Gut 1.000 Kitaleiterinnen und -leiter vor allem aus dem Westen der Republik treffen sich in Dortmund. Sie informieren sich über neue pädagogische Konzepte, sie hören in Vorträgen, wie sie Konflikte unter ihren Mitarbeiterinnen besser regeln können oder lassen sich von Ausstellern neues Kitamobiliar zeigen. Vor allem aber tauschen sie sich aus, über die ganz alltäglichen Probleme, mit denen Erzieherinnen in deutschen Kitas konfrontiert sind. Und die haben vor allem mit mangelnder Zeit zu tun, sagt Iris Kellermann, die eine Kita in Siegburg leitet:
"Man muss eben, wenn man schlecht besetzt ist, auf viele Kinder aufpassen und hat dann für das einzelne Kind einfach nicht so viel Zeit wie es nötig wäre oder wie wir denken, dass es pädagogisch sinnvoll wäre."
Der Grund: die meisten Einrichtungen sind schlicht unterbesetzt. Viele Kitaleiter auf dem Kongress klagen, dass sie wegen Krankheit, Urlaub und Fortbildungen nicht so viel Personal haben, wie es auf dem Papier steht. Und selbst das reicht oft nicht aus, um alle Aufgaben zu erfüllen, welche die Politik den Kitas in den vergangenen Jahren übertragen hat, meint etwa Petra Kilian aus Stuttgart.
"Das bedeutet natürlich, dass die Kolleginnen verstärkt in der Arbeit mit den Kindern sind. Dass Besprechungszeiten, Vor- und Nachbereitungszeiten, Zeiten für Elterngespräche einfach hinter runter fallen oder massiv gekürzt werden, um den Kitaalltag zu bewältigen, weil die Kinder sind da und die Kinder haben auch diesen Vorrang."
Nur mittelmäßige Qualität bei der Betreuung
Damit aber verkomme die frühkindliche Kinderbetreuung zur reinen Kinderverwahrung, fürchtet Petra Kilian. Denn Arbeiten wie ...
"... dass ich Beobachtungen machen kann, dass ich sie auswerten kann, dass ich aus diesen Beobachtungen Rückschlüsse ziehe, dass ich ein Portfolio führe, um mit den Eltern ein gutes Entwicklungsgespräch auch führen zu können, aus meinen Beobachtungen heraus. Diese Arbeiten fallen hinten runter und das schmälert einfach die Qualität der Arbeit und auch die Arbeitszufriedenheit."
Den Eindruck vieler Kitaleiter, dass es hapert mit der Qualität der frühkindlichen Bildung, bestätigen auch die Bildungsexperten auf dem Kongress. Wolfgang Tietze etwa, emeritierter Professor der FU Berlin, war an einer groß angelegten Studie zur Bildungsqualität an deutschen Kitas beteiligt.
"Die Qualität insgesamt ist in den Einrichtungen in Deutschland im mittelmäßigen Bereich. Wichtig ist zu sehen, dass zehn Prozent der Einrichtungen mit unzureichender Qualität da sind, und das ist eigentlich etwas, was wir ändern müssen."
Die Qualitätsunterschiede zwischen den Kitas in Deutschland seien massiv. Und das habe massive Folgen für die betroffenen Kinder, betont Wolfgang Tietze:
"Ein und dasselbe Kind, aus derselben Familie stammend, hat in unserer schwächsten Einrichtungen beispielsweise den Entwicklungsstand eines Vierjährigen, in unserer pädagogischen Topeinrichtung hätte dieses Kind den Entwicklungsstand eines Fünfjährigen. Und es geht hier um eine Jahresdifferenz in einer Phase mit einer extrem beschleunigten Entwicklung."
Mehr Geld gefordert
Tietze fordert deshalb, dass die Politik in Bund, Land und Kommunen viel stärker evaluieren müsse, wie es tatsächlich um frühkindliche Bildung in den einzelnen Kitas bestellt ist. Vor allem aber müsse die Politik mehr Geld in die Hand nehmen. Das wünscht sich auch Bernhard Eibeck von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.
"Wir müssen deutlich mehr Personal in die Einrichtungen bringen, und zwar qualifiziertes Personal, Fachpersonal. Und wir müssen dafür sorgen, dass wir dieses Personal auch angemessen bezahlen. Nicht zuletzt deshalb, weil man sonst schlicht und ergreifend auch kein Fachpersonal gewinnen kann, für die Bezahlung, die jetzt angeboten wird."
Bislang, so beklagt Eibeck, würden sich Politik und Träger der Einrichtungen in der Frage der Bezahlung gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben. Weil dieses Pingpongspiel durchaus noch eine Weile weiter gehen kann, ist klar, dass Druck aufgebaut werden muss, damit sich etwas ändert. Dazu leistet so ein Kongress einen kleinen Beitrag, findet Rainer Becker, der Vorsitzende der Deutschen Kinderhilfe.
"Wichtig ist eigentlich, dass dieser Kongress auch eine Stimme ist, einmal um die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach außen zu vertreten, und gleichzeitig, um sie auch untereinander mehr zusammen zu bringen und auch mehr Solidarität zu erreichen."
Nur solidarisch lässt sich auch etwas gegen das Bild ausrichten, das in vielen Köpfen vom Arbeitsalltag in deutschen Kitas noch vorherrscht, glaubt auch Kitaleiterin Beate Spitzer aus Selm:
"Das man immer noch mal den Spruch hört, was habt Ihr einen tollen Job, ihr spielt den ganzen Tag mit Lego und bekommt auch noch Geld dafür."