Positiv überrascht, so fällt die erste Reaktion von Claudia Menschel aus. Sie ist eine der drei Leipziger Mütter, die vor dem BGH geklagt hatte: "Super erleichtert, sehr glücklich. Es ist einfach so ein Punkt, das BGH hat zu unseren Gunsten gesprochen, besser hätte es nicht ausgehen können." Das sagte sie gestern dem MDR-Sachsenspiegel.
Die drei Mütter hatten die Stadt Leipzig verklagt, weil sie keinen Krippenplatz für ihre ein Jahr alten Kinder bekommen hatten - obwohl Kinder von ihrem ersten Geburtstag an seit August 2013 einen Rechtsanspruch darauf haben. Der Bundesgerichtshof gab gestern den Müttern Recht. Sie haben grundsätzlich Anspruch auf Schadenersatz, weil sie nicht - wie geplant - wieder zur Arbeit gehen konnten. Allerdings müssten die Kommunen nicht zahlen, wenn sie nachweisen können, dass sie trotz sorgfältiger Bedarfsplanung keine Krippenplätze zur Verfügung stellen konnten.
Oberlandesgericht muss nun neu entscheiden
Der Anwalt von Claudia Menschel wirft der Stadt Leipzig vor, nach dem Inkrafttreten des Rechtsanspruches untätig geblieben zu sein. Die Stadt Leipzig betonte gestern in einer ersten Reaktion, dass sie diese Wahrnehmung nicht auf sich sitzen lassen wolle. Stadtsprecher Matthias Hasberg: "Wir werden im nächsten Jahr acht neue Kitas bauen, wir hatten im letzten Jahr 20 Kitas. Das geht schon seit Jahren so. Und wird auch noch Jahre so gehen."
Der Rechtsstreit zwischen der Stadt und den Müttern ist noch nicht völlig geklärt. Der Bundesgerichtshof verwies die Verfahren zurück an das Oberlandesgericht Dresden. Dort muss nun geklärt werden, wie schwer die Amtspflichtverletzung der Stadt Leipzig wiegt und wie hoch der Schaden für die Frauen ist. Die Stadt muss nur zahlen, wenn sie das Fehlen der Kitaplätze selbst verschuldet hat.
Keine Klagewelle befürchtet
Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, befürchtet wegen dieser Einschränkung keine Klagewelle. Er sagte im Deutschlandfunk: "Es wird vielleicht auch zu wenig in den Blick genommen. Als habe der BGH entschieden: Ich kriege keinen Platz. Zack, kriege ich Verdienstausfall. Der BGH hat gesagt, es ist möglich, dass ich ihn kriege. Aber unter einschränkenden Voraussetzungen, nämlich dass die Stadt schuldhaft gehandelt hat."
Gerd Landsberg verwies darauf, dass es in den vergangenen drei Jahren, seitdem der Rechtsanspruch gelte, es nur Klagen in zweistelliger Höhe gegeben habe. Er erklärte, dass die Städte möglichst exakt planen und bei Problemen auf einvernehmliche Lösungen mit den Eltern setzen müssten, wie zum Beispiel auf einen Ersatzplatz bei einer Tagesmutter.
Erfolge beim Kita-Ausbau
Außerdem habe es - bei aller öffentlichen Kritik - auch Erfolge beim Kita-Ausbau gegeben, so Landsberg. Die Situation in den Kommunen sei oft besser als ihr Ruf. "Und das zeitigt ja auch Erfolge, wir haben jetzt 719.000 Plätze. Wenn sie mir das vor drei Jahren gesagt hätten, hätte ich gesagt, träumen sie weiter."
Allerdings gebe es auch neue Herausforderungen, durch eine gestiegene Geburtenrate gebe es mehr Kinder. Zudem seien viele Flüchtlinge mit Familie eingereist, hinzu komme der Trend, dass Frauen früher in den Beruf zurückkehren wollten. Landsberg fordert deshalb mehr finanzielle Unterstützung vom Bund für die Kommunen. "Also wir müssen mehr Leute ausbilden. Wir brauchen mehr Grundstücke. Und wir brauchen mehr Unterstützung von Bund und Land. Den Rechtsanspruch haben nicht die Kommunen formuliert, sondern der Bund."
Aus der Bundespolitik reagierte SPD-Familienministerin Manuela Schwesig gestern auf das BGH-Urteil. Sie finde die Entscheidung positiv. Kinderbetreuung habe einen wichtigen Stellenwert für Eltern, deshalb sei der Rechtsanspruch gut. Sie werde sich dafür einsetzen, dass der Ausbau weitergehe. Zwischen 2006 und 2016 seien bereits mehr als 400.000 neue Plätze entstanden. Trotzdem decke das Angebot noch nicht überall den Bedarf der Eltern, so Schwesig.