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Klänge aus dem Iran

Die Klangwerktage 2011 legen in diesem Jahr den Schwerpunkt auf zeitgenössischer Musik aus dem Iran. Beim mehrtägigen Festival in Hamburg tritt dabei das Iranian Orchestra for Contemporary Music erstmals im Ausland auf.

Von Dirk Schneider |
    Für den iranischen Komponisten Alireza Mashayekhi ist die persische Musik per se multikulturell: Sie speist sich aus einer Tradition von über 30 verschiedenen Völkern. Wenn er seine eigenen Kompositionen allerdings als "multikulturell" bezeichnet, meint er damit Einflüsse aus aller Welt.

    Der 1940 geborene Pionier der sinfonischen persischen Musik hat in Wien Komposition studiert. Zurück im Iran, hat er das einzige Orchester des Landes für zeitgenössische Musik gegründet, das er seit 20 Jahren leitet. Dass die Arbeit mit seinem Orchester im Gottesstaat nicht leicht ist, kann er nur andeuten:

    "Es ist ein Kampf. Für jeden, der in seinem Wissen vorankommen möchte, ist es ein Kampf, ob es in Deutschland ist oder in Teheran. Umstände machen diesen Kampf manchmal schwieriger, das ist wahr."

    Auch sein Namensvetter, der Komponist Nader Mashayekhi, hat in Wien studiert, allerdings eine Generation später. Er ist dort geblieben, bis er im Jahr 2006 als Chefdirigent des Teheraner Sinfonie Orchesters in die alte Heimat gerufen wurde. Eine große Herausforderung für den 1958 in Teheran Geborenen. Er musste feststellen, wie schwer sich seine Landsleute mit ernster Musik tun:

    "Sie hören gar nicht zu. Ich habe oft bei Konzerten aufpassen müssen, wenn eine kurze Pause kommt, dass ich mit meinen Händen den Leuten irgendwie klar mache, dass das Stück noch nicht zu Ende ist. Sofort haben sie angefangen zu applaudieren. Das bedeutet, dass sie einfach nicht zugehört haben."

    Für Nader Mashayekhi ist die persische Kultur eher visuell geprägt. Dennoch hat er festgestellt, dass es viele junge und sehr begabte Musiker im Iran gibt. Mit ihnen hat er 2007 das Junge Philharmonische Orchester Teheran gegründet, das unter anderen vom späteren Präsidentschaftskandidaten Mir Hossein Mossawi gefördert wurde. Als dessen Anhänger 2009 auf die Straßen gingen, um gegen die gefälschten Wahlen zu protestieren, befand sich Orchesterchef Mashayekhi gerade in Europa. An eine Rückkehr in den Iran war danach nicht zu denken:

    "Ich war sowieso nie politisch. Trotzdem war es kritisch, weil ich gewisse Äußerungen gemacht habe in den Zeitungen, die höchstwahrscheinlich gefährlich wären, dass das missverstanden wurde."

    Beide Komponisten werden jetzt bei den Hamburger Klangwerktagen Werke zur Aufführung bringen – das Festival für Neue Musik hat dieses Jahr einen Iran-Schwerpunkt. Für Alireza Mashayekhis Orchester wird dies der erste Auftritt im Ausland sein, eine kleine Sensation.

    Anliegen der Klangwerktage ist es, einem breiteren Publikum zeitgenössische ernste Musik zu vermitteln, denn diese habe es heute so schwer wie nie. So akademisch und abstrakt wie ihr Ruf sei sie längst nicht mehr, betont Christiane Leiste, die künstlerische Leiterin des Festivals:

    "Heutzutage ist Neue Musik eigentlich schon wieder etwas sehr Sinnliches. Fast zum Anfassen, also geht richtig rein. Also, ich finde es ein Abenteuer. Wenn man es schafft, seine Hörgewohnheiten zu überwinden und hinter sich zu lassen. Es ist wirklich wie ein Abspringen."

    Insofern dürften die Klangwerktage auch dem ungeübten Hörer viel zu bieten haben - so er nur bereit ist, zuzuhören. Daran glauben auch die Komponisten: Nader Mashayekhi geht es um das reine, konzentrierte Lauschen auf den Klang: Wer dies beherrscht, den werde die Musik verändern. Und Alireza Mashayekhi ist davon überzeugt, dass seine Musik ohnehin von jedem Menschen anders verstanden wird:

    "Sie können nicht von vorne herein eine Essenz für die Musik bestimmen. Die Musik macht da nicht mit. Musik geht ihren eigenen Weg."

    Mehr Informationen zum Festival:

    Klangwerktage 2011: Festival für zeitgenössische Musik (01. bis 04.12.2011)