Maria Schasia Ajiz musste ihre Muttersprache zweimal lernen; als Kleinkind und dann noch einmal mit 19 Jahren von neuem. Ihre Muttersprache ist Deutsch. Ajiz ist in Berlin als Tochter einer deutschen Mutter und eines pakistanischen Vaters geboren. Heute ist sie 32 Jahre alt und studiert in Frankfurt Psychologie. Kurz vor ihrem sechsten Geburtstag wurden Maria Schasia und ihr jüngerer Bruder von ihrem Vater nach Pakistan entführt - unter dem Vorwand, er würde sie zu Freunden mitnehmen.
"So richtig bewusst, dass ich jetzt entführt wurde und erstmal nicht mehr wegkomme, ist mir geworden, als wir zu unserem Onkel gefahren sind und in das Haus gegangen sind. Da war ich einen Moment für mich allein. Und dann habe ich angefangen zu weinen. Und dann habe ich in dem Moment gewusst, soweit ein Kind das begreifen kann, es ist jetzt was Schlimmes passiert; und ich sitze jetzt hier fest."
Maria Schasia Ajiz saß dort fest – 13 Jahre lang. Der Vater war nie da. Stattdessen kümmerten sich ihr Onkel und seine Frau um die zwei deutschen Kinder. In all den Jahren durfte das Mädchen seine Mutter nicht besuchen - ihr Bruder war von einer Reise nach Deutschland nicht wieder zurückgekehrt. Sie ging zur Schule, besuchte dann ein College, nur damit sie später, wie sie erzählt, einen guten Marktwert als muslimische Braut aufweist. Wem sie versprochen war, das erfuhr sie, während sie bereits ihre Flucht vorbereitete. Mit 18 Jahren wandte sie sich an Amnesty International, die sie aus Zeitungen kannte. Amnesty schaltete das deutsche Konsulat ein, weil Maria Schasia deutsche Staatsbürgerin war. Aber der erste Fluchtversuch missglückte.
"Zwei Tage, bevor die Polizei mit allem drum herum kommen sollte, um mich abzuholen, hat mein Vater davon erfahren und dann eine geladene Pistole auf mich gerichtet. Am nächsten Tag sollte ich einen Cousin heiraten. Und wenn ich mich weigere, würde er mich erschießen."
Maria Schasia Ajiz schreibt zurzeit ein Buch über ihr persönliches Schicksal. Bereits in Pakistan stößt sie auf zahlreiche Geschichten, die ihrer ähnlich sind. Sie nimmt Kontakt zum Internationalen Sozialdienst, ISD, auf, um mehr über Kindesentführungen zu erfahren. Der ISD berät betroffene Kinder und Eltern. Doch in ihrem Fall hätte der ISD nur wenig tun können, sagt Gabriele Scholz, die für grenzüberschreitende Kindschaftskonflikte zuständige Leiterin.
Internationaler Sozialdienst dient als Anlaufstelle
"Das Problem ist, dass es sich bei Pakistan um einen Nicht-HKÜ-Staat handelt, das heißt um einen Staat, der das Haager Kinderüberführungsübereinkommen nicht ratifiziert hat und dass es deshalb keine rechtlichen international geltenden Mechanismen im Verhältnis Deutschland-Pakistan gibt."
In diesem Fall hätte Maria Schasias Mutter zwar seelischen Beistand bekommen, aber sie hätte sich selbst in Pakistan an die Behörden wenden müssen, weil Pakistan das Haager Übereinkommen nicht ratifiziert hat. Dazu war sie aber nicht fähig; denn sie war nach einer Krankheit pflegebedürftig geworden. Der ISD arbeitet mit Partnerorganisationen in über 100 Ländern zusammen, sagt Gabriele Scholz.
"Wir bilden mit denen ein Netzwerk, durch das Informationen nicht nur weitergeleitet, sondern – wenn es sein muss – auch erklärt werden. Denn Kindeswohl zum Beispiel, ein maßgeblicher Begriff in unserer Arbeit, bedeutet – sagen wir mal – in Kamerun oder vielleicht auch sogar schon in der Türkei etwas anderes als bei uns in Deutschland. Das heißt. wir versuchen auch interkulturell zu arbeiten und andere Kulturen und auch andere Rechtssysteme zu erklären."
Doch auch in Deutschland gebe es Klärungsbedarf, sagt Scholz und räumt mit dem Vorurteil auf, dass meistens muslimische Väter ihre Kinder entführen würden. Entführt werde von jedem Land der Erde in jedes Land. Und in 80 Prozent der Fälle würden Mütter ihre Kinder entführen. Um in Zukunft gezielt auch Menschen wie Maria Schasias Vater zu erreichen und präventiv aktiv zu werden, hat der ISD kürzlich ein Fachgremium eingerichtet. Diesem gehören Mediatoren, Juristen, Vertreter von Migranten und Muslimen sowie ein Mitarbeiter der Bundesintegrationsbeauftragten an. Der Vater von Maria Schasia Ajiz, so erzählt sie, fühle sich heute noch selbst als Opfer. Doch das ist eine Geschichte für ihr Buch.
In diesem Fall hätte Maria Schasias Mutter zwar seelischen Beistand bekommen, aber sie hätte sich selbst in Pakistan an die Behörden wenden müssen, weil Pakistan das Haager Übereinkommen nicht ratifiziert hat. Dazu war sie aber nicht fähig; denn sie war nach einer Krankheit pflegebedürftig geworden. Der ISD arbeitet mit Partnerorganisationen in über 100 Ländern zusammen, sagt Gabriele Scholz.
"Wir bilden mit denen ein Netzwerk, durch das Informationen nicht nur weitergeleitet, sondern – wenn es sein muss – auch erklärt werden. Denn Kindeswohl zum Beispiel, ein maßgeblicher Begriff in unserer Arbeit, bedeutet – sagen wir mal – in Kamerun oder vielleicht auch sogar schon in der Türkei etwas anderes als bei uns in Deutschland. Das heißt. wir versuchen auch interkulturell zu arbeiten und andere Kulturen und auch andere Rechtssysteme zu erklären."
Doch auch in Deutschland gebe es Klärungsbedarf, sagt Scholz und räumt mit dem Vorurteil auf, dass meistens muslimische Väter ihre Kinder entführen würden. Entführt werde von jedem Land der Erde in jedes Land. Und in 80 Prozent der Fälle würden Mütter ihre Kinder entführen. Um in Zukunft gezielt auch Menschen wie Maria Schasias Vater zu erreichen und präventiv aktiv zu werden, hat der ISD kürzlich ein Fachgremium eingerichtet. Diesem gehören Mediatoren, Juristen, Vertreter von Migranten und Muslimen sowie ein Mitarbeiter der Bundesintegrationsbeauftragten an. Der Vater von Maria Schasia Ajiz, so erzählt sie, fühle sich heute noch selbst als Opfer. Doch das ist eine Geschichte für ihr Buch.