"Das Kirchenasyl ist eine sehr kleine Form des Umgangs mit Asyl- und Schutzsuchenden. Zahlenmäßig sind es ganz wenige Fälle, wenn man die vielen Tausenden zählt, die um Hilfe suchen."
Hans-Martin Krusche-Ortmann ist Hochschulpfarrer in Magdeburg und Geschäftsführer des Evangelischen Hochschulbeirats. Zusammen mit der Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt hat er zu einer Gesprächsrunde eingeladen - zu der etwa 30 Menschen gekommen sind - um zu diskutieren, was das Kirchenasyl nun sei: Rechtsbruch oder heiliger Schutz. Ein höchst sensibles Thema. Denn wer Kirchenasyl gewährt, verstößt gegen geltendes Recht. Dennoch dürfe man von keinem eindeutigen Rechtsbruch sprechen. Das zumindest behauptet Bernhard Fricke, der stellvertretende Vorsitzende der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche, einer der Gesprächsteilnehmer der Magdeburger Runde zum Kirchenasyl.
"Es gibt zwar keine rechtliche Grundlage für das Kirchenasyl. Aber weil es keine rechtliche Grundlage gibt, kann man hier kein Recht brechen. Es ist die Entscheidung einer Kirchengemeinde, die Bitte um ein Moratorium bei der zuständigen Behörde, beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder bei der Ausländerbehörde, einen Fall nochmal neu zu überprüfen."
Denn es kann durchaus passieren, dass Asyl-Entscheider die Lage der Flüchtlinge auf den ersten Blick nicht richtig einschätzen, Flüchtlinge auffordern - obwohl sie in ihrem Heimatland Folter oder gar der Tod erwartet - Deutschland zu verlassen. Gerade in solchen Situationen kann das Kirchenasyl die letzte Chance von Flüchtlingen sein, in dem sie in Kirchen und Gemeindehäusern oder Klöstern Unterschlupf suchen und Schutz finden. Damit ihr Fall nochmal neu aufgerollt wird.
"Das Kirchenasyl ist immer wichtiger geworden. Die Flüchtlingszahlen sind hoch gegangen und in dem Zusammenhang auch die Zahl der Kirchenasyle. Wir sind jetzt ungefähr - im Moment - bei 470 Kirchenasylen in ganz Deutschland."
Der überwiegende Teil der Kirchenasyl-Suchenden kommt von Flüchtlingen aus den Teilnehmerstaaten der Dublin-Verordnung. Von Menschen, die ihr Asyl nicht in Deutschland beantragen dürfen, sondern nur dort, wo sie erstmals Europa betreten haben. Das sind meist Länder wie Griechenland, Italien, Spanien oder Bulgarien. Wohin viele der Flüchtlinge aber nicht zurück wollen, weil sie sich dort wegen der beispielsweise unzumutbaren Bedingungen, wie überfüllter Erstaufnahmestellen, nicht sicher fühlen.
Eine Zusammenarbeit der Kirchen mit den staatlichen Stellen ist heutzutage beim Kirchenasyl so gut wie selbstverständlich. Grundlage ist eine im vergangenen Frühjahr geschlossene Vereinbarung zwischen den großen konfessionellen Kirchen und dem BAMF. Demnach haben sich beide Seiten versprochen, eine schnelle Lösung der Härte-Fälle zu finden, so Flüchtlingspfarrer Bernhard Fricke von der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche.
"Für das Bundesamt hat das auch den Vorteil, dass sie so auf Fälle aufmerksam gemacht werden, die sie vorher vielleicht übersehen haben. Von daher ist es eine win-win Situation."
Das Kirchenasyl ist keine Erfindung der Neuzeit, sondern hat eine lange Tradition. Ursprünglich kommt es aus der vorchristlichen Zeit, aus der griechischen Kultur. Heilige Orte waren schutzverleihend, so der Magdeburger Althistoriker Martin Dreher. Erst im 4. Jahrhundert nach Christus entstand das uns bekannte Kirchen-Asyl, das als ein Rückgriff auf griechische Zeiten zu verstehen ist, so Dreher weiter.
"Die kirchlichen Autoren verweisen insbesondere auf das christliche Prinzip der Barmherzigkeit, der misericordia, das allen Verfolgten und Bedrohten zugute kommen soll. Und da hat man - vor allem die Bischöfe haben das getan - versucht die Menschen vor unmittelbaren, auch körperlichen Strafen, Verletzungen, Todesstrafe zu schützen, und hat so versucht, mildere Strafen bei den weltlichen Herrschern heraus zu handeln."
Menschenrechtsorganisationen wie auch Politiker unterstreichen den Wert des Kirchenasyls immer wieder. Und die Zahlen scheinen das zu belegen. Denn nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirchenasyl wurden 2015 von 332 beendeten Kirchenasylen, 323 Fälle positiv entschieden, was etwa 90 Prozent der Fälle ausmacht.
Im Klartext heißt das: Die Menschen durften langfristig bleiben, wurden nicht abgeschoben, obwohl das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits anders entschieden hatte.