Auf die Kreuzigung folgt die Auferstehung, auch im fast dreistündigen Hollywood-Klassiker "King of the Kings" aus dem Jahre 1961. Wiederholt wurde die Passionsgeschichte fürs große Kino inszeniert. Ganz besonders prägte Hollywood in den 1950er- und 60er-Jahren das Christus-Bild im kommerziellen Film. Die sogenannten "Bibelschinken" oder "Sandalenfilme" waren monumentale Großproduktionen, mit einem Massenaufgebot an Darstellern und Statisten, an neuer Technik und opulenten Bühnenbauten.
Die Filme beruhen teils auf historischen Romanen und greifen immer wieder auf Motive aus Evangelien und Apostelgeschichte zurück, wie in "Quo vadis", "Das Gewand" oder "Ben Hur". Diese Tradition lebt bis heute in Remakes und Serien fort. Im Kern greifen sie immer wieder auf Elemente der ursprünglichen Passionsspiele zurück. Aber es geht auch anders.
"Ein schillernder Charakter"
"Daneben gibt es immer wieder diese Bemühungen, diese Ansätze zu aktualisieren, mit Brüchen zu arbeiten", sagt Jörg Frieß. Er leitet das Zeughauskino des Deutschen Historischen Museums in Berlin:
"Und das hängt vielleicht, oder ganz bestimmt, mit dem schillernden Charakter oder der Komplexität dieser Figur Jesus Christus zusammen; mit dem Ort, das besetzte Judäa, die römische Gewaltherrschaft - also man kann Jesus auch, wenn man das möchte, als politischen Widerstandskämpfer lesen. Das heißt, da bieten sich ganz viele Möglichkeiten der Verknüpfung an und der Aktualisierung und wenn man so will der Neudeutung und der Wiedererzählung, der Integration in die zeitgenössischen Lebenserfahrungen und politischen Hintergründe, die eine Zeit hat, in der so ein Film entsteht."
Frommes Pathos, persönliches Leiden und böse Satiren
Neben dem frommen Pathos aus Hollywood gab es also immer wieder auch die anderen Filme, die sich parodistisch oder sehr persönlich mit der Passionsgeschichte auseinandersetzen. Für die Reihe im Zeughauskino wären etwa 100 Filme in Frage gekommen, erzählt Kurator Florian Höhensteiger. Am Ende habe er sieben sehr ungewöhnliche Filme ausgesucht von 1954 bis 2012, Gegenbilder zur konventionellen Jesus-Darstellung:
"Also es sind Gegenbilder in dem Sinne, dass es meist individuelle Passionen sind, die gezeigt werden. Filmemacher haben meist einen sehr individuellen Zugang geschaffen in diesen Filmen. Sie versuchen da neue Wege auch für sich selbst zu finden. Wenn man jetzt zum Beispiel den Film ‚The Garden‘ von Derek Jarman sieht, der seine eigene Leidensgeschichte als Homosexueller kurz nach seiner Aids-Erkrankung in diesem Film verarbeitet auf ganz eigene spirituelle Art und Weise."
Auch Jarmans Kollegen verlagern die bekannten biblischen Figuren und Ereignisse in aktuelle politische und geographische Zusammenhänge: etwa 1976 in einen Wiener Arbeiterbezirk in "Jesus von Ottakring" von Wilhelm Pellert, oder zehn Jahre später nach Westberlin. In "Jesus – Der Film", einem surrealistisch-provokativen Super-8-Experiment, verfremdet Regisseur und Hauptdarsteller Michael Byntrupp die Passionsgeschichte. In Schwarz-Weiß-Bildern auf Berliner Friedhöfen wird Christi Leiden und Kreuzigung gezeigt, etwa die Vernehmung durch den Hohepriester Kaiphas, der hier als Frau dargestellt wird.
"Was sagt er da? Er hat Gott gelästert! Er ist des Todes schuldig!" / "Schuldig, schuldig, schuldig, schuldig!" / "Ich bin doch unschuldig, so wahr ich der Messias bin!"
Neue Sicht auf die alte Passionsgeschichte
Andere Filme stellen die traditionelle Inszenierung der Leidensgeschichte selbst ins Zentrum der Geschichte. So dokumentiert der portugiesische Altmeister Manoel de Oliveira 1964 in "Acto de Primavera" ein Passionsspiel als Ausdruck archaischer Volksfrömmigkeit. In dem 1954 gedrehten italienischen Melodram "Magdalena, Tagebuch einer Verlorenen" verschmelzen die Vorbereitungen der traditionellen Karfreitagsprozession und die Vorgeschichte der Protagonistin auf verhängnisvolle Weise. Nicht nur hier wird deutlich: Die Darstellung der Christus-Figur wird immer auch durch den religiösen und kulturellen Kontext der Filmemacher bestimmt.
Florian Höhensteiger: "Ein gutes Beispiel ist auch der Film ‚King of the Jews‘ von Jay Rosenblatt, ein Kurzfilm, in dem der Filmemacher seine Version des Jesus Christus, die für ihn zuerst sehr unsympathisch erschien, weil er selbst als jüdischer Mensch gedacht hatte in seiner Kindheit, Jesus ist für das Leid der Juden verantwortlich. Er wusste es nicht anders und erst später durch das Sehen von Jesus-Filmen wurde er drauf aufmerksam, dass Jesus ja auch selbst ein Jude war und hat dann eine ganz andere Sichtweise auf Jesus Christus erhalten. Und so sind auch diese Filme sehr ambivalent, in der Art und Weise, wie man Jesus Christus sehen kann."
"Hässlicher und uncharismatischer Mensch"
Die wohl ungewöhnlichste Christus-Figur der Reihe hat Regisseur Giovanni Columbo geschaffen. Für seinen Film "Su Re" verlegte er 2012 die ganze Passionsgeschichte in die Berge seiner Heimat Sardinien:
Höhensteiger: "Ein Jesus wird da dargestellt als eigentlich hässlicher Mensch und auch uncharismatischer Mensch, der gar nicht zu seinen Jüngern spricht, nur röchelt und den Film über gar nicht diese bekannte charismatische Auftretensweise hat."
Aus dem König der Könige wird der scheiternde Rebell oder der hässliche Verlierer. Die Christus Darstellungen der sieben Filme sind sehr unterschiedlich, aber gemeinsam ist ihnen eine überraschend neue Sicht auf die alte Passionsgeschichte.
Die Filmreihe "Passionsgeschichten: Transformationen des Leidenswegs Jesu Christi" ist vom 10. bis zum 21. April 2019 im Zeughauskino in Berlin zu sehen.