes Feld mit Stars und eher unbekannten Künstlern, und auch das kommt offenbar sehr gut an beim Publikum. Dieses Jahr steht Louise Bourgeois unangefochten an der Spitze des Feldes, und ihre in einem kleinen Kabinett fast versteckte Installation mit alten, beschrifteten Kindheits- und Familienfotos scheinen wie gemacht für diesen Ort, obwohl man er der fast Neunzigjährigen erspart hat, aus New York in die ostdeutsche Pampa einzufliegen.
"Lass mich bitte nicht allein", schreibt Bourgeois zum Beispiel unter eines der Bilder und markiert die Stelle, an der die Hand des Kindes in der Hand der Mutter liegt, die Fragilität kindlichen Zugehörigkeitsgefühls symbolisierend.
Der Ukrainer Sergej Bratkov, auch er international bekannt, hat im ehemaligen Badezimmer eine Reihe inszenierter Fotografien mit seelischen und körperlichen Kindesmisshandlungen aller Art realisiert, wobei er allerdings die Rollen vertauscht und die Kinder beginnen, die Perversionen ihrer Eltern nachzuspielen.
Der noch nicht 40-jährige, norwegische Shooting Star der letzten Jahre, Björn Melhus, wiederholt hier sein Filmprojekt "Far far Away" von 1995, einer Geschichte in Anlehnung an den "Zauberer von Oz", in der der Künstler selbst die Figur des Mädchens Dorothy darstellt, die sich in ihrem Hochhauszimmer aus der Einsamkeit fortträumt. Aus Deutschland sind etwa der "Gedächtniskünstler" Via Lewandowsky mit einer kürzlich schon in Leipzig ausgestellten Kleiderschrankinstallation und der Maler Cornelius Völker zu sehen.
Die mit Abstand auffälligste Installation stammt vom jungen Franzosen Yann Delacour, der das große Seeterrassenzimmer mit einer dicken Schicht märkischen Sands gefüllt und mittels 12.000 Playmobilfiguren ein Kriegsschlachtfeld modelliert hat. Kurator Mark Gisbourne verneint, dass es sich dabei um eine bestimmte Schlacht handeln soll. Das würde immerhin naheliegen, da sich nur ein paar Kilometer entfernt von Groß Leuthen, im Städtchen Halbe, der größte Soldatenfriedhof des zweiten Weltkriegs auf deutschen Boden befindet, an dem sich alljährlich die deutsche Neonaziszene zum Feiern trifft.
Aber Gisbourne verweist viel lieber darauf, dass kleine Jungen einfach Soldaten lieben. Man wird auch die wenigen Kinder aus der brandenburgischen Umgebung, die nicht mit ihren Eltern gen Westen gezogen sind, am Ende der Ausstellung einladen, Yann Delacours Werk in Besitz zu nehmen und so viele Spielzeugsoldaten nach Hause zu tragen, wie sie schleppen können.
Die immer leicht schaurige Ironie gehört in Groß Leuthen einfach dazu, ebenso wie das heiße Hochsommerwetter und das See-Idyll an dem einige der beteiligten Künstler ja auch immerhin ein paar Tage oder Wochen zugebracht haben. Yann Delacour jedenfalls, der hier mehrere Tage lang seine Soldateninstallation in mühsamer Kleinarbeit aufgestellt hat, fasst es mit der Erkenntnis zusammen: Es ist nicht der Ort, an dem man zum Ausspannen fährt.
Viele Jahre war das Wasserschloss Groß Leuthen ein Kinderheim und Waisenhaus, ein Ort, an dem man bei aller Beschaulichkeit der Landschaft noch immer die Einsamkeit von Kinderseelen erahnen kann, die sich in den heruntergekommenen Schlafsälen in eine bessere Welt träumten. Noch heute veranstaltet eine Potsdamer Waisenstiftung hier kreative Landpartien. Auch Arvid Boellert, der künstlerischer Leiter und Erfinder von "Rohkunstbau", konnte sich dieser Geschichte des Ortes nie entziehen, vor zwei Jahren etwa hingen Gemälde mit sporttreibenden FDJlern des Berliners Norbert Bisky im ehemaligen Schlafgemach des Schlossherren, 2004 hingen an gleicher Stelle Bilder mit Kinderportraits von Cornelia Schleime.
Aber erst in diesem Jahr ist die jüngere Geschichte des Anwesens zum Hauptthema der Ausstellung geworden. Da diesmal auch der 13-teilige Zyklus der "Kinderszenen" von Robert Schumann die eingeladenen Stipendiaten inspirieren sollte, wurde ausnahmsweise ein Künstler mehr als sonst eingeladen.
An der Zusammenstellung des Teilnehmerfeldes hat sich trotzdem nichts geändert: Ein Teil der Plätze ist für Künstler aus Deutschland reserviert, der Rest kommt aus aller Welt. Man bemüht sich immer, Osteuropa und Asien zu berücksichtigen und darüber hinaus eine repräsentative Mischung zeitgenössischer Kunstpraktiken zu präsentieren. So gesehen ist alles wie beim ersten Mal, als man den Bewohnern zwischen Cottbus und Lübben noch die große weite Kunstwelt eröffnen wollte. Mittlerweile haben eher die Berliner dieses Kunstcamp als Sommerfrische und Festival für sich entdeckt.
Außerdem bemüht sich Arvid Boellert bei seiner Auswahl um ein ausgewogenes Feld mit Stars und eher unbekannten Künstlern, und auch das kommt offenbar sehr gut an beim Publikum. Dieses Jahr steht Louise Bourgeois unangefochten an der Spitze des Feldes, und ihre in einem kleinen Kabinett fast versteckte Installation mit alten, beschrifteten Kindheits- und Familienfotos scheinen wie gemacht für diesen Ort, obwohl man er der fast Neunzigjährigen erspart hat, aus New York in die ostdeutsche Pampa einzufliegen.
"Lass mich bitte nicht allein", schreibt Bourgeois zum Beispiel unter eines der Bilder und markiert die Stelle, an der die Hand des Kindes in der Hand der Mutter liegt, die Fragilität kindlichen Zugehörigkeitsgefühls symbolisierend.
Der Ukrainer Sergej Bratkov, auch er international bekannt, hat im ehemaligen Badezimmer eine Reihe inszenierter Fotografien mit seelischen und körperlichen Kindesmisshandlungen aller Art realisiert, wobei er allerdings die Rollen vertauscht und die Kinder beginnen, die Perversionen ihrer Eltern nachzuspielen.
Der noch nicht 40-jährige, norwegische Shooting Star der letzten Jahre, Björn Melhus, wiederholt hier sein Filmprojekt "Far far Away" von 1995, einer Geschichte in Anlehnung an den "Zauberer von Oz", in der der Künstler selbst die Figur des Mädchens Dorothy darstellt, die sich in ihrem Hochhauszimmer aus der Einsamkeit fortträumt. Aus Deutschland sind etwa der "Gedächtniskünstler" Via Lewandowsky mit einer kürzlich schon in Leipzig ausgestellten Kleiderschrankinstallation und der Maler Cornelius Völker zu sehen.
Die mit Abstand auffälligste Installation stammt vom jungen Franzosen Yann Delacour, der das große Seeterrassenzimmer mit einer dicken Schicht märkischen Sands gefüllt und mittels 12.000 Playmobilfiguren ein Kriegsschlachtfeld modelliert hat. Kurator Mark Gisbourne verneint, dass es sich dabei um eine bestimmte Schlacht handeln soll. Das würde immerhin naheliegen, da sich nur ein paar Kilometer entfernt von Groß Leuthen, im Städtchen Halbe, der größte Soldatenfriedhof des zweiten Weltkriegs auf deutschen Boden befindet, an dem sich alljährlich die deutsche Neonaziszene zum Feiern trifft.
Aber Gisbourne verweist viel lieber darauf, dass kleine Jungen einfach Soldaten lieben. Man wird auch die wenigen Kinder aus der brandenburgischen Umgebung, die nicht mit ihren Eltern gen Westen gezogen sind, am Ende der Ausstellung einladen, Yann Delacours Werk in Besitz zu nehmen und so viele Spielzeugsoldaten nach Hause zu tragen, wie sie schleppen können.
Die immer leicht schaurige Ironie gehört in Groß Leuthen einfach dazu, ebenso wie das heiße Hochsommerwetter und das See-Idyll an dem einige der beteiligten Künstler ja auch immerhin ein paar Tage oder Wochen zugebracht haben. Yann Delacour jedenfalls, der hier mehrere Tage lang seine Soldateninstallation in mühsamer Kleinarbeit aufgestellt hat, fasst es mit der Erkenntnis zusammen: Es ist nicht der Ort, an dem man zum Ausspannen fährt.