Gaudí wurde am 25. Juni 1852 entweder in Reus oder möglicherweise in einem wenige Kilometer entfernten Dorf namens Riudoms, wo seine Eltern wohnten, als Sohn eines Kupferschmieds geboren. In der Werkstatt seines Vaters kam er früh in Kontakt mit geometrischen Formen. Zur Schule ging er bei den Piaristen-Patres in Reus. Architektur studierte er von 1873 bis 1878 in Barcelona.
Verrückter oder Genie?
Bereits in jungen Jahren zeichnete er sich als hervorragender und kreativer Zeichner aus. Als der Leiter der Schule, Elies Rogent, am 15. März 1878 Gaudí das Abschlussdiplom überreichte, meinte er hintersinnig:
"Wem haben wir nun diesen Titel gegeben? Einem Verrückten oder einem Genie? Warten wir's ab, die Zeit wird uns wohl die Antwort geben."
Antoni Gaudí, die einen sehen in ihm den Mystiker, einen Sonderling und Planer pseudoreligiöser Steintempel. Für andere ist Gaudí die rechte Hand des Schöpfers, ein Vermittler göttlicher Ästhetik.
"Ich bin kein Künstler", soll Gaudí gesagt haben, "ich führe nur das Werk Gottes fort."
Tod im Armenspital
Gaudí konzipierte seine unvollendete Sagrada Família als heilige Einheit der göttlichen Familie, als christlichen Gegenentwurf zum Kommunismus von Marx und Engels. Gebaute Religion oder Kitsch?
Im März 1883 übernahm Gaudí die Leitung über den Bau der Sagrada Família, der er sich später ausschließlich widmete. Und zwar von 1914 bis zu seinem Tod im Jahre 1926. Am 7. Juni wurde Gaudí auf dem Weg vom allmorgendlichen Besuch im Oratorium des heiligen Philipp Neri zur Baustelle der Sagrada Família von einer Straßenbahn erfasst. Aufgrund seines verwahrlosten Äußeren wurde er zunächst in das Armenhospital Hospital de la Santa Creu gebracht. Dort fanden ihn drei Tage später sein engster Mitarbeiter Dominic Sugranyes und der Gemeindediener der Sagrada Familia. Noch am selben Tag, es war der 10. Juni 1926, starb Gaudí. Tausende gaben ihm die letzte Ehre.
"Neu-Gotiker mit bizarren Einfällen"
Seit dem Jahr 2000 läuft das Seligsprechungsverfahren für Antoni Gaudí, das aber seit Jahren auf der Stelle tritt. Wohl nicht zuletzt deswegen, weil über den vorbildlichen Lebenswandel Gaudís, eine der Voraussetzungen für die Seligsprechung, die Meinungen sehr auseinandergehen.
Über vier Jahrzehnte arbeitet Gaudí an seinem Meisterwerk – und hinterlässt doch nur eine großartige Bauruine. Seine letzte Schaffensperiode verbringt der Meister nur noch auf dem Bau in einer Hütte. Kunsthistoriker nennen ihn damals schon einen "Revolutionär", einen "originellen Romantiker", einen "Neu-Gotiker mit bizarren Einfällen" und den "ersten Repräsentanten des katalanischen Modernismus".
"Die Kirche hat keine Eile"
Gaudí drückte dem sich industriell und kommerziell rasant entwickelnden Barcelona seinen Stempel auf. Er errichtete seine Bauwerke in der Formensprache des "Modernisme", der katalonischen Spielart des Jugendstils. Die typischen Merkmale waren geschwungene Linien, unregelmäßige Grundrisse, schräge gemauerte Stützen, naturnahe, weiche Formen mit Motiven der Flora und Fauna. Seine weiteren Vorlieben waren Bruchsteine und bunte Keramikfliesen, die er als Gestaltungselemente in seine Bauwerke einfließen ließ.
Gaudí lehnte die gotischen Strebebögen verächtlich als "Krücken" ab und verwendete stattdessen schräge Baupfeiler. Da Gaudí ein Gebäude als Gesamtkunstwerk empfand, entwarf er auch die kleinsten Details im Gebäudeinneren selbst. Seine Entwürfe führten die Schmiede- und Mosaikkunst, die Tischlerei und Glaskunst zu neuen Höhepunkten. Seine Stilelemente beeindrucken mit schlichten, aber originellen, vielfach organischen Formen. Gaudís Stil hat unter anderem den des österreichischen Malers Hundertwasser beeinflusst. Bildhauer Luis Gueilburt zu Altmeister Gaudí und seiner heiligen Familie:
"Die heilige Familie ist ein so pharaonisches Werk, dass es Gaudí manchmal sogar aus der Kontrolle geriet. Aber sie hat Gaudí weltweit berühmt gemacht. Wir studieren Gaudí als Künstler, als Architekten – also den gesamten Menschen. Wir glauben, er ist noch immer sehr unbekannt, noch wenig erforscht. Gaudí sagte auch immer wieder, die Kirche hat keine Eile. Und er wollte immer ohne Eile arbeiten, ganz einfach so."
Der Platz vor dem Eingang zum Kryptamuseum ist der Mittelpunkt einer spektakulären Baustelle ohne Ende. Schon seit dem Jahre 1882 ist das Fragment der Kathedrale mit Gerüsten versehen. Der Bau wurde immer wieder einmal unterbrochen, schon im Sterbejahr Gaudís, 1926, kam der Bau zum Stillstand. Damals, als vier Türme halbfertig in den Himmel ragten und das Portal von der Geburt im Entstehen war. Erst 1952, auf dem Höhepunkt der unendlich langen und geistfeindlichen, aber erzkatholischen Diktatur von Generalissimo Francisco Franco, wurde weitergebaut.