Manuela Schwesig: Wir werden diese Entscheidung gemeinsam in der Koalition treffen, so wie alle Entscheidungen, und wir müssen natürlich die Anliegen der Mütter und Väter, die arbeiten gehen, im Blick behalten, denn es sind diese Frauen und Männer, die dafür sorgen, dass wir zurzeit gute Steuereinnahmen haben, die dafür gleichzeitig sorgen, dass wir mehr Geburten haben.
Und jetzt kann man sich ja nicht darüber beschweren, mehr Kinder, mehr Bedarfe bei Elterngeld und Kita. Denn wir haben natürlich die Situation, dass die Eltern, die jetzt Kinder bekommen haben, auch bald einen Kita-Platz wollen. Viele Flüchtlingskinder kommen jetzt in die Kitas. Wir brauchen mehr Sprachförderung, mehr Qualität in den Kitas. Damit können wir Kommunen und Ländern nicht allein lassen, und deshalb finde ich es sehr sinnvoll, diese frei werdenden Mittel aus dem Betreuungsgeld in diesem Bereich zu investieren.
"Gelder müssen Familien zugute kommen"
Brinkmann: Aber Sie haben auch argumentiert, dass dieses Geld unbedingt den Familien zugutekommen müsse, und das tut es doch letztendlich auch, wenn man an das Elterngeld denkt.
Schwesig: Das Elterngeld wird doch sowieso bezahlt, aber das Betreuungsgeld war bisher eine zusätzliche Leistung, leider versprochen ohne die Garantie, dass es eigentlich bleiben kann. Es war immer klar, dass es große verfassungsrechtliche Bedenken gibt. Und jetzt sind wir doch in der Pflicht, dort, wo andere Baustellen für Eltern sind – bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, wegen fehlender Kita-Plätze, durch mehr Inanspruchnahmen eben auch durch Flüchtlingskinder –, dort jetzt auch Eltern zu unterstützen.
Ich möchte es noch mal sagen, auch zu einer verantwortungsvollen Finanzpolitik gehört, dass wir in die Vereinbarkeit von Beruf und Familie investieren. Das sind keine Wohlfühlgeschenke für Eltern, sondern Notwendigkeiten. Wenn Mütter und Väter nicht arbeiten, dann gibt es auch keine Steuereinnahmen für den Finanzminister.
Brinkmann: Und Sie wollen die Eltern ja auch weiter unterstützen, stellen Sie in Aussicht, mit Ihrem neuen Programm KitaPlus soll es künftig mehr Kitas mit flexiblen Betreuungszeiten geben. Welche Anforderungen müssen diese Kitas denn erfüllen, damit sie ab 2016 von Ihnen gefördert werden?
Schwesig: Wir wollen vor allem Kitas unterstützen, die Betreuungszeiten anbieten, die über die übliche Betreuungszeit von acht bis 16 Uhr hinausgehen. Konkretes Beispiel: Ich habe mir heute gerade hier in Mainz die Kita der Uniklinik angeschaut. Die bietet die Randzeiten an von sechs Uhr morgens bis 20 Uhr am Abend, und auch noch samstags bis nachmittags, weil natürlich viele Pflegekräfte, aber auch Ärztinnen und Ärzte im Schichtdienst arbeiten und für ihre Kinder passende Angebote brauchen.
Wenn Kitas Kommunen sagen – und wir haben dort schon Kommunen, die sagen, wir brauchen so was – wir wollen diese Randzeiten bei uns einführen, dann gibt es ab Januar nächsten Jahres eine Förderung von bis zu 200.000 Euro im Jahr für jeweils drei Jahre oder pro Jahr dann. Und damit können natürlich zum Beispiel auch Personalkosten, die dann ja zusätzlich anfallen, mit finanziert werden.
Brinkmann: Randzeiten sind Abendstunden, haben Sie gerade gesagt, aber auch vielleicht die Nacht. Da sind Kita-Kräfte ja noch einmal ganz anders gefordert. Wie sorgen Sie denn dafür, dass auch die Betreuungsqualität in diesen sogenannten Randzeiten nicht leidet?
Schwesig: Natürlich stehen für diese Randzeiten genauso gut ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher auch für Nachtzeiten zur Verfügung wie zu den üblichen Betreuungszeiten.
Wir begleiten das Programm mit nicht nur einer betriebswirtschaftlichen Projektmanagerin oder einem Manager, sondern auch mit pädagogischer Begleitung. Die Inhalte, die Pädagogik in den Kitas muss stimmen. Dass Qualität auch zu anderen Betreuungszeiten als bisher üblich gewährleistet werden kann, das sieht man an den Kitas, die das schon längst tun.
"Wir brauchen gut ausgebildetes Personal"
Brinkmann: Bundesweite Qualitätsstandards wünschen sich viele Eltern. Das ist auch das Ergebnis des IFO-Bildungsbarometers, über das wir in dieser Woche berichtet haben. Immerhin 86 Prozent der Befragten haben sich dafür ausgesprochen, und die wären ja auch in diesem Fall vielleicht ganz sinnvoll. Wann kommen die, diese Standards?
Schwesig: Ich habe für diese Forderung ein großes Verständnis und setze mich deshalb ein für mehr Qualität in Kitas. Das ist der aktuelle Streit um die frei werdenden Mittel aus dem Betreuungsgeld. Qualität hat auch ihren Preis. Wir brauchen Personal für die Kitas, auch gut ausgebildetes, und das ist natürlich für Kommunen und Länder nur umsetzbar, wenn auch der Bund sich beteiligt. Und wir haben uns ja in der Großen Koalition auch darauf verständigt, die Qualität zu verbessern, und jetzt sollten wir auch das Versprechen für die Familien, aber auch für die Erzieherinnen und Erzieher einlösen.
"Ich finde es wichtig, dass wir etwas machen, was auch wirklich in der Praxis ankommt"
Brinkmann: Wenn diese Standards auch überprüfbar wären, vorlägen, bundesweit, für alle gleich, dann wären sie ja vielleicht sogar auch einklagbar. Haben Sie da ein bisschen Angst davor?
Schwesig: Nein, überhaupt nicht. Aber ich sehe bis auf Weiteres keine Möglichkeit, ein Qualitätsgesetz mit einheitlichen Standards bundesweit zu machen, weil die Unterschiede sehr groß sind. Und bisher haben es alle Länder, alle Ministerpräsidenten abgelehnt, sich auf solche einheitlichen Standards zu verständigen. Was aber die Länder sagen, ist, dass, wenn der Bund ihnen Geld zur Verfügung stellt, zum Beispiel aus den frei werdenden Mitteln des Betreuungsgeldes, würden sie gern den nächsten Schritt, zum Beispiel Verkleinerung der Gruppen, mehr Sprachförderung gehen. Und ich finde es wichtig, dass wir etwas machen, was eben auch wirklich in der Praxis ankommt.
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