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Kindesmissbrauch in Lügde
Landrat fehlen handfeste Belege

Nach dem mutmaßlich jahrelangen Kindesmissbrauch auf einem Campingplatz in Lügde fand Tjark Bartels, Landrat von Hameln-Pyrmont, zwar anteilnehmende Worte, eine Entschuldigung blieb jedoch aus. Die Frage nach einem Hauptverantwortlichen sei verständlich, aber nicht zielführend, sagte er vor Medienvertretern.

Von Mischa Dallmann | 05.02.2019
    Hameln: Tjark Bartels (SPD), Landrat des Kreises Hameln-Pyrmont, spricht bei einer Pressekonferenz im Kreishaus. Nach dem jahrelangen Kindesmissbrauch auf einem Campingplatz in Lügde an der Grenze von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen wird auch die Rolle der Jugendämter untersucht. Dabei geht es um ein Mädchen, das sich in der Obhut des heutigen Hauptverdächtigen befand. Die Mutter des Kindes wohnt nach Behördenangaben im Kreis Hameln-Pyrmont. Foto: Julian Stratenschulte/dpa | Verwendung weltweit
    Landrat Tjark Bartels plädiert für ein besserer Frühwarnsystem an Kitas und Schulen, um Missbrauchsfälle schneller aufzudecken (dpa / picture alliance / Julian Stratenschulte)
    Er verneige sich in Respekt vor den knapp 30 Kindern, die Opfer des Missbrauchs in Lügde geworden sind. Eine Entschuldigung von Landrat Tjark Bartels, auf die hier alle gewartet haben, blieb aber aus. Mit rund 50 Journalisten aus der gesamten Bundesrepublik hat das Kreishaus des Landkreises Hameln-Pyrmont ein bisher ungekanntes Medieninteresse erfahren. Eine Stunde lang hat Bartels erläutert, wie sich die Pflegesituation für das Jugendamt auf dem Campingplatz in Lügde dargestellt hatte. Für ein mögliches Schuldeingeständnis sei es noch zu früh:
    "Wenn es sich herausstellt, und das kann ich Ihnen unmöglich heute sagen, dass dort ein Fehler gemacht worden ist - und zwar bei der Polizei, in Lippe oder bei uns - dann wird es natürlich Konsequenzen haben. Aber derzeit ist das noch vollkommen unklar."
    Für die Besuche bei dem Pflegevater auf dem Campingplatz war ein externer Dienstleister vom Jugendamt Hameln-Pyrmont beauftragt worden. Dabei habe das achtjährige Pflegekind einen guten Eindruck gemacht. Was hinter der Fassade passiert ist, sei allerdings ein grausamer Raub der Kindheit gewesen, der kaum wieder gut gemacht werden könne.
    "Und Sie können uns glauben - und ich glaube, da spreche ich auch für die Mitarbeiter des Jugendamts Lippe und für die der Polizei und der anderen - dass wir nichts sehnlicher wünschten, als dass es vorher bereits dazu gekommen wäre, dass wir durchschaut hätten, was da eigentlich passiert ist."
    Keine handfesten Belege
    Ob man sich von dem Dienstleister trennen wird, hängt noch von den weiteren Untersuchungen ab. Für alles andere sei es noch viel zu früh. An mangelndem Personal hab es nicht gelegen, dass der massenhafte Missbrauch nicht früher aufgedeckt wurde. Bartels kann die Frage nach einem Hauptverantwortlichen für die Fehler im Fall Lügde verstehen, findet sie aber nicht zielführend.
    "Und dann liefert man Leute ans Messer, ohne dass es irgendeinen handfesten Beleg dafür gibt, ohne dass ich irgendetwas wirklich weiß. Und das finde ich - ganz ehrlich - im Äußersten: schäbig."
    Kein Verständnis hat Landrat Bartels auch für die Aussage von NRW-Innenminister Herbert Reul, es handle sich hier um Behördenversagen an allen Ecken und Kanten. Diese Beurteilung nannte der Landrat katastrophal. Was man aber machen wolle, sei die Überprüfung der eigenen Abläufe in den zuständigen Behörden. Außerdem sei ein besseres Frühwarnsystem an Kitas und Schulen nötig, um Missbrauchsfälle schneller aufzudecken.