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Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage
Der Tempel öffnet wieder

Für Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ist der Tempel der kostbarste Ort auf der Erde. Nur wer einen Tempelschein besitzt, hat Zutritt. Der Frankfurt-Tempel im Taunus wurde jahrelang renoviert. Vor der neuen Weihung durften nun auch interessierte Besucher hinein.

Von Monika Dittrich |
Der Celestiale Saal des Frankfurt-Tempels
Weiße Pracht im neuen "Celestialen Saal": Der Frankfurt-Tempel im Taunus wurde jahrelang renoviert und umgebaut (Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage)
Friedrichsdorf im Taunus ist ein Städtchen mit 25.000 Einwohnern. Deshalb ist die folgende Zahl bemerkenswert: Mehr als 30.000 Menschen waren es nämlich, die hier den frisch renovierten Tempel der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage besichtigt haben.
Es kamen Seniorengruppen und Familien mit kleinen Kindern, evangelische Pfarrer und Touristen aus den Niederlanden, Nachbarn aus den umliegenden Straßen; auch US-Soldaten vom Militärstützpunkt Ramstein waren da.
"Ich wohne schon mein Leben lang hier, und war noch nie im Tempel", sagt ein Besucher. "Das war für mich so ein Grund mal zu sagen, das muss man sich angucken." Es sei alles noch wesentlich schöner dekoriert, als man es sich vorstellen könne. Und seine Ehefrau sagt: "Das Brautzimmer ist richtig schön, für die Frauen wirklich toll!"
Zutritt nur mit Tempelschein
Ein lang gestrecktes Gebäude mit Granitfassade und markantem Kupferdach, umgeben von einem parkähnlichen Garten mit Rasen und Blumenbeeten, Fußwegen und Bänken: So steht der Tempel schon seit 1987 da – und er hat sich von außen nicht merklich verändert.
Im Inneren allerdings wurde jahrelang renoviert. Am kommenden Sonntag wird der Tempel neu geweiht. Danach dürfen nur noch Mitglieder der Kirche hinein. Und auch nur dann, wenn sie einen sogenannten Tempelschein besitzen.
Außenansicht des Frankfurt-Tempels
Außenansicht des Tempels (Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage)
"Das ist eine Selbstwürdigkeitserklärung jedes einzelnen Mitglieds vor dem lokalen Gemeindevorstand."
Erklärt Michael Cziesla. Er ist Gebietssiebziger seiner Kirche und als solcher verantwortlich für die Gemeinden in Westeuropa.
"Man erklärt also, dass man bereit ist, in den Tempel zu gehen, Bündnisse zu schließen, Belehrungen zu empfangen und das aufzunehmen, was im Tempel eben gelehrt wird", so Cziesla. Er engagiert sich ehrenamtlich für seine Religionsgemeinschaft. Der promovierte Jurist ist Partner in einer Frankfurter Rechtsanwaltskanzlei.
"Mormonen" wollen nicht "Mormonen" heißen
Das Ehrenamt hat für seine Religionsgemeinschaft einen hohen Stellenwert: Es gibt keine bezahlten Geistlichen in der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Cziesla hat im Tempel in Friedrichsdorf auch die Tage der offenen Tür koordiniert.
"Der Tempel ist für uns das Haus des Herrn. Er ist für uns tatsächlich der heiligste Ort auf Erden."
In Friedrichsdorf auf der Straße sagen viele Leute noch immer "Mormonentempel". Dabei wollen die Mitglieder dieser Religionsgemeinschaft eigentlich nicht mehr als Mormonen bezeichnet werden.
Unterweisungsraum im Frankfurt-Tempel
Der Unterweisungsraum (Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage)
"Das ist ein Spitzname, der sich über viele Jahre etabliert hat", so Cziesla. "Der Hintergrund ist, dass wir neben der Bibel an das Buch Mormon glauben als weitere heilige Schrift. Und durch dieses zusätzliche Buch hat sich dieser Spitzname über viele Jahre etabliert. Wir haben auch kein grundlegendes Problem mit diesem Namen, weil wir dadurch tatsächlich bekannt sind. Was dabei eigentlich verloren geht, ist das, was eigentlich in dem Namen steht, nämlich Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage. Und wenn ich mit Arbeitskollegen spreche oder mit Leuten auf der Straße spreche, dann fragen die mich, seid ihr überhaupt Christen?"
Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage wurde 1830 in den USA von Joseph Smith gegründet. Smith gab an, ihm seien Gott und Jesus Christus erschienen und später ein Prophet namens Moroni. Dieser habe ihn zu einem Ort im Wald geführt, wo er Metallplatten gefunden habe - darauf zu lesen ein neues Evangelium: das Buch Mormon.
Der Tempel ist keine Kirche
Anhänger dieser Religionsgemeinschaft sehen in ihrer Kirche eine Wiederherstellung der Urkirche. Sie glauben, dass sie durch Befolgen religiöser Gebote in die Gegenwart Gottes zurückkehren und dort für immer mit ihren Familien leben werden. Mormonen verzichten auf Alkohol, Kaffee und Tabak; sie spenden zehn Prozent ihres Einkommens an ihre Kirche – und sie missionieren. Mehr als 65.000 Missionare sind derzeit in aller Welt unterwegs.
Im Tempel vollziehen sie religiöse Handlungen wie Eheschließungen oder Taufen. Doch ist der Tempel keine Kirche. Hier wird kein Gottesdienst gefeiert - dafür gibt es Gemeindehäuser, zehntausende auf der ganzen Welt. Tempel gibt es derzeit aber nur 165, zwei davon in Deutschland, was historische Gründe hat. Beide wurden in den 80er-Jahren gebaut, einer in der DDR, in Freiberg in Sachsen, der andere hier in Friedrichsdorf im Taunus.
Wie ein vornehmes Hotel
Die Tempelbesichtigung beginnt mit einem kurzen Film, dann gibt es Überzieher für die Schuhe und das Mikrofon muss ausgeschaltet werden. Man erwartet in einem Tempel vielleicht etwas Kathedralenartiges, eine große Halle. Das gibt es hier nicht. Stattdessen eine Abfolge von Räumen mit federnden Teppichen und kostbaren Möbeln, alles erinnert ein bisschen an ein vornehmes Hotel. Zunächst kommen Umkleideräume:
"Im Tempel tragen wir alle weiß", erklärt Michael Cziesla. "Das heißt, ich würde ein weißes Hemd, eine weiße Krawatte, weiße Hose, weiße Schuhe anziehen."
Taufbereich im Frankfurt-Tempel
Der Taufbereich im Frankfurt-Tempel (Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage)
Die weiße Kleidung habe symbolische Bedeutung:
"Zum einen legen wir unsere weltliche Kleidung ab, wenn wir in den Tempel kommen, um uns darauf einzustellen, diese besonderen Belehrungen zu empfangen. Und darüber hinaus drückt das auch aus, dass wir alle gleich sind. Im Tempel sieht man nicht, wer ist reich, wer ist arm, wer ist gebildet, wer ist weniger gebildet. Sondern wir kommen alle gleich als Söhne und Töchter Gottes vor ihn, um diese Belehrungen zu empfangen."
Mormonen betreiben intensive Familienforschung. Sie suchen nach ungetauften Vorfahren, für die sie sich stellvertretend taufen lassen. Das vollständige Untertauchen passiert im Tempel in einem beheizten Becken, das auf zwölf Rinderstatuen liegt – symbolisch für die zwölf Stämme Israels. Mosaikfliesen im Becken, Messing-Handläufe, Artdeco-Lampen aus satiniertem Glas, im offenen Wandschrank liegen weiße Badetücher aus dickem Frottee, für die Getauften.
Blick in die Unendlichkeit
Beim Tempelbesuch können Kirchenmitglieder auch religiöse Belehrungen empfangen – im Unterweisungsraum sitzen sie in weichen Sesseln wie im Kino. Teil der Belehrung ist tatsächlich ein Film, der auf einer Leinwand gezeigt wird. Danach geht es in den Celestialen Saal: ein strahlend heller Raum.
An zwei gegenüberliegenden Wänden hängen Spiegel, man blickt damit in die Unendlichkeit – ein Bild für Vergangenheit, Zukunft und Ewigkeit. Man sitzt in Sofas und Sesseln, es wird geschwiegen.
"Der Tempel ist ein Ort der Reflexion, der inneren Einkehr, der Meditation, wo wir auch über die Dinge, die wir lernen, nachdenken, vielleicht auch ein inneres Gebet sprechen", so Michael Cziesla. "Diese Ruhe und Andacht zu haben, das ist auch etwas, was den Tempelbesuch besonders auszeichnet."
Siegelungsraum im Frankfurt-Tempel
Der Siegelungsraum (Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage)
Ehen werden im Siegelungsraum geschlossen, hier steht ein niedriger weißer Altar, an den sich Mann und Frau gegenüber knien und die Hände reichen. Die Aussagen des Religionsgründers Joseph Smith zur Vielehe vertritt die Kirche heute nicht mehr. Im Gegenteil: Treue ist wichtig.
"Also für uns ist die Familie tatsächlich von ganz großer Bedeutung. Beispielsweise werden im Tempel Trauungen geschlossen, aber nicht, bis dass der Tod uns scheidet, sondern für Zeit und alle Ewigkeit. Wir nennen das Siegelung. Und das bedeutet, dass nicht nur das Paar zusammen ist für Zeit und alle Ewigkeit, sondern auch die Kinder. Weil wir daran glauben, dass wir als Familie in Ewigkeit zusammen sein können. Und dass diese Beziehung nicht endet mit diesem Leben, sondern dass wir bei unserem himmlischen Vater als seine Söhne und Töchter zusammen sein werden."
Respektvolles Interesse
Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage hat 16 Millionen Mitglieder, viele davon in den USA, vor allem im Bundesstaat Utah, wo die Kirche ihr religiöses Zentrum hat. Seit einiger Zeit bemühen sich die Mormonen um einen ökumenischen Dialog mit den großen christlichen Kirchen. Allerdings sehen Katholiken und Protestanten in ihnen keine christliche Gemeinschaft, sondern eine eigenständige Neu-Religion. Dennoch sei das Verhältnis zuletzt viel besser geworden, sagt Michael Cziesla:
"Ich merke und das freut mich sehr, dass der Umgang deutlich respektvoller wird. Das hat sich wirklich gewandelt. Und ich merke, dass der Umgang mit Leuten von anderen Kirchen tatsächlich respektvoll ist und ein Stück weit auch auf Augenhöhe."
Respektvolles Interesse habe man auch bei den Tagen der offenen Tür gespürt. Die von vielen Besuchern gestellte Frage, was denn Umbau und Renovierung des Tempels gekostet haben, blieb allerdings unbeantwortet – die Bedeutung des Gebäudes sei wichtiger als das Geld, sagt Cziesla. Es dürfte teuer gewesen sein, das sieht man. Finanziert allein durch die Spenden der Mitglieder.