"Man versichert, dass einige Damen, die am Sonnabend der "Nosferatu"-Premiere beiwohnten, eine schlechte Nacht gehabt haben. Und das scheint nicht unglaubwürdig. Denn das Grauen in Kunstform zu gießen, ist in dieser Vollendung bisher nur Hoffmann, Poe und Ewers auf dem Gebiete der Literatur gelungen.[...] Der NOSFERATU-Film ist eine – Sensation",
schrieb der Filmkritiker Hans Wollenberg am 11. März 1922 begeistert über den Vampirfilm "Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens". Regie hatte Friedrich Wilhelm Murnau geführt, dessen Bilderwelten das noch junge Medium Film entscheidend prägen sollten.
Murnau wurde am 28. Dezember 1888 als Friedrich Wilhelm Plumpe in Bielefeld geboren. Nach dem Abitur ging er nach Heidelberg, um Literatur und Kunstgeschichte zu studieren. Dort wurde der Regisseur Max Reinhardt auf ihn aufmerksam und holte ihn 1909 an seine neu gegründete Schauspielschule nach Berlin. Er nannte sich fortan – in Anlehnung an den gleichnamigen Maler-Ort am Staffelsee - Friedrich Wilhelm Murnau.
Schon bald zählte er viele Künstler aus dem expressionistischen Umfeld zu seinen Freunden, darunter Else Lasker-Schüler und Franz Marc.
Nach dem Ersten Weltkrieg verabschiedete sich Murnau von der Schauspielerei und wandte sich der Filmregie zu, denn er glaubte an das Kino als neue, mächtige Kunstform:
"Es könnte den Kriegen ein Ende setzen, weil Männer nicht kämpfen, wenn sie jedes anderen Herz verstehen. Ich bin der Meinung, dass die Leinwand als Weltmacht Möglichkeiten jenseits aller Vorstellungen hat."
Zugleich betonte er, dass man beim Kino alles vergessen müsse, was ans Theater erinnere. So lobte er beispielsweise seinen Kollegen Ernst Lubitsch als interessanten Réalisateur, kritisierte jedoch, dass seine Filme zu oft den "Eindruck einer Szenenfolge" hinterließen.
Murnau ging in seinen Inszenierungen daher neue Wege: Er war einer der ersten Regisseure, die Außenaufnahmen nicht im Studio drehten, er perfektionierte das Zusammenspiel von Licht und Schatten und schuf mit seiner hohen Schnittfrequenz einen neuen Erzählrhythmus.
Doch nicht nur im Bereich der Filmtechnik sorgte er für neue Impulse, auch seine Ästhetik setzte Maßstäbe. In den aufwendig komponierten Tableaus spiegelte sich stets seine künstlerische Bildung wider.
1924 drehte Murnau seine erste Produktion für die UFA: "Der letzte Mann" mit Emil Jannings in der Hauptrolle. In dem Film über einen in Ungnade gefallenen Hotelportier inszenierte Murnau die moderne Stadt in rastlosen Bildern und etablierte die »entfesselte Kamera«, die freie Bewegungen im Raum ohne Stativ zuließ. Hinzu kam eine expressionistische Architektur. Der Regisseur Harald Braun, der 1955 ein Remake des Filmes drehte, beschreibt das Original:
"Ja es war damals ein großer Film und besonders bemerkenswert, weil es einer der wenigen durchstilisierten Filme war, die in der Periode des stummen Films entstanden sind. Das heißt, dass die Bauten unrealistisch gestaltet waren, dass die Portale und die Häuser besonders groß waren, die Drehtüren besonders breit, um das Schicksal dieses Hotelangestellten nun auf eine besonders exemplarische Weise deutlich zu machen."
Mit "Der letzte Mann" gelang Murnau der internationale Durchbruch, der Film wurde das Ticket nach Hollywood. 1927 drehte er seine erste US-amerikanische Produktion, "Sunrise". Die melodramatische Geschichte einer Ehe gewann bei der ersten Oscarverleihung gleich drei Trophäen. Dennoch brachte der Film nicht den erhofften finanziellen Erfolg und so forderte das Fox-Studio nun ein Mitspracherecht für weitere Produktionen - ein Affront für den künstlerischen Freigeist Murnau. Nach zwei weiteren Filmen verließ er Hollywood 1929: Er kaufte sich eine Jacht und reiste in die Südsee. Dort drehte er, finanziert aus eigenen Ersparnissen, das Drama "Tabu", über eine unerfüllte Liebe zwischen zwei jungen Inselbewohnern.
Die Premiere des Films sollte er aber nicht mehr erleben. Am 11. März 1931, eine Woche vor der Uraufführung, starb Friedrich Wilhelm Murnau bei einem Autounfall in Kalifornien.