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Kinofilm "Frank"
Ein Bandleader mit Köpfchen

In Lenny Abrahamsons Kinodebüt "Frank" geht es um einen bizarren wie genialen Musiker namens Frank, Frontmann einer bizarren, aber nicht unbedingt genialen Band. Gespielt wird dieser Frank von Michael Fassbender, der hier mit Pappmaschee-Kopf einen bemerkenswerten Abstecher vom Blockbuster- ins Independent-Kino macht.

Von Hartwig Tegeler |
    "Frank"-Regisseur Lenny Abrahamson und Schauspieler Michael Fassbender
    "Frank"-Regisseur Lenny Abrahamson und Schauspieler Michael Fassbender (Imago)
    "Habe den ganzen Tag hart an meinen Songs gearbeitet. Jetzt erst mal Abendessen. Haschtag 'Num, num, num'."
    Es ist zwar schön und gut mit "Hinauszwitschern" in die Welt, aber Twittern - auf 14 Follower bringt es Jon - ist keine Gewährleistung für Kreativität. Ergo, Jon kriegt musikalisch nichts auf die Reihe, bis er am Strand den Fast-Selbstmord eines Keyboarders beobachtet. Neben ihm steht der Möchtegern-Produzent der Band. Und der hat ein Problem.
    "Ihr spielt heute Abend. - Wie denn? Unser Keyboarder versucht sich gerade zu ertränken."
    Nein, nein, er wolle sich, eiert er herum ... lange Rede, flugs ist Jon der Keyboarder dieser Band, deren Frontmann einen kugelrunden Pappmaschee-Schädel mit aufgemaltem Gesicht trägt. Und Songs schreibt und singt, die irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn pendeln.
    Was nun folgt, ist nicht viel. Jon tritt ein in die verquere Gruppendynamik, wo sich alle lieben, hassen, bemitleiden oder eifersüchtig aufeinander sind. Wer übrigens einmal den Dokumentarfilm über die Psychotherapie von "Metallica" gesehen hat oder das dokumentarische Material von Robbie Williams' Neueintritt bei "Take That", hat hier jetzt wohl keine weiteren Fragen. Jeder Star muss ein Borderliner sein, meint der Psychologe Borwin Bandelow in "Celebrities. Vom schwierigen Glück, berühmt zu sein." Und auch wenn die Band von Frank ein widerwilliges Verhältnis zur Berühmtheit hat: Bei ihrem kreativen Rückzug in die einsame irische Hütte, um nun endlich das ultimative Album aufzunehmen, geht's erwartungsgemäß drunter und drüber.
    "Es herrscht schon jetzt ein spürbarer Drang nach freiem Ausdruck. Und ich kann es kaum erwarten, in den kreativen Strudel hineingezogen zu werden. - Der nächste Akkord-Wechsel ist nach g-moll. One, two, three, four. - Das ist in Dur, Scheiße, in Dur. - Aber natürlich muss ich mir meinen Platz in der Band erst noch verdienen."
    Vor allem in der Wahrnehmung von Bandleader Frank. Der mit dem Kopf.
    "Was geht in diesem Kopf, unter diesem Kopf vor?"
    Dem aus Pappmaschee. Lenny Abrahamson unternimmt nichts, um uns Frank psychologisch zu erklären. Er setzt das Absonderliche, das Besondere, das sich da in diesem durchgeknallten Bandalltag entfaltet, einfach als selbstverständlich. So sind die Menschen! So die Musiker. Und genau damit erzählt Abrahamson mit "Frank" eine wunderbare menschliche Geschichte. Über einen Typen, der einen anderen bewundert, vergöttert und bald auch ein wenig hasst, und der ihm kreativ meilenweit voraus ist. Allerdings ein wenig eigenwillig denkt Frank über Offenheit. Wenn man bedenkt, dass Frank die ganze Zeit einen Pappmaschee-Schädel trägt.
    "Ich finde, man soll allen alles sagen. Wieso irgendetwas verbergen? Oder? - Darf ich dir eine Frage stellen? - Klar! - Wieso trägst du den? - Na ja, normale Gesichter sind irgendwie auch komisch. Weißt du."
    Cro, der deutsche Rapper, sagt, dass er ohne den Schutzschild seiner Panda-Maske den Schutzschild des Arschlochseins brauche. Bei Frank, Cros fiktivem Kollegen, ist die Maske eher Schutz vor zu großer Nähe. Aber egal, genug gequatscht.
    "Mein eingängister Song überhaupt."
    Welchen Mut muss einer wie Michael Fassbender aufbringen, in einem Film die Hauptrolle zu spielen, in dem sein Gesicht nicht zu sehen ist. Gut, Schauspieler spielen, sind damit in gewisser Weise immer hinter einer Maske. Gut, Schauspieler wie Andy Serkis, der "Gollum" aus dem "Herrn der Ringe", oder Zoey Saldana, die Naytiri aus "Avatar", wurden erst bekannt durch die Rollen, in denen sie quasi eine digitale Ganzkörpermaske tragen. Michael Fassbenders Leistung in "Frank" ist da dann wohl eher zu vergleichen mit der von Tom Hardy. Der trug als Bösewicht im Batman-Film "The Dark Knight Rises" ebenso wie jetzt Michael Fassbender in "Frank" eine, wenn man so will, analoge Maske. Das Gesicht also verdeckt. Kein Gesicht, keine Mimik, um zu schauspielen. Sondern? Bei Tom Hardy war es die muskelgepanzerte Körperlichkeit, die seiner Rolle ihre Kraft gab. Bei Michael Fassbender ist es nicht das Wuchtige, sondern eher das Nervöse, das Fiebrige, das Verletzliche. Was er, unfassbar, wie das wirkt, darstellt. Trotz Pappmaschee-Kopf!
    "Tu ihn runter. In der kognitiven Verhaltenstherapie heißt es, sie der Angst ins Gesicht. Weiter heißt es: Tu den Kopf runter.
    "Frank" handelt natürlich von der alten Frage, was im verwirrenden und verschlungenen Geäst des Musikgeschäfts in Zeiten der Neuen Medien nicht nur Klickpotenzial, sondern noch Authentizität sein kann. Ist Franks Maske Gag, gut fürs Geschäft, oder Überlebensmittel? Einen vollständigen Soundtrack zum "Frank" gibt's nicht. Noch nicht? Aber Songs findet man problemlos. "I love you all" beispielsweise. Vielleicht beantwortet das ja diese Fragen.