Die Sehnsucht nach ein bisschen Normalität ist in Deutschland groß, weswegen zurzeit viele nach Tübingen schauen. Dort dürfen nämlich seit knapp zwei Wochen Restaurants und Cafés ihre Außengastronomie öffnen, die Menschen können einkaufen, ins Theater oder auch ins Kino – vorausgesetzt ihr Corona-Schnelltest fällt negativ aus. Das Tübinger Modellprojekt ist inzwischen auf einen Monat verlängert und wird von der Universität Tübingen wissenschaftlich begleitet. Wenn es funktioniert, dann könnte es vielleicht auch an anderen Orten bald wieder mehr Freiheiten geben.
Stefan Paul ist Geschäftsführer der Tübinger Programmkinos Arsenal und Atelier, die seit der Öffnung für den Modellversuch alle ausverkauft sind. "Die Leute haben so eine Sehnsucht, dass sie ganz froh sind, dass sie wieder ins Kino dürfen", so Paul. Allerdings habe es sich in den ersten Tagen "herumgesprochen, dass in Tübingen was los ist", und die Menschen seien teilweise viele Kilometer gefahren, um in der Stadt am Neckar etwas Normalität zu erleben. "Man kann ja auch das andere Kulturprogramm mitbenutzen mit diesem sogenannten Tagesticket. Das hat natürlich schon eine große Sogwirkung", meint Stefan Paul. Aber: "Die Gefahr besteht, dass Tübingen überrannt wird."
In Tübingen Filme sehen, die erst in drei Monaten ins Kino kommen
Da seine Kinos keine Hollywood-Blockbuster sondern Arthouse-Produktionen zeigten, habe er mehr Filme im Angebot, als er vorführen könne, sagte Stefan Paul. "Das ist natürlich der Vorteil hier in Tübingen, dass wir Filme anbieten können, die eigentlich erst in zwei, drei Monaten ins Kino kommen sollen." Obwohl er maximal ein Drittel der Kinoplätze anbieten könne, habe sich das Modell für ihn bislang gelohnt: "Wir setzen hier natürlich auch ein kulturpolitisches Zeichen, dass die Kinos, die bislang ähnlich wie die Veranstalter, ganz unten in der Liste der Bedeutsamkeit standen, dass wir überhaupt noch da sind und existieren."