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Kirche als Arbeitgeber
"Ist es okay, wenn ich den Nächsten liebe?"

Wer nach einer Scheidung wieder heiratet oder in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt, verstößt gegen die Regeln der katholischen Kirche. Die Caritas Osnabrück, ein katholischer Arbeitgeber, wirbt nun gezielt damit, dass sie es nicht so eng sieht.

Von Susanne Schäfer |
    Caritas-Schild an einer sozialen Einrichtung in Köln-Kalk
    Caritas-Schild an einer sozialen Einrichtung in Köln-Kalk (imago / Future Image)
    Irina Sprink steht in der Küche und schneidet Gemüse.
    "Zum Mittagessen gibt es heute Schnitzel, Kartoffeln und Salat."
    Gleich kommt ihr Sohn Noel von der Schule. Es ist das dritte Kind der Altenpflegerin. Von ihrer Tochter aus erster Ehe hat die Papenburgerin sogar schon ein Enkelkind:
    "Ich bin geschieden, schon seit 2007. Jetzt habe ich meinen zweiten Partner, bin also noch mal verheiratet."
    Die 44-jährige Irina Sprink ist wieder verheiratet – in der katholischen Kirche ein heikles Thema. Das zeigt etwa ein Fall aus Nordrhein-Westfalen. Vor knapp einem Jahr hat der Caritasverband Hagen einen Mitarbeiter fristlos entlassen, der nach einer Scheidung erneut geheiratet hat. Das Arbeitsgericht entschied, dass er wieder eingestellt werden muss.
    Irina Sprink ist froh, dass ihre Scheidung und vor allem ihre zweite Heirat für ihren Arbeitgeber keine Rolle spielen:
    "Ich wollte immer einen Partner haben fürs ganze Leben, wie meine Eltern oder meine Omas und Opas. Aber bei mir ist das nicht so. Das passiert. Das ist halt Leben. "
    Unbersehbare Porträts
    Als die Caritas sie gefragt hat, ob sie damit an die Öffentlichkeit geht, hat sie sofort ja gesagt. Jetzt ist ihr Porträt auf einem Plakat zu sehen und darüber die Frage: Ist es okay, wenn ich den Nächsten liebe? Ihr Arbeitgeber gibt darauf die klare Antwort: Ja. Caritas-Direktor Franz Loth:
    "Die Voraussetzung ist zunächst erst mal, dass die Menschen, die sich bei uns bewerben über eine fachliche Kompetenz verfügen, in den Bereichen, für die wir sie brauchen. Und dann sind wir im Bereich der personennahen Dienste unterwegs. Sie müssen Menschen mögen und sehr an Menschen dran sein, Not sehen und handeln und da ist es egal, ob man geschieden ist, noch mal wieder geheiratet hat, welche Hautfarbe man trägt, welcher Konfession man angehört."
    Diese Botschaft verbreitet der Osnabrücker Caritasverband in diesem Monat auf 400 Plakaten im ganzen Bistum – zwischen Aurich, Osnabrück und Bremen. Unübersehbar auch im Bremer Hauptbahnhof. So an die Öffentlichkeit zu gehen, ist etwas Besonderes.
    Direktor Franz Loth bekommt ganz unterschiedliche Reaktionen von den anderen Caritasverbänden im Bundesgebiet - zustimmende und ablehnende:
    "Das ist ein breites Spektrum in Deutschland von sehr sehr offen bis hin zur Aussage, das wird bei uns gar nicht gehen. Und ich glaube, wenn wir den Anspruch gehabt hätten, das für den deutschen Caritasverband insgesamt zu setzen, dann wären wir damit noch lange nicht fertig."
    Kritik in den Kommentarspalten
    Im Netzwerk Facebook sorgt vor allem ein Plakat für viel Kritik: Sozialarbeiterin Ulrike Büter ist darauf zu sehen mit der Aussage "Ich gehe zur Arbeit und nicht in die Kirche"
    "Einfach nur ärgerlich. Wenn die Caritas meint, mit Kirchenferne werben zu müssen, dann sollte sie mal ihren Kompass überprüfen." //
    "Am christlichen bis hin zum katholischen Profil ganz weit verfehlt. Gerade der Kirchgang ermöglicht Dienst an Gott und an Menschen! Da ist Caritas nur noch eine weltliche Organisation." //
    "Ich schätze die Caritas wirklich sehr, aber es wäre besser gewesen, Sie hätten sich dieses Plakat verkniffen. Mit Kirchenferne zu werben wird unserem Glauben nicht dienlich sein."
    Die Osnabrücker Caritas antwortet auf die Kommentare und erklärt: Das Plakat sei immer im Doppelpakt zu sehen, neben dem des Kollegen, der zur Arbeit und zur Kirche geht. Und manchmal geht auch Ulrike Büter in die Kirche:
    "Ich kann das aber nicht an jedem Wochenende, sondern etwa wenn ich kurz auftanken will, da ist das für mich ein wichtiger Ort, da kann ich aber auch alleine in der Kirche sein ohne den Gottesdienst. Und es gibt Momente, wo mich der Gang in die Kirche reizt, weil die Personen mich reizen, etwa bei einer Hochzeit oder einer Taufe."
    Die Haltung zählt
    Dass auch Bewerber mit dieser Einstellung willkommen sind, will die Caritas im Bistum Osnabrück deutlich machen. Personalreferent Harald Langner hat in Bewerbungsgesprächen schon viele Vorurteile gehört. Und die kämen nicht von ungefähr, früher wurde tatsächlich viel strenger auf das Privatleben der Mitarbeiter geschaut, aber das habe sich geändert:
    "Ich kann mich da selbst noch dran erinnern, in jungen Jahren, dass das durchaus eine Rolle gespielt hat. Wir hatten 2015 eine Änderung der Grundordnung."
    Als Grundordnung werden die Grundsätze des kirchlichen Arbeitsrechts bezeichnet, die für die Beschäftigten gelten. Die Loyalitätsobliegenheiten darin wurden gelockert, eine Wiederheirat nach einer Scheidung führt zum Beispiel nicht mehr automatisch zu einer Kündigung. Das gibt Arbeitgebern wie der Caritas mehr Möglichkeiten, auf den Einzelfall zu schauen. Zudem steht das kirchliche Arbeitsrecht durch die europäische Rechtsprechung unter Druck. Die Caritas in Osnabrück betont, dass sie schon seit vielen Jahren eine liberale Personalpolitik habe – die Gewerkschaft Verdi bestätigt das. Wichtig ist Personalreferent Langner nur, dass sich die Mitarbeiter mit den Werten der Caritas identifizieren – Nächstenliebe und Barmherzigkeit etwa:
    "Das prüfen wir auch, aber nicht an Fakten, wie katholisch oder nicht katholisch sondern an der inneren Einstellung und Haltung."
    Problemfall Kirchenaustritt
    Ein Aber schieben Loth und Langner dann allerdings doch hinterher:
    "Wo wir schon genau drauf gucken, wenn Kolleginnen und Kollegen in der aktiven Zeit aus der Kirche austreten. Aber das sind Phänomene, die kennen wir auch aus anderen Bereichen. Ich denke, das auch Parteien und Verbände zucken, wenn jemand bei ihnen arbeitet und dann aus der Partei oder dem Verband austreten."
    Ein Austritt sei nicht automatisch ein Kündigungsgrund, führe aber zumindest zu einem Gespräch über die Gründe.
    Eine sechsstellige Summe haben Caritas und Bistum Osnabrück für die Kampagne bezahlt. Dazu gehört auch eine Internetseite, die mehr über die Mitarbeiter verrät. Etwa das eine von ihnen homosexuell ist. Für die Caritas kein Problem:
    "Uns gehen die Schlafzimmer unserer Kolleginnen und Kollegen gar nichts an, um das einfach mal auf den Punkt zu bringen."
    Ganz vorne auf die Plakate haben die Kampagnen-Verantwortlichen das Thema aber nicht platziert:
    "Wir haben das nicht offensiv als Plakat gespielt, weil es ein Wunsch war aus der Mitarbeiterschaft, nicht mit der Sexualität eines Mitarbeiters zu werben. Das haben wir dann anders platziert, auch über Social Media und da wird dann deutlich, dass diese Vielfalt bei uns willkommen und Alltag ist."