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Kitas aus dem Baukasten

Ab August 2013 haben Eltern einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für ihre unter dreijährigen Kinder. Längst nicht alle Kommunen werden den Anspruch erfüllen können. Die Bielefelder Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft bietet Städten und Gemeinden bundesweit an, Kitas in Fertigbauweise zu errichten.

Von Jörn Haarmann |
    Eine große Baustelle im Bielefelder Osten: Hier, im Stadtteil Baumheide, entsteht erstmals eine Kindertagesstätte komplett in Fertigbauweise. Die Arbeiten sind bereits in vollem Gange; ein großer Kran wartet schon darauf, die Modulteile an die richtigen Stellen zu heben. Mehrere Arbeiter sind zeitgleich mit letzten Handgriffen am Betonfundament beschäftigt:

    "Hier wird gerade die Sohle gefertigt, entsprechende Grundleitungen sind schon verlegt, die Wände stehen abholbereit im Herstellungsbetrieb. Für die gesamte Außenfassade rechnen wir damit, dass die in zehn Tagen hier steht. Die ganze Kita wird circa im Mai 2013 betriebsbereit hier stehen,"

    ... ist Carsten Boberg überzeugt. Er ist technischer Leiter der Bielefelder Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft BGW, die als nach eigener Darstellung erstes Unternehmen Kindertagesstätten in Modulbauweise anbietet.

    Umweltschonend überwiegend aus Holz, zweigeschossig und von außen fröhlich knallbunt gestrichen. Die Vorgaben, etwa die genaue Größe der Gruppenräume, kommen von den Landesjugendämtern:

    "Die Kita hat letztendlich drei Gruppen, sprich drei Gemeinschaftsräume, mit anschließenden Nebenräumen, zum Beispiel zum Schlafen und Spielen. Die Kita hat eine Küche, Büros, Personalräume, hat einen Aufzug, und sie hält genau die entsprechenden Förderquadratmeter ein, die ein Träger wirklich bezuschusst erhält,"

    … damit er die Kita möglichst kostenneutral bauen kann, ohne eigenes Geld zuschießen zu müssen, so die Idee.

    Zehn Kindertagesstätten dieser Art baut die BGW in nächster Zeit allein für die Stadt Bielefeld. Denn die ist zu 75 Prozent Mehrheitsgesellschafter, den Rest teilen sich die Landesentwicklungsgesellschaft Nordrhein-Westfalen und die Baugenossenschaft Freie Scholle. 1950 wurde die BGW gegründet und ist seitdem gemeinnützig. Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte sie schnell neuen Wohnraum schaffen. Aktuell ist die Gesellschaft für rund 12.000 Wohnungen zuständig, um die sich - neben anderen Projekten - insgesamt 150 Mitarbeiter kümmern. Geschäftsführer Norbert Müller:

    "Wir bauen Wohnungen, nach wie vor, ansonsten ist die Hauptinvestitionstätigkeit im Bestand, diese 12.000 Wohnungen müssen fit gehalten werden, energetisch ertüchtigt werden. Wir bewirtschaften für Dritte Wohnungen, wir sanieren und verwalten auch für die Sparkassen Immobilien. Sie müssen sich die ganze Palette vorstellen von Immobiliendienstleistungen, die wir hier auch erbringen."

    Dazu gehören ebenfalls fünf Studentenwohnheime, die die Wohnungsgesellschaft im Portfolio hat; zudem ist sie zuständig für die technische Betreuung, Modernisierung und Instandhaltung der innerstädtischen Frei- und Hallenbäder sowie der Eisbahnen. Insgesamt leben rund 40.000 Menschen in Wohnungen der BGW. Haupteinnahmequelle sind die Mieteinnahmen, mit denen sie jährlich rund 60 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet:

    "Wir sind ein Unternehmen, gegründet auch in einer Wirtschaftsform, die im Grunde unabhängig von der Kommune agiert, das keine Zuschüsse erhält von der Kommune, sondern nur die Zuschüsse, die jeder andere auch erhalten wird, wir müssen also selbst uns erwirtschaften, und das gelingt uns auch ganz gut."

    Mit der neuen Idee, Städten und Gemeinden Kitas in Fertigbauweise anzubieten, will sich die BGW jetzt eine weitere Einnahmemöglichkeit erschließen; Hintergrund ist der bundesweite Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz ab dem kommenden Jahr, den Eltern für ihre unter dreijährigen Kinder haben. Dafür muss der entsprechende Platz her, den Städte und Gemeinden aber oft nicht so schnell schaffen, sprich bauen, können. Darin sieht Norbert Müller einen vielversprechenden Markt:

    "Für die Städte ist das insofern lohnenswert, weil eine schnelle Bauweise durch die Modulbauweise ermöglicht wird, sie haben Kostensicherheit von Anfang an. Hier in Bielefeld bauen und vermieten wir die Kitas an Träger, ganz normal. Bei anderen Kommunen ist es so, dass wir die Planung verkaufen, die komplette Planungsleistung. Da wird einfach eine CD übergeben, Statiken, Fachingenieure; man kann also diese CD anhängen eine Ausschreibung dranhängen und kann mehrere Generalunternehmer fragen, ob sie die bauen wollen, Preise abgeben, es braucht nichts mehr geplant zu werden."

    Der hohe Grad an vorgefertigten Teilen und Mehrfachbestellungen bei ein und denselben Herstellern, möglichst aus der jeweiligen Region – auch das soll helfen, die Kosten zu drücken und jeden Kita-Bau für die Städte deutlich günstiger machen. Das Projekt stößt bislang vor allem bei finanzschwachen Städten auf großes Interesse, so Müller:

    "Wir haben relativ viele Nachfragen von anderen Kommunen, das sind Kommunen in Nordrhein-Westfalen Dortmund, Bochum, Essen, das ist das Landesjugendamt Niedersachsen, die gefragt haben. Wenn Sie ein entsprechendes Grundstück haben, wo die Ausrichtung nach Süden ist, damit der Passivhausstandard auch gewahrt wird, können Sie diese Kitas überall bauen."

    Und später einfach wieder abbauen oder weiternutzen, etwa als Büros, so die Idee, falls der Kita-Bedarf doch nicht mehr nicht mehr gegeben ist. Denn durch die Modulbauweise lassen sich beispielsweise viele Innenwände versetzen, um die Größe der Räume zu verändern. Auch davon verspricht sich die BGW neue Kunden.

    Für die Zukunft will der Immobiliendienstleister nicht nur die Jungen in den Blick nehmen, sondern auch die Älteren, und Menschen mit Behinderungen. Geplant ist, das sogenannte "Bielefelder Modell" möglichst auch überregional auszubauen, das die BGW mit der Stadt Bielefeld und einem sozialen Dienstleister seit den 90er-Jahren entwickelt:

    "Versorgungssicherheit im Alter zu haben, da bieten wir ein Wohnmodell an, wo man barrierefreie Wohnungen hat. Und in der Wohnanlage integriert ist ein Servicestützpunkt, mit einem Dienstleister, der rund um die Uhr vor Ort ist bei medizinischen, pflegerischen Hilfen, bei hauswirtschaftlichen Hilfen. Es gibt keine Betreuungspauschale, man bezahlt wirklich nur das, was man in Anspruch nimmt."

    Und es gibt noch eine Vision:

    "Ich gehe zum Beispiel davon aus, dass die Wohnung als Gesundheitsstandort eine immer größere Bedeutung kriegt: Internet, Telemedizin werden da eine große Bedeutung bekommen. Und wir als Immobilienwirtschaft sind im Grunde genommen diejenigen, die dafür die Voraussetzungen zu schaffen haben, also die Infrastruktur in den Wohnungen."