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Kirche und Medien
Was war und was ist

Das Verhältnis zwischen der kirchlichen Publizistik und der Gesellschaft, in der sie – auch wirtschaftlich – bestehen muss, war und ist nicht immer einfach. Ein Überblick:

Von Peter Kolakowski |
    Stephan Ackermann, Bischof von Trier und Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz (DBK)
    Stephan Ackermann, Bischof von Trier und Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) (dpa / picture alliance / Fredrik Von Erichsen)
    März 2014, die Deutsche Bischofskonferenz hat zu einer Pressekonferenz geladen. Denn die Debatte um den wohl größten Missbrauchsskandal in Deutschland hat einen weiteren gesellschaftlichen und publizistischen Höhepunkt erreicht. FAZ, Süddeutsche, Die Welt, Die Zeit, regionale Blätter, Hörfunk und Fernsehen schockieren täglich neu mit Erfahrungsberichten von Opfern. Selbst dem seinerzeit noch amtierenden Papst Benedikt sollen Fälle bekannt gewesen sein, heißt es sogar.
    Verwundert und empört reibt sich die Öffentlichkeit die Augen, dass auch und gerade katholische Medien von alledem nichts gewusst haben wollen. Entsprechende Berichte jedenfalls sind nicht erschienen. Obwohl doch gerade diese Medien als erste von innerkirchlichen Zu- und Missständen hätten erfahren haben müssen. Stattdessen Schweigen. Zumindest am Anfang. Die kirchlichen Medien stürzten damals in eine Glaubwürdigkeitskrise. Hatten sie denn nichts anderes zu bieten, als reine Verkündigungslehre und wohlfeile Predigten ihrer Würdenträger?
    "Rheinischer Merkur" stand für fachlich fundierten und hochseriösen Journalismus
    "Medien sind unsere Instrumente und unsere Journalisten sind die, die praktisch Verkündigung mit anderen Mitteln machen, - das ist glaub ich, der größte Fehler. Weil: Das nimmt eine säkulare Öffentlichkeit einem nicht mehr ab. Bevor wir uns indoktrinieren lassen - vermutet oder befürchtet -, gehen wir lieber woanders hin. Da ist auch viel hausgemachtes Versagen.", fasst Joachim Frank, der Vorsitzende der Gesellschaft katholischer Publizisten und Chefkorrespondent der DuMont Mediengruppe das Imageproblem zusammen, das sich damals noch einmal zu bestätigen schien.
    Doch es geht – und vor allem: es ging auch anders. Der "Rheinische Merkur – Christ und Welt", eine von neun Diözesen und der Deutschen Bischofskonferenz herausgegebene Zeitung, glänzte 64 Jahre lang durchaus auch mit kirchenkritischen Berichten und liberalen Ansichten, stand für unabhängigen, fachlich fundierten und hochseriösen Journalismus. Doch im November 2010 war endgültig Schluss, erzählt Christiane Florin, ehemalige Feuilleton-Redakteurin beim Rheinischen Merkur, ab Dezember 2010 Redaktionsleiterin der Beilage "Christ und Welt" in der Wochenzeitung "Die Zeit", und heute Redakteurin in der Redaktion "Religion und Gesellschaft" im Deutschlandfunk.
    Hätte professionelles Marketing gebraucht
    Die einst gewichtige Zeitung schrumpfte auf eine sechsseitige Beilage zusammen. Dem damals amtierenden Kölner Kardinal Meisner, der auch im Kölner Erzbistum für zensorische Eingriffe in seiner Bistumszeitung bekannt war, hielt den "Rheinische Merkur" offenbar für zu kritisch. Die Zuschüsse wurden gestrichen. Mehr noch: Es gab keine finanzielle Basis, im Aufsichtsrat kaum betriebswirtschaftliches Know-how und kein professionelles Marketing, das den unabhängigen Weiterbetrieb gewährleistete.
    Christiane Florin: "Wir wussten schon lange, dass die Zahlen nicht besonders gut sind, dass da irgendwas im Busch ist, aber nicht genau, was. Wir haben dann ja versucht, etwas anderes zu entwickeln, den "Rheinischen Merkur" auf ein Magazin-Format umzustellen, aber all das hat bei den Gesellschaftern nicht gefruchtet."
    "Chrismon" benötigt jährlich Zuschüsse
    Auch das publizistische Flaggschiff der evangelischen Kirche, das "Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt" – DAS – musste Seiten lassen. 14.000 Abonnenten waren für eine Zeitung schlicht zu wenig, räumte auch der damalige Chefredakteur des Blatts, Arndt Brummer, ein. Das Blatt wurde eingestellt, trotz vieler positiver Leserbriefe: "Ich hab denen dann, wenn die mir ganz orgiastische Leserbriefe geschrieben haben, gesagt: Ich geb das an drei Leute weiter, das hat mich so berührt. Ich hab denen dann geschrieben: Ja, wir haben auch Leser-werben-Leser-Prämien, verkauf denen doch ein Abo, du kriegst was dafür! War irgendwie nicht erfolgreich."
    Das DAS wurde zu "Chrismon" umgestaltet, einem Magazin, das nun verschiedenen überregionalen Tageszeitungen beiliegt und sich gesellschaftspolitischen Fragen widmet. Es sollen gerade jene angesprochen werden, die ihre christlichen Wurzeln vergessen haben – und auch durch Lifestyle-Reportagen zum Lesen animiert werden. Auch "Chrismon" kommt bis heute und wohl auch künftig nicht ohne Subventionen der Evangelischen Kirche EKD aus: Etwa vier Millionen Euro pro Jahr schießt sie zu.
    Kirchen arbeiten an digitaler Präsenz
    Die Einstellung angesehener Blätter kam aber auch einem Paradigmenwechsel gleich. Kirche wollte und musste sich dem geänderten Leseverhalten der Bevölkerung anpassen, sogar zu Lasten qualitativ hochwertiger Zeitungen. Matthias Kopp, Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz: "Wir wollen aber darauf achten, dass wir unser Online-Engagement stärken, dass wir unsere Journalistenschule in München stärken, und dass wir eben unsere Nachrichtenagentur, die Katholische Nachrichtenagentur, ebenfalls stärken." Heute unterhält die DBK verschiedene Online- Portale und ist an der Finanzierung von "Bibel-TV" beteiligt.
    Es waren die kirchlichen Blätter, die jahrelang die Diskussionen um das Thema Bioethik oder Sterbehilfe maßgeblich anführten und mitbestimmten. Genauso wie Fragen der Gleichberechtigung von Mann und Frau, der Sozialpolitik, des Natur und Tierschutzes, der Migration oder der ungerechten Handelsbeziehungen mit all ihren ausbeuterischen Folgen. Heute aber scheinen sie dieses einstige Alleinstellungsmerkmal verloren zu haben. Desungeachtet bleibt der dezidiert christliche Blickwinkel auf gesellschaftliche und politische Zustände weiter notwendig, betonen auch Kollegen der säkularen Medien. Auch deshalb arbeiten die Kirchen nun schon seit Jahren besonders an ihrer digitalen Präsenz. Die Seiten "katholisch.de" und "evangelisch.de" haben sich zu gut gemachten Online-Portalen entwickelt.
    Fast täglich kommen weitere hinzu, wie vor einigen Tagen die Internetseite "Kirche und Arbeitswelt", sagt Volker König, der Abteilungsleiter des Dezernats Politik und Kommunikation beim Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche im Rheinland: "Hier gibt es keine Themen, die jetzt irgendwie tabu wären, wo wir sagen: Nein, das muss doch alles erst durch die Kirchenleitung abgesegnet werden. Nein, wir wollen in die Öffentlichkeit gehen, wir wollen gerne diskutieren, wir wollen auch unsere Position einbringen. Und genau das soll diese Website leisten."
    Auch säkulare Medien können Journalisten mit kirchlicher Sozialisation brauchen
    Die Kirchen müssen sich gut überlegen, was ihnen Medienarbeit und die Präsenz in der säkularen Öffentlichkeit noch wert sind. Und: Kirchenzeitungen könnten unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht bestehen, sagt Joachim Frank von DuMont: "Was ist ihr das auch wert nach innen? Dass sie dann soviel bereitstellt, dass man die Redaktion vernünftig ausstattet. Dass man den Mitarbeiter vernünftig bezahlen kann. Und ein bisschen, gerade angesichts der vielen prekären Beschäftigungsverhältnisse, die es im Journalismus ja gibt, ein bisschen auch zeigen kann: Bei Euch aber soll es nicht so sein! Also dass man da auch sagt: Wir lassen uns das was kosten. Wo ich eine Chance sehe und einen möglichen wirklichen Pluspunkt der kirchlichen Medien sehe:
    Dass die durch die größere Nähe zum Berichtsgegenstand, vielleicht auch durch höhere Kompetenz der Journalisten, die dort arbeiten - es gibt halt in den säkularen Medien immer weniger Leute, die eine kirchliche Sozialisation haben oder eine theologische oder wie auch immer geartete Fachausbildung haben -, dass das kirchlichen Medien besser können. Dass sie näher dran sind und das sie von daher auch einen stärkeren Insiderblick haben, den sie dann aber in eine Outsiderperspektive verwandeln müssen."