Viele tausend Mädchen und Jungen sind nach Angaben des Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, in Deutschland weiterhin schutzlos sexueller Gewalt ausgesetzt. "Nur wenige Einrichtungen haben umfassende Schutzkonzepte, nur wenige Eltern wissen, welche neuen Gefahren durch die digitalen Medien in die Kinderzimmer drängen", sagte Rörig am Montag in Berlin. Der Missbrauchsbeauftragte äußerte sich zum fünften Jahrestag des Bekanntwerdens des Missbrauchs in kirchlichen Einrichtungen und anderen Institutionen.
Sensibilität gestiegen
Zwar sei die Sensibilität in Kitas, Schulen, Kirchengemeinden und Sportvereinen gestiegen, jedoch sei der Schutz der Kinder vor sexueller Gewalt "noch immer nicht gelebter Alltag", so Rörig. Der Bundestag könnte möglicherweise kommendes Jahr eine unabhängige Aufarbeitungskommission zu Ausmaß und Folgen des Kindesmissbrauchs in Deutschland einsetzen, ähnlich wie die Leary-Kommission in Irland, berichtete DLF-Korrespondentin Gudula Geuther.
Im März solle zudem der Betroffenenrat seine Arbeit aufnehmen. Er soll an Entscheidungen und Stellungnahmen zu dem Thema mitwirken können. Rörig sprach von "wichtigen Signalen für Betroffene für mehr Anerkennung, Mitsprache und Dialog auf Augenhöhe." Die Vizepräsidentin des Deutschen Kinderschutzbundes, Sabine Andresen, betonte, allgemein sei feststellbar, dass die Netzwerke, innerhalb derer Missbrauch möglich geworden sei, bislang nicht ausreichend untersucht worden seien.
12.500 Fälle pro Jahr
Laut polizeilicher Kriminalstatistik liegt die Zahl der jährlich gemeldeten Fälle von Kindesmissbrauch nach wie vor bei rund 12.500. Experten gehen von einer hohen Dunkelziffer aus. 2010 wurden Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg öffentlich. Berichte darüber lösten eine Lawine von weiteren Meldungen wie aus dem Kloster Ettal, der Nordkirche und der Odenwaldschule aus.
(tzi/sima)