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Klage gegen die Bankenunion
Zu viele Kompetenzen bei der EZB?

Die Klage gegen die Europäische Bankenunion, die heute vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt wird, wurde bereits vor vier Jahren eingereicht. Ein Urteil wird es wohl erst in einigen Monaten geben. Möglich auch, dass die Richter zentrale Fragen vom Europäischen Gerichtshof in Luxemburg klären lassen.

Jessica Sturmberg im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Europäische Zentralbank und Frankfurter Skyline am Main.
    Die Bankenunion habe der EZB zu viele Kompetenzen gegeben, sagen die Kläger gegen die Bankenunion (dpa)
    Christiane Kaess: Heute wird vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über eine Klage verhandelt, die bereits vor vier Jahren eingereicht wurde. Es geht um die Europäische Bankenunion. Die ist nach Ansicht der Kläger um den Berliner Finanzwissenschaftler Markus Kerber verfassungswidrig. Jessica Sturmberg aus der Wirtschaftsredaktion, worum geht es genau?
    Jessica Sturmberg: Die Europäische Bankenunion ist vor vier Jahren eingerichtet worden als Reaktion auf die Finanzkrise, in der marode Banken von den Steuerzahlern der betroffenen Länder gerettet wurden und Länder in die Krise stürzten.
    Damit das nicht wieder passiert, war der Gedanke, dass die 118 wichtigsten und größten Banken im Euroraum zentral und einheitlich kontrolliert werden. Und zwar von der Europäischen Zentralbank. Sie wurde als Instanz dazu auserkoren, weil sie hohes Ansehen genießt und man nicht schnell eine weitere europäische Behörde aus dem Boden stampfen musste.
    Die Bankenaufsicht ist Säule 1 der Bankenunion, die aus einem Dreiklang besteht: Säule 2 ist das Abwicklungssystem für notleidende Banken und dafür ist auch ein Fonds geschaffen worden, der allerdings nur zum Teil bisher gefüllt ist. Mit dem Geld soll möglich gemacht werden, dass eine marode Bank aus dem Verkehr genommen werden kann, ohne, dass das zu einem großen Schaden führt (wie damals bei der Lehman Brother-Pleite) - so die Idee.
    Säule 3 wäre ein europäischer Einlagensicherungsfonds, der ist aber im Gegensatz zu den anderen beiden Säulen bisher nicht umgesetzt. Das ist weiter national geregelt. Hier in Deutschland haben wir den gesetzlichen Einlagenschutz bis 100.000 Euro.
    Kaess: Warum ist die Bankenunion nach Ansicht der Kläger verfassungswidrig und bezieht sich das auf alle drei Säulen?
    Sturmberg: Es geht um die gesamte Bankenunion mit allen drei Säulen, aber die Verfassungsbeschwerden beziehen sich nur auf die ersten beiden Säulen, ganz einfach deswegen, weil Säule 3 bisher nicht umgesetzt wurde.
    Die Kläger sind der Ansicht, dass Deutschland durch die Bankenunion die eigenständige Kontrolle über die Banken verliert, aber gleichzeitig ein höheres Risiko trägt. Also die deutsche Bankenaufsicht BaFin könne nicht mehr aus sich heraus eine der großen Banken in Deutschland abwickeln, weil diese Kompetenz eben jetzt bei der EZB liegt. Und zugleich geben deutsche Banken viel Geld in den Abwicklungsfonds. Dies sei eine zu weitgehende Kompetenzübertragung an die EZB und nicht durch die EU-Verträge gedeckt, deshalb nicht rechtens, so die Begründung der Kläger.
    Kaess: Abgesehen von der Frage, ob das rechtens war, inwieweit ist es problematisch, wenn die EZB die Bankenaufsicht und die Abwicklung maroder Banken übernimmt?
    Sturmberg: Die Aufgabe der EZB in der Tradition der Bundesbank ist die Geldwertstabilität. Und die Kläger um Markus Kerber argumentieren, dass das nicht vereinbar ist mit der Aufsichtsfunktion.
    "Das hat etwas damit zu tun, dass die Zentralbank, die Geldpolitik macht, damit auch festlegt, wie die Risiken in den Bilanzen aussehen. Deshalb hatten wir immer in Deutschland eine klare Trennung zwischen Zentralbank, die macht Geldpolitik und einer Bankenaufsicht, die guckt sich die Bankenrisiken an. Die beiden Aufgaben sind miteinander völlig unvereinbar."
    Konkret könnte der Konflikt sein, dass die EZB trotz anziehender Inflation weiter auf Niedrigzinsen setzt, um kriselnden Banken zu helfen statt sich nur auf das Ziel Geldwertstabilität zu konzentrieren.
    Kaess: Und auch die Frage letztlich wieder, ob Risiken gemeinschaftlich getragen werden sollten, also mehr oder weniger Europa?
    Sturmberg: Da gibt es unterschiedliche ökonomische Ansichten: Die eine ist, dass auf einer europäischen Ebene nicht gut wirtschaftende Banken das Polster nutzen oder ausnutzen, dass durch solide Institute gewährleistet wird, statt dass sich die Banken am Markt bewähren.
    Die andere Sichtweise ist, dass durch die breite Basis, die eben nicht mehr nur national ist, sondern europäisch, das Signal ausgesendet wird, hier wird kein Loch ins Bankensystem gerissen mit möglicherweise großem Kollateralschaden. Und am Ende müssen doch wieder die Staaten einspringen mit Steuergeldern und die Schuldenkrise verschärft sich noch weiter. Und es wird ohnehin zum europäischen Thema. Auch dadurch, dass Finanzströme und Verbindungen eng verwoben sind.
    Kaess: Die Klage ist vor vier Jahren eingereicht worden, heute wird verhandelt, wann ist mit einem Ergebnis zu rechnen?
    Sturmberg: Das Urteil wird erfahrungsgemäß frühestens in einigen Monaten bekannt gegeben. Möglich auch, dass die Richter das Verfahren aussetzen, um zentrale Fragen dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg klären zu lassen. Ähnlich wie beim Anleihekaufprogramm der EZB, die Klage wurde an den EuGH weitergeleitet, da wird Anfang Dezember das Urteil erwartet.