Die Bundesbürger sind zu Millionen in Kurzarbeit oder ganz arbeitslos. Nicht wenige berufliche Existenzen stehen vor dem Aus. Jörg Antoine, Konsistorialpräsident der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische-Oberlausitz, kurz EKBO, wundert sich, wenn er auf die Kirchenmitgliederstatistik schaut.
"Man würde ja an sich erwarten, dass in wirtschaftlich schwierigen Zeiten der Kirchenaustritt näher liegt, weil die Menschen ja auch in finanziell schwieriger Lage sind. Wir merken aber das umgekehrte Phänomen. Wir stellen immer wieder fest, dass in der Krise die Verbundenheit zur Kirche größer ist."
Die beiden großen Kirchen leben finanziell vor allem von der Kirchensteuer. Und die geht jetzt voraussichtlich um zehn bis fünfzehn Prozent zurück. Auch weil Millionen Selbständige und Kleingewerbetreibende derzeit keine oder weniger Steuervorauszahlungen leisten. Das bedeutet beispielsweise in der EKBO ein Loch von rund 40 Millionen Euro für dieses Jahr. Nun muss, ähnlich wie es die bayrische Landeskirche vorgemacht hat, eine Art kirchlicher Rettungsschirm gespannt werden. Ein Mix aus mehreren Maßnahmen.
EKBO: Sparmaßnahmen, aber keine Kündigungen
"Es gibt verschiedene Ausgaben, die keine fixen Ausgaben im Jahr sind. Das betrifft Investitionen in Gebäude, Neuprojekte, die werden erst mal sehr wahrscheinlich zurückstehen müssen. Als Weiteres werden wir den Personalbestand anpassen müssen. In der Tendenz Einstellungsstopp. Was wir allerdings haben, sind Vorgaben für Personalkostenrücklagen, die sich in einem halben Jahr und in einem Jahr bewegen und die uns ermöglichen, in allen Schritten, die wir gehen, die auch sozialverantwortlich zu gehen."
Es soll keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Defizite will man kurzfristig also mit kircheneigenen Rücklagen ausgleichen. Andere Ressourcen fallen derzeit allerdings so gut wie weg. Aktien etwa.
Antoine: "Die Vermögensanlage ist differenziert. Es gibt immer auch einen Maximalbetrag, der in Aktien angelegt werden darf. Der liegt zwischen 20-30 Prozent Aktienanteil. Wir haben immer Wert gelegt auf Nachhaltigkeit, wir gehen nicht so in die Risiken rein. Das hat Auswirkungen auf die Zinssätze, die nicht so nach oben hin orientiert sind. Natürlich wird uns das auch treffen, die Weltwirtschaftskrise. Das ist keine Frage."
Zwar würden Mitarbeitende etwa aus den kirchlichen Akademien jetzt in Kurzarbeit geschickt, da die Häuser derzeit geschlossen sind. Eine dauerhafte Gehaltskürzung müsste aber mit den Tarifpartnern oder den Mitarbeitervertretungen erst ausgehandelt werden und sei damit unrealistisch.
Ruheständler wollen helfen
Und bei den Kirchenbeamten? "In der beamtenähnlichen Struktur der Besoldung, die wir bei Pfarrerinnen und Pfarrer haben, teilweise in der Verwaltung, gilt der Alimentationsgrundsatz. Das heißt, es gibt kein festgelegtes Gehalt. Es gibt ein Treueverhältnis, das für eine angemessene Besoldung zu sorgen hat. Insofern kann es möglich sein, dass man in den nächsten Jahren Gehaltssteigerungen eher aussetzt. Ob man wirklich auch Gehaltskürzungen macht, das ist theoretisch möglich. In der Praxis hat das aber bisher noch keiner gedacht", so Antoine.
Und ein freiwilliger Obolus? Zumindest habe es jetzt Schreiben aus dem Bereich der Ruheständler gegeben, die in der Not ihr Scherflein beitragen wollen für Hilfsbedürftige, sagt Kirchenjurist Jörg Antoine:
"Wir haben jetzt vor Augen diejenigen, die im Theologiestudium sind und denen ihre Jobs weggebrochen sind, weil sie eben in der Gastronomie ihre Jobs haben. Ich kann mir vorstellen, dass die, die bereit sind, Solidarität auszuüben, und der Bedarf sich decken könnten. Das prüfen wir im Moment."
Bistümer wollen mit Augenmaß vorgehen
Ob all diese Maßnahmen die Millionen Mindereinnahmen insgesamt ausgleichen werden, kann noch niemand seriös beziffern. Noch bewege man sich im Bereich der Schätzungen, die allerdings schon zum Handeln zwingen. Das Bistum Mainz etwa hat Anfang April eine Haushaltssperre verhängt. Andere katholische Bistümer reagieren ähnlich wie die evangelischen Landeskirchen.
"Man kann noch hinzufügen: Das Bistum Osnabrück hat jetzt in diesen Tagen auch einen Einstellungsstopp verfügt, Baumaßnahmen gestoppt und ähnliches. Ich glaube, dass jedes Bistum hier mit Augenmaß im hohen Verantwortungsbewusstsein seine Schritte setzen wird, die in dieser auf uns zukommenden Krise zu setzen sind."
Sagt Matthias Kopp, Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz in Bonn am Telefon. Nicht nur der Rückgang des Kirchensteueraufkommens kommt auf die Bistümer zu, sondern auch Einnahmeverluste durch die corona-bedingten Schließungen von Bildungs- und Tagungshäusern, Zahlungsausfälle bei der Erwachsenen- und Familienbildung, Ausfall von Kollekten und Mieteinnahmen etwa durch ausfallende Konzerte in Kirchen. Ähnlich wie in der Politik gilt nun auch für die Kirche, dass es einen Status ante Corona nicht mehr geben wird. Nun müsse geprüft werden, von welcher kirchlichen Arbeit man sich verabschieden müsse.
Mitgliederschwund: "Schulden wären unverantwortlich"
"Nicht in Panik zu verfallen, aber allen ist klar, ein Weiter-So wie bisher wird es nicht geben", sagt Kopp.
Könnte die Politik jetzt Vorbild für die Kirchen sein? Schließlich hat sich die Bundesregierung längst von der Schwarzen Null verabschiedet und neue Schulden aufgenommen. Für den evangelischen Konsistorialpräsidenten Jörg Antoine ist das allerdings kein Weg.
"Die Bundesregierung hat ja auch die glückliche Situation, dass ihre Bevölkerung nicht sinkt. Rechtlich dürften wir Schulden aufnehmen. Das wäre aber doch unverantwortlich, denn die Aufnahme von Krediten verlagert die Tilgung in die Zukunft. Das heißt, wir konsumieren heute auf Kosten derjenigen in der Zukunft. Und das bei einem zurückgehenden Kirchenmitgliederbestand. Das halte ich für nicht verantwortbar."
Eine Corona-Austrittswelle bleibt zwar aus, der Mitgliederschwund aber bleibt.