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Kino im Iran
"Es gibt Hoffnung, aber die Zensur bleibt"

Im Iran eine Genehmigung für einen Kinofilm zu bekommen, ist noch immer schwierig. Der Leiter des iranischen Filmfestivals Köln, Amin Farzanefar war gerade auf dem Fajr International Film Festival in Teheran. Er berichtet im DLF, dass der Iran wegen der Zensur viele Talente verloren hat, dass immer noch Filme verboten werden - aber auch, dass der Druck nicht mehr so hoch ist wie zu Ahmadinedschads Zeiten.

Amin Farzanefar im Gespräch mit Michael Köhler |
    Sie sehen das Panorama der Stadt Teheran von den Hügeln des Alborz-Gebirges hinunter.
    Der Filmexperte Amin Farzanefar sieht sowohl eine gewisse Öffnung als auch ein Festhalten an der Zensur im Iran. (picture-alliance / dpa / Marco Hadem)
    Michael Köhler: Was auf einem Filmfestival läuft, läuft nicht zwingend auch im Kino. Der Weg dorthin ist weit, führt an der Kultusbürokratie vorbei. Da gibt es noch einen Kulturausschuss des Parlaments, im Iran. Die Radikalen dominieren die Volksvertretung, dann gibt es aber auch noch ultrakonservative Zeitungen, also viele mischen da mit. Wir wollen darüber reden, was das bedeutet, mit Amin Farzanefar. Er hat im Iran in Teheran das Filmfestival besucht. Wir haben gerade in den Nachrichten gehört: Verhaftung von Journalisten im Iran. Da fällt mir schwer zu fragen: Ist das Filmfestival ein Beleg für Liberalisierung im Kultursektor?
    Amin Farzanefar: Man kann sagen, der Abschluss der Nuklearverhandlungen, die Parlamentswahlen, die ja für die Reformer ausgegangen sind, das sind sehr gute Ausgangsbedingungen für Kulturschaffende, vor allen Dingen, weil sich sowohl der Präsident als auch sein Kultusminister eher als Freund der Filmemacher ausgesprochen hat. Die Einlösung des Versprochenen, das ist eine andere Sache. Der unmittelbare Druck für die Filmschaffenden ist sicher weg, aber es werden immer noch Filmemacher verhaftet, verurteilt. Das Symbol des unterdrückten Filmschaffenden, Jafar Panahi, ist immer noch unter Berufsverbot. Es gibt grundsätzlich ein einerseits/andererseits. Die Stimmung ist besser, zensiert wird immer noch.
    Von Arthouse bis Action
    Köhler: Lassen Sie uns über die Filme sprechen, die Sie gesehen haben beim diesjährigen Fajr Filmfestival in Teheran. Was haben Sie gesehen? Und ich schließe mal eine paradoxe Frage an: Was haben Sie vielleicht auch nicht gesehen?
    Farzanefar: Ja. Es gibt immer eine große Spanne, die vom Arthouse-Film bis zur Action-Komödie reicht. Es gibt Dokumentarfilme wie beispielsweise "A175", der sich mit von der IS verschleppten, vergewaltigten und geschwängerten Teenagern befasst, die in einem Flüchtlingslager porträtiert werden - ein ganz toll gefilmter Film. Es gibt immer noch das Genre der sogenannten heiligen Verteidigung, das sich mit dem Iran-Irak-Krieg 1980 bis _88 und den dort verschiedenen Märtyrern ziemlich propagandistisch auseinandersetzt. Der aktuelle Film "Standing in Dust", im Staub stehend, ist ein sehr gelungener, visuell sehr innovativer und toll inszenierter Film mit einer ungewöhnlichen Erzählperspektive, sehr überzeugend. Was fehlt - Sie fragten nach dem, was fehlt -, das sind natürlich all die Talente, die den Iran unter Ahmadinedschad in den letzten Jahren, Jahrzehnten verlassen haben, die notgedrungen im Ausland drehen, vielleicht ab und zu im Iran sind, aber überwiegend ihren Schwerpunkt woanders sehen.
    Köhler: Spielt die jüngere Geschichte eine Rolle? Sie haben es gerade schon gesagt: die Präsidentschaft von Ahmadinedschad. Der hatte ja Konkurrenten unter Hausarrest gestellt. Oder sind es dann doch die klassischen Kinostoffe, soziale, bürgerrechtliche Fragen, vielleicht aber auch die Fragen nach häuslicher Gewalt, Arbeitslosigkeit? Klären Sie uns auf.
    Der Kampf um die Freigabe
    Farzanefar: Na ja, darin versteckt sich dann ja oft auch eine Herrschaftskritik, in solchen allgemeinen Filmen. Allein Filmtitel sprechen Bände. Wenn wir einen Film haben, der heißt "We won’t get used to it", wir werden uns nie daran gewöhnen, dann spricht das auch schon Bände, dann ist das schon aussagekräftig. Vielleicht kann man sagen, dass so direktere Anspielungen in diesem Jahrgang etwas weniger geworden sind. Es gibt einen Film wie "A loveable Garbage", liebenswerter Müll, von Mohsen Amiryousefi, der seit fast zwei Jahren um die Freigabe dieses Filmes kämpft. Da geht es um die Niederschlagung der Wahlunruhen von 2009. Das ist ein außergewöhnlicher, formal sehr unkonventioneller Film von einem Regisseur, der bereits 2004 die Caméra d’Or in Cannes gewonnen hat. Der durfte auch dieses Mal nicht gezeigt werden.
    Köhler: Sie haben so ganz nebenbei gesagt, der um die Freigabe des Filmes gekämpft hat. Das ist nach wie vor gängige Praxis?
    Farzanefar: Ja. Man kann entscheiden, ich gehe mit meinem Film ins Ausland, hat vielleicht eine extra Freigabe nur fürs Ausland, oder ich sage nein, mir liegt daran, den Film meinem heimischen Publikum zu zeigen, und dann dauert das unter Umständen Jahre.
    Köhler: Das bringt mich zu einem letzten Punkt. Kehren Filmemacher eigentlich gerne zurück in den Iran, oder gehen Sie dann doch lieber vielleicht nach Cannes, weil das prominenter ist?
    Farzanefar: Was auffiel ist zum Beispiel, dass Asghar Farhadi, der einen Oscar gewonnen hat, der in Cannes gewonnen hat, jetzt seinen aktuellen Film "The Salesman" nicht in Fajr laufen hat. Das liegt nicht an der Zensur oder anderem, sondern das liegt eher, sagen wir mal, an der Zensur der Festivals, die darauf beharren, dass die Crème de la Crème des iranischen Arthouse-Kinos dann in Cannes, Venedig oder auf der Berlinale läuft und quasi das dem heimischen Publikum vorenthalten.
    Es ist immer einerseits/andererseits
    Köhler: Unterm Strich würden Sie sagen: Sind doch alles in allem erkennbare Zeichen für eine Lockerung zu beobachten, oder ist das noch zögerlich?
    Farzanefar: Es ist immer beides. Es ist immer ein einerseits/anderseits. Es sind auf jeden Fall nicht mehr die schwarzen drohenden Jahre der Ära Ahmadinedschad, es gibt Hoffnung, es gibt wieder neue Aktivitäten, das Festival ist relativ offen gewesen dieses Jahr. Aber wie gesagt: Zensur ist weiterhin ein Thema.
    Köhler: Das sagt Amin Farzanefar. Er kommt gerade vom Fajr Filmfestival in Teheran zurück und hat uns Eindrücke vermittelt. Dafür danken wir Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.