"Arirang", eines der beliebtesten koreanischen Lieder, formuliert bei Lichter-Demonstrationen in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul die Sehnsucht des Volkes nach Frieden. Koreas Kirchen hatten im Sommer 2017 die etwa 15 Millionen Christen im Land zu den ökumenischen Kundgebungen aufgerufen. Dabei habe man auch auf Unterstützung seitens der Gläubigen im kommunistischen Norden gesetzt, erzählt der Generalsekretär des Südkoreanischen Christenrates, Pfarrer Kim Young-su:
"Nach dem Koreakrieg war jede Begegnung zwischen Nord- und Südkoreanern strikt verboten. Doch in den 80er-Jahren wurde das Eis zwischen unseren beiden Staaten nach und nach gebrochen. Das verdankten wir nicht zuletzt dem internationalen Engagement des Weltkirchenrats in Genf. Er ermöglichte 1986 erstmals ein Treffen zwischen Christen aus Nord- und Südkorea in der Schweiz. Damals haben wir endlich wieder begonnen, miteinander zu reden und zu beten. Das war für uns alle eine unglaubliche Erfahrung. Sie weckte die Sehnsucht nach einer Wiedervereinigung."
"Die Christen haben eine gewisse politische Bedeutung"
Peter Prove ist am Weltkirchenrat Direktor der Abteilung für internationale Fragen. Er hat mit ökumenischen Delegationen Südkorea ebenso bereist wie den atheistischen Norden, der sich gegenüber der Außenwelt weithin hermetisch verschließt. Während in Südkorea rund ein Drittel der Bevölkerung zu einer christlichen Kirche gehört, so Prove, begegne man im Norden nur wenigen Gläubigen:
"In Nordkorea gibt es eine sogenannte 'Christen-Vereinigung', zu der wir regelmäßigen Kontakt haben. Sie ist zwar klein und zählt kaum mehr als 12000 bis 15000 Christen unterschiedlicher Konfession. Doch sie wurde in den 80er-Jahren von der Familie der Mutter des Diktators Kim Il-sung aufgebaut - einer tiefgläubigen Frau. Die Verantwortlichen dieser Vereinigung können daher bis heute auf die Unterstützung eines Teils dieser Familie setzen und haben damit eine gewisse politische Bedeutung."
Im Norden gibt es nur wenige Katholiken
Der 1994 verstorbene Diktator Kim Il-sung gab Nordkorea seine jetzige Identität und wird im ganzen Land verehrt. Der aktuelle Machthaber, Kim Jong-un, ist sein Enkel. Seit den Versuchen des nordkoreanischen Regimes in den 50er- und 60er-Jahren, alle Religionen brutal auszurotten, habe sich die Stimmung geändert, erklärt Peter Prove. Heute sei die Lage der Christen in Nordkorea keineswegs mehr so hoffnungslos wie manche meinten:
"Ich wurde schon öfter mit der Behauptung konfrontiert, dass in Nordkorea alle Christen verfolgt seien. Das stimmt nicht. Wir konnten in der Hauptstadt Pjöngjang vier offizielle Kirchen besuchen - zwei evangelische, eine katholische und eine orthodoxe. Und wir durften zudem Christen in Hauskirchen treffen, die unter dem Dach der Christen-Vereinigung stehen. Probleme mit dem Regime gibt es nach unserer Beobachtung für Christen nur dann, wenn sie außerhalb der kontrollierten Bereiche missionarisch aktiv sind."
Nicht zuletzt existiere in Pjöngjang ein kleines protestantisches Seminar, das eine einfache aber solide theologische Ausbildung vermittle, berichtet Peter Prove. Die katholische Kirche habe im ganzen Land allerdings keine Ausbildungseinrichtung und sei damit in einer schwierigeren Lage:
"Wir haben in Nordkorea auch Kontakt mit einer offiziellen 'Vereinigung katholischer Christen', aber sie ist winzig und hat nur einige Hundert Mitglieder. Außerdem scheint es landesweit keinen einzigen geweihten Priester zu geben. Doch wir sind als Weltkirchenrat mit unseren katholischen Gesprächspartnern rund um den Globus im Austausch und helfen, so gut wir können. Auch Papst Franziskus tut alles, um auf der koreanischen Halbinsel die Christen sowie Frieden und Gerechtigkeit zu fördern."
"Wir müssen Nordkorea in einem anderen Licht sehen"
Während Südkorea in den vergangenen Jahrzehnten ein Wirtschaftswunder erlebte, leidet das Volk im Norden seit Langem unter einer Hungersnot. Sie ist die Folge der Misswirtschaft des kommunistischen Regimes sowie der Wirtschaftsembargos, mit denen westliche Länder den nordkoreanischen Staat am Ausbau seines Atomprogramms hindern wollen. Hilfe für die leidende Bevölkerung kommt unter anderem von internationalen kirchlichen Einrichtungen.
So hat etwa die Konföderation der Benediktiner 2005 unter der Federführung des damaligen Abtprimas Notker Wolf in der nordkoreanischen Freihandelszone Rason ein Krankenhaus eröffnet. Drastische Wirtschafts-Boykotte gegen Nordkorea hält der Benediktiner von jeher für verfehlt: Politische Fehden dürften nicht auf dem Rücken des Volkes ausgetragen werden, vor allem aber müsse man die Angst jedes Landes um seine Identität respektieren:
"Ich denke, wir müssen Nordkorea in einem etwas anderen Licht sehen. Nordkorea möchte selbstständig sein, möchte voll anerkannt sein, wie jede Nation. Und sie meinen, sie können das nur dadurch, dass sie Atomwaffen erzeugen. Mir wurde 2006 von Leuten der Regierung gesagt: 'Hätte Saddam Hussein wirklich die Atombombe gehabt, wäre er nicht von den Amerikanern angegriffen worden.' Sie haben eine fast paranoide Angst vor den Amerikanern, vor einem Angriff. Wenn wir ihnen Identität geben und schenken, ich bin überzeugt, dass wir dann einen friedlicheren Weg finden."
"Die Treffen haben eine neue Atmosphäre geschaffen"
In Südkorea ist man ebenfalls sicher, dass der Frieden zwischen beiden Landesteilen bisher nicht nur an der Haltung kommunistischer Ideologen scheiterte. Ihm standen auch massive politische Interessen Russlands, Chinas und der USA sowie der internationalen Waffenindustrie im Weg. Der Südkoreaner Kim Young- ju betont daher:
"Wir Christen sind uns heute in Nord- und Südkorea einig: Wir wollen der Herrschaft von Gewalt und Waffen auf unserer Halbinsel ein Ende setzen und Wege ausbauen, auf denen wir friedlich zueinander finden."
Die kirchlichen Initiativen stoßen bei koreanischen Politikern durchaus auf Resonanz: Im April 2018 reichten sich der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un und Südkoreas Präsident Moon Jae-in an der innerkoreanischen Grenze, in Panmunjeom, die Hand. Sie versprachen, fortan gemeinsam für eine Versöhnung beider Landesteile zu arbeiten. Wenig später verlief auch die Begegnung Kim Jong-uns mit dem US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump positiv.
Die kirchlichen Initiativen stoßen bei koreanischen Politikern durchaus auf Resonanz: Im April 2018 reichten sich der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un und Südkoreas Präsident Moon Jae-in an der innerkoreanischen Grenze, in Panmunjeom, die Hand. Sie versprachen, fortan gemeinsam für eine Versöhnung beider Landesteile zu arbeiten. Wenig später verlief auch die Begegnung Kim Jong-uns mit dem US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump positiv.
"Diese Treffen haben eine völlig neue Atmosphäre geschaffen. Sie sprechen viele der Forderungen aus, für die wir Christen uns schon seit Jahren einsetzen, die aber lange utopisch schienen: Dazu gehört der Wunsch, möglichst rasch einen Friedensvertrag zwischen beiden Teilen Koreas zu unterzeichnen, um den seit 1950 bestehenden Kriegszustand zu beenden. Ein solcher Vertrag würde Vertrauen schaffen und eine Basis, um weitere Probleme zu lösen."
Zudem gelte es, so Peter Prove, die Sanktionen gegen Nordkorea zu mildern und die Atomwaffen-Arsenale nicht nur dort abzubauen, sondern auch in Südkorea, ja weltweit. Immerhin durfte im Sommer 2018 eine gemischte Delegation nord- und südkoreanischer Christen zu einem internationalen Symposium des Weltkirchenrats nach Genf reisen, um konkrete Impulse für den weiteren Friedensprozess zu erarbeiten. Der Leiter der nordkoreanischen Delegierten Myong Chol-kang bedankte sich dabei nochmals bei der ökumenischen Bewegung:
"Ihr habt viel dazu beigetragen, dass auf der koreanischen Halbinsel jetzt endlich Frieden Fuß fasst. Die ganze Welt begrüßt diese neue Ära angesichts der immensen Gefahren, die uns noch vor wenigen Monaten bedroht haben. Nun hängt alles davon ab, wie wir die Erklärungen von Panmunjeom und Singapur umsetzen. Wir bitten Euch dabei weiterhin um Eure Unterstützung!"