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Kino für die Drosophila

Eine Fliege mit der Hand zu fangen ist alles andere als einfach. Das Geheimnis der schnellen Reaktion liegt in ihrer Größe und ihrem Sehapparat. Diesen haben Forscher vom Max-Planck-Institut entschlüsselt und arbeiten daran, die Mechanismen in einen Flugroboter zu übertragen.

Von Joachim Budde |
    Das Licht von drei Computermonitoren kämpft gegen das Dunkel an im Labor von Dr. Jürgen Haag im Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried. Es muss hier finster sein, denn der Forscher untersucht den Seh-Apparat einer Drosophila-Fliege. Haag schlägt schwarze Laken und Teichfolie zurück, die auch noch das fahle Licht der Bildschirme von seinem Versuchsaufbau, dem Fliegenkino, fernhalten.

    "Hier sieht man das Mikroskop, der Laser sitzt da hinten auf dem Tisch und hier drunter sitzt eine Drosophila, die ist festgewachst, und der Kopf hinten ist aufpräpariert, und man sieht dann im Prinzip aufs Gehirn direkt. Und die Fliege schaut nach unten, und hier drunter ist so eine LED-Arena, auf der wir dann beliebige Muster präsentieren können."

    Das Programm, dass sich die Taufliege hier unfreiwillig anschaut, ist ausgesprochen monoton.

    "Wir zeigen jetzt hier so Streifenmuster, die sich links-rechts, rechts-links bewegen, rauf-runter und schauen eben, wie sich die Aktivität von den Zellen je nach Bewegungsrichtung verändert."

    Mit dem Zwei-Photonen-Mikroskop, das Jürgen Haag auf das Gehirn der Fliege gerichtet hat, kann er ins Gewebe hineinblicken. Außerdem hat er in die Sehzellen der Fliege einen Farbstoff eingeschleust. Wenn eine Zelle aktiv ist, leuchtet sie. Die Max-Planck-Forscher können auf diese Weise der lebendigen Fliege beim Sehen zusehen, denn sie vollziehen nach, wie das Gehirn die Signale weiterleitet, die vom Auge kommen, sagt Professor Alexander Borst, der das Projekt leitet.

    "Uns interessiert allgemein, wie Nervenzellen rechnen, wie Nervenzellen Information verarbeiten, das ist eigentlich erstaunlich wenig bekannt."

    Dafür eignet sich die winzige Drosophila besonders gut, weil ihre Nervenzellen nicht nur ähnlich groß sind wie bei Wirbeltieren, sondern auch viel weniger komplex. Und die Wissenschaftler können einzelne Zellen durch genetische Manipulation abstellen. Sie beobachten, wozu die Fliege danach nicht mehr in der Lage ist und schließen auf diese Weise auf die Funktion der Zellen. So haben die Forscher Schritt für Schritt nachvollzogen, wie die Sehzellen in der Netzhaut mit den Nervenzellen im Gehirn der Fliege verschaltet sind.

    "Das war die große Überraschung, wie ähnlich die Informationsverarbeitung in der Fliege oder im Fliegenauge im Vergleich zu uns Menschen ist. Bei uns Menschen in der Netzhaut wird das Licht-Sinnessignal in der nächsten Station nach den Photorezeptoren aufgespalten in On- und Off-Bipolarzellen. Die einen reagieren bei Hellerwerden, die anderen auf Dunklerwerden."

    Den gleichen Mechanismus haben die Forscher im Sehapparat der Fliege gefunden: Mehrere Sehzellen geben ihre Informationen an Nervenzellen weiter, die erkennen, ob das Licht heller wird oder dunkler. Die Zellen in der nächsten Verarbeitungsebene sind auf Richtungsänderungen spezialisiert und reagieren entweder auf Bewegung von oben, von unten, von vorn oder von hinten. Jede einzelne lässt nur die Signale durch, die in ihr Schema passen. Ingenieure nennen diesen Mechanismus Gleichrichtung. Das Ergebnis geht direkt an das Kurssteuerungssystem im Gehirn.

    Die Fliege kommt mit gerade einmal 20 verschiedenen Zelltypen aus – ein einfaches System. Borst und seine Mitarbeiter haben es zusammen mit Ingenieuren der Technischen Universität München in einen Quadrokopter übertragen, die "Robofly".

    "Im Prinzip haben wir das jetzt in der Hardware nachgebaut, was wir in Computersimulationen schon sehr lange machen, nämlich einfach den Schaltplan der Fliege eins zu eins umzusetzen."

    Mit wenigen optischen Sensoren kann der Flugroboter selbst ermitteln, wie er sich dreht und fortbewegt.

    "Mein Idealziel wäre es, eine Robofly zu haben, wo ich über GPS Koordinaten eigentlich nur eingebe, dass sie in das Gebäude dort rüberfliegen soll und mir dann Bilder vom Innenraum schickt. Den Rest macht sie. Und wenn unterwegs ein Baum steht, dann fliegt sie automatisch außen herum."

    Im Labor funktioniert der Prototyp, jetzt müssen Tests im Freien folgen.