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Kirchenkunst, Kühe und Abstraktes

Der Aachener Künstler Ewald Mataré war bekannt als Lehrer von Joseph Beuys und berühmt für seine Skulpturen von Kühen. In Aachen ehrt ihn jetzt eine Ausstellung anlässlich seines 125. Geburtstages - unter anderem mit einer Abstraktion von Formen, die ihresgleichen sucht, meint Christiane Vielhaber.

Das Gespräch führte Karin Fischer |
    Karin Fischer: In der ehemaligen Reichsabtei Kornelimünster in der Nähe von Aachen unterhält das Land Nordrhein-Westfalen ein wunderschönes Haus für die eigene Kunstsammlung. Diese Sammlung hatte seit Anbeginn, das heißt seit dem Ende des Jahres 1948, auch zum Ziel, jenen Künstlern zu helfen, die durch den Zweiten Weltkrieg und das sogenannte Dritte Reich von der eigenen Arbeit und einem möglichen Publikum abgeschnitten worden waren. Der Aachener Künstler Ewald Mataré, heute ein kanonisierter Moderner, gehörte dazu. Im 125. Jahr seiner Geburt ehrt das Mies-van-der-Rohe-Haus zusammen mit Kunst aus NRW Mataré in der Reichsabtei mit einer großen Ausstellung, die Christiane Vielhaber für uns gesehen hat. Frau Vielhaber, sieht man Mataré heute neu oder anders?

    Christiane Vielhaber: Das glaube ich nicht. Es ist ja ein Heimspiel. Mataré ist sicherlich ein rheinischer Künstler von vornherein gewesen, in Aachen geboren, dann an der Akademie in Düsseldorf lehrend, und er ist sicherlich vielen von uns viel präsenter als Lehrer von Joseph Beuys und unter anderem auch Erwin Heerich, als wirklich als Künstler. Wenn ich mit Ihnen jetzt um den Dom gehen würde und wir würden an dem Südportal stehen bleiben und ich würde sagen, raten Sie mal, Frau Fischer, von wem diese Tür ist? – Oder da ist ein Brunnen vor dem Dom und ein Brunnen hinter dem Dom. Raten Sie mal, von wem der Lochner-Brunnen ist, von wem der Tauben-Brunnen ist? Dann würden Sie wahrscheinlich jetzt nicht spontan – aber Sie sind auch keine Rheinländerin – ausstoßen, das ist von Ewald Mataré.

    Fischer: Nicht wirklich!

    Vielhaber: Das haben die Rheinländer so drin. Und entscheidend dafür ist auch, dass Ewald Mataré ein Künstler war, der von Politik und Kirche gleichermaßen mit Aufträgen versorgt wurde. Und wer nun der Kirche nicht so nahe steht, dem bleibt auch vieles verborgen, und wer der Politik nicht so nahe steht – und da ist ein großer Schwerpunkt jetzt in Aachen in dieser Ausstellung -, der hätte jetzt auch nicht gewusst, dass Mataré nicht nur für das Aachener Münster, sondern eben auch für das Rathaus Fenster gemacht hat, dass er Kunst im öffentlichen Raum gemacht hat. Das ist ein Teil dieser Ausstellung in Aachen, die das Ganze fotografisch auf hervorragende Weise dokumentiert, wo man sieht, was Mataré konnte, und wo man auch sieht, dass Mataré eben nicht nur der Beuys-Lehrer war, sondern Erwin Heerich. Wenn ich das sagen darf: Erwin Heerich ist unter anderem in erster Linie als Architekt bekannt. Er hat die Insel Hombroich gestaltet. Aber Erwin Heerich war eben auch ein bildender Künstler, der aber im Gegensatz zu Beuys ganz scharf geometrisch, fast kubistisch so gefaltete Formen machte. Und plötzlich sehen Sie jetzt in dieser Aachener Ausstellung, die thematisch gegliedert ist: Aha, bei diesen Fenstern für das Aachener Rathaus zum Beispiel oder bei bestimmten Kühen – das ist das Markenzeichen von Mataré -, die liegenden Kühe, weil er gesagt hat, wenn Kühe stehen, diese staksigen Beine, das sieht furchtbar aus. Aber wenn eine Kuh liegt, dann hat sie so ein Volumen und dann ist das eine schöne Form.

    Fischer: Die "große liegende Kuh" aus den frühen 30er-Jahren ist ja auf den Einladungen zu dieser Ausstellung abgebildet. Nun hat er, Sie sagen es, so viele Kühe gemacht, sitzend, liegend, stehend, vor allem sitzend, klein, groß, aus Bronze oder als Zeichnung. Warum eigentlich?

    Vielhaber: Er wollte das Tier aus dem Block befreien. Dazu muss man sagen, er ist in Aachen-Burtscheid – das ist auch fast auf dem Land – aufgewachsen. Er hat dann in der Nähe von Düsseldorf, in Büderich am Niederrhein, gewohnt und hat offenbar diese Kühe immer in ihrer Wesenhaftigkeit gesehen und in ihrer Form. Ich glaube nicht, dass die Kuh an sich so ein tolles Tier ist. Aber Sie sehen das in dieser Ausstellung: In dem Moment, wo er Kühe plastisch gestaltet und die stehen auf diesen staksigen Beinen, wirkt das fast ungeschlacht. Aber in dem Moment, wo sie da liegen, dann sind sie also wirklich eine Form. Ich kann nur sagen: Handschmeichler. Sie möchten da drüberstreicheln. Und diese Kuh, die Sie ansprechen, das ist ja das Wesen dieser Sammlung von Kornelimünster. Das Land Nordrhein-Westfalen hat nicht nur junge Künstler unterstützt mit Ankäufen, sondern alles das, was sich die, ich sage mal, Politiker nicht in ihr Büro holen, wird da draußen gelagert. Und diese wunderbare Kuh war jahrelang bei dem Wirtschaftsminister Matthiesen und die konnte man nie für eine Ausstellung ausleihen. Es war wirklich seine heilige Kuh. Dass später andere Minister kamen, oder Ministerinnen für Landwirtschaft und Umwelt, die damit vielleicht weniger anfangen konnten, hat damit zu tun, dass die Kuh jetzt da zu sehen ist und wieder im Besitz ist.

    Fischer: Und jenseits dieses Mataré-Jubiläums, Frau Vielhaber, was ist denn das Reizvolle für uns heute an dieser vorsichtigen Abstraktion, sage ich jetzt mal, die wir bei Mataré nachvollziehen können?

    Vielhaber: Ich glaube, in dieser Ausstellung kann man endlich mal sehen, dass Mataré, der viel gereist war, der auch in Paris war, der auch gesehen hat, was Kubismus ist, was Abstraktion ist, der mit Sicherheit parallel zu Brancusi oder Brancouge in Frankreich eine Abstraktion von Formen geschaffen hat, die ihresgleichen sucht. Gleichwohl ist es eben auch immer der fromme Künstler und der Kirchenkünstler, auch wenn Sie in dieser Ausstellung eine wundervolle Pietá sehen oder einen Christus. Aber er ist wieder zu entdecken oder ich muss sagen neu zu bewerten, und das ist da ganz gut gelungen.

    Fischer: Herzlichen Dank an Christiane Vielhaber für diesen Einblick in die Ausstellung Ewald Mataré in der Reichsabtei Kornelimünster in Aachen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.