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Kinofilm "My First Lady"
Schlendern mit Michelle und Barack

Im Spielfilm "My First Lady" rekonstruiert Regisseur Richard Tanne jetzt das erste Date von US-Präsident Barack Obama und seiner Frau Michelle. Herausgekommen ist eine kluge Charakterstudie, die Einblicke in das Leben zweier ambitionierter Menschen gibt.

Von Jörg Albrecht |
    Barack Obama (Parker Sawyers) umarmt Michelle Robinson (Tika Sumpter) bei ihrem ersten Date im Film "My First Lady"
    Michelle Robinson (Tika Sumpter) und Barack Obama (Parker Sawyers) bei ihrem ersten Date im Film "My First Lady" (capelight pictures)
    "Also wenn du weiter mit mir abhängen willst, dann nennen wir das jetzt ein Date. ... und später ins Kino."
    Dass das Kino als perfekter Ort fürs erste Date gilt - dazu hat vor allem das Kino selbst beigetragen mit Szenen, in denen Pärchen in spe während einer Filmvorführung Händchen halten und sich küssen. Es wäre wohl zu viel des Klischees gewesen, wenn sich auch bei Michelle Robinson und Barack Obama der erste Kuss im Halbdunkel eines Kinosaals zugetragen hätte. In einem Film aber saßen auch sie bei ihrer ersten Verabredung, wenngleich Spike Lees "Do the Right Thing" - das ist der Film, den sie sich angesehen haben - kaum ein Streifen für Verliebte ist, erzählt Lee doch von Rassismus im Brooklyn der 1980er-Jahre.
    Für zwei sozial engagierte und ehrgeizige Menschen aber, die selbst schwarz sind und die es gelernt haben, gegen Vorurteile anzukämpfen, ist es vielleicht doch der bestmögliche Film gewesen. Denn vieles von dem, was den damals 28-jährigen Barack und die drei Jahre jüngere Michelle geprägt hat, steht in direktem Zusammenhang mit ihrer Hautfarbe. Als schwarze Frau ist das Thema Gleichberechtigung für sie sogar gleich doppelt relevant.: "Ich hatte vor, mich vielleicht im Zivilrecht zu engagieren. Ich wollte Frauen helfen, ihnen eine Stimme geben. ... - Ich habe das Gefühl, als ob irgendetwas an mir zerrt. Vielleicht schreibe ich Bücher oder ich kriege eine einflussreiche Position im Bürgerrecht. … - Ich möchte was bewegen. - Das möchte ich auch."
    Ein Date, das es so nie gab
    Eines von vielen Gesprächen, das Michelle Robinson und Barack Obama an diesem sonnigen Sommertag im Jahr 1989 geführt haben könnten. Was "My First Lady" - im Original heißt der Film übrigens ganz kitschfrei "Southside with you" in Anspielung auf Chicago als Ort der Begegnung - was "My First Lady" von Richard Tanne also in knapp 90 Minuten erzählt, ist eine Möglichkeitsform und damit bis auf die überlieferten Fakten und Anekdoten der beiden Protagonisten rein spekulativ. Schließlich hat niemand die Gespräche der Zwei belauscht und protokolliert. So könnte es also gewesen sein, das erste Date: "Du bist zu spät. - Ich hatte gehofft, du merkst es nicht."
    Barack, der seit kurzem einen Job als Praktikant in der Anwaltskanzlei hat, in der auch Michelle arbeitet, hat sie eingeladen, ihn zu einer Gemeindeversammlung in einem Chicagoer Stadtviertel zu begleiten, in dem vorwiegend Schwarze leben. Michelle sieht darin nicht mehr als ein Treffen unter Kollegen: "Sollten wir nicht langsam mal los zu der Versammlung? - Das hat Zeit. Die fängt erst in ein paar Stunden an. … - Barack, du bist echt ein netter Kerl, aber ... das hier ist kein Date."
    Für Republikaner fast ein Propagandafilm?
    Wie ein roter Faden, ja fast wie ein Running Gag wird sich die Frage, ob der gemeinsame Tag nun ein Rendezvous ist oder nicht, durch den gesamten Film ziehen. In dieser fiktionalisierten Darstellung des Sonntagsspaziergangs durch Chicago dürfen Michelle und Barack sich so eloquent, geistreich und vor allem altruistisch präsentieren, dass man den Eindruck gewinnen kann: Ihre Heiligsprechung steht kurz bevor. Den Anhängern der Republikaner dürfte bei "My First Lady" gar der Begriff vom Propagandafilm in den Sinn kommen. Womöglich aber ist das Paar wirklich so grundsympathisch und makellos, wie es Regisseur Richard Tanne zeigt. "Aber ich bin davon überzeugt, dass alle Menschen - fast alle - im Grunde ihres Herzens eigentlich ziemlich gute Menschen sind.", hören wir Barack Obama bei der Gemeindeversammlung sagen. Mit der Rede, die wie ein frühes "Yes We Can" klingt, wird er endgültig bei seiner Begleiterin punkten: "Du denkst, du bist der Größte oder? - Wieso? - ... Ziemlich guter Ort, um eine Frau zu beeindrucken."
    "My First Lady" erinnert in Form und Gestaltung an Richard Linklaters Liebesgeschichte "Before Sunrise" mit Julie Delpy und Ethan Hawke. Beide Filme nähern sich ihren Figuren, die ein paar Stunden miteinander verbringen, durch die Gegend schlendern und sich dabei ineinander verlieben, fast ausschließlich auf der Dialogebene. Die kaum bekannten Schauspieler Tika Sumpter und Parker Sawyers sind Michelle Robinson und Barack Obama in ihren jungen Jahren nicht nur frappierend ähnlich. Sie spielen die sich anbahnende Romanze auch großartig und gewähren in dieser klugen Charakterstudie Einblicke in die Gedankenwelten zweier ambitionierter Menschen. Es sind Gedanken über das schwarze Amerika und den Glauben an Gott, über das Lebensglück und die eigenen Ziele und in der schönsten Szene des Films einfach nur über ihre Leidenschaft für Kuchen oder Eis.
    "Das ist wirklich lieb von dir, aber ich mag keinen Kuchen. - … Nein. Das ist ein Missverständnis. Das ist ein Stück des Himmels … - Ich bin eher von der Eisfraktion … - Ich mag überhaupt kein Eis."