Ist ein Mensch in entwürdigender Weise eingesperrt, ist es vielleicht sogar als Folter zu bewerten, wenn er in jahrelanger Isolationshaft sitzt, wenn seine Briefe zensiert werden, wenn er Kontakt fast ausschließlich zum Gefängnispersonal hat und seinen Anwalt nur durch eine Glasschreibe sprechen darf? Wenn ihm auf der anderen Seite drei Zellen zur Verfügung stehen: eine zum Leben, eine zum Lernen und die dritte für Fitnessgeräte. Wenn er selbst kochen darf oder Wäsche waschen, eine Spielekonsole hat, einen Fernseher und einen Computer, allerdings ohne Internetzugang? Der inzwischen 37 Jahre alte Anders Breivik hält die Haftbedingungen für unmenschlich. Auch sein Anwalt, Oystein Storrvik, sieht darin einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und gibt vor, den Staat Norwegen vor allem, aber nicht nur in Breiviks Interesse verklagt zu haben:
"Es geht hauptsächlich um den Isolationsdruck. Der ist sehr hoch und es sieht nicht aus, als ob das gelockert werden würde. Vor allem langfristig bin ich da besorgt. Es gibt generell zu viel Isolation in Norwegen. Breivik ist da nur das extremste Beispiel. Diese Dauer-Isolation wird ganz klar Konsequenzen haben auch für andere betroffene Häftlinge."
Vier Tage lang wird ab heute in der Sache verhandelt. Das Gericht tagt in der umgebauten Turnhalle des Breivik-Gefängnisses in Skien, etwa 100 Kilometer südwestlich von Oslo weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Anders als beim ersten Prozess gegen den Bombenleger von Oslo und Utøya-Attentäter. Der war sehr öffentlich und von Breivik als Plattform für seine rechtsextreme Weltsicht benutzt worden. Das werde man nicht noch einmal zulassen, so die norwegische Richterin Ina Strømstad:
"Es besteht die Gefahr, dass er Botschaften, verschlüsselte Mitteilungen an Personen senden kann, mit denen er sonst nicht kommunizieren darf. Es ist schwer für die Presse und für das Gericht, das zu kontrollieren. Deshalb werden Breiviks Äußerungen nicht gesendet. Außerdem wäre das eine unangemessene Belastung für diejenigen, die direkt und indirekt von seinem Terrorakt betroffen sind."
Breivik wird drei Stunden lang die Haftbedingungen beschreiben
Den Norwegern ist das nur Recht. Sie versuchen seit nun schon fast fünf Jahren, mit Breiviks für sie noch immer unfassbaren Taten fertig zu werden. Und vor allem die Überlebenden und Hinterbliebenen der 77 Opfer fühlen jedes Mal einen Stich ins Herz, wenn nur der Name "Breivik" genannt wird. Tonje Brenna ist Politikerin der Arbeiterpartei, deren Jugendcamp Breivik überfallen hatte. Sie hat Utøya überlebt und will diesmal vom Prozess möglichst wenig mitbekommen:
"Immer wenn Breivik etwas gesagt hat, wurde das sehr sensationell in den Medien verbreitet. Ich hoffe, dass es diesmal anders wird. Der letzte Prozess gegen ihn war unser Prozess. Wir als Gesellschaft haben ihn verklagt. Diesmal ist es aber sein Prozess, er verklagt den Staat. Das ist eine ganz andere Sache und das sollten wir nicht vergessen, auch wenn es dieselbe Person ist."
Breivik selbst wird morgen drei Stunden lang die Haftbedingungen beschreiben und seinen Protest dagegen begründen. Weitere Zeugen werden gehört: Darunter Ärzte, die schon im Vorfeld erklärt hatten, dass Breivik unter den Haftbedingungen nicht leide. Der Menschenrechtsbeauftragte des norwegischen Parlaments hatte das Ende vergangenen Jahres allerdings anders gesehen. Die Isolationshaft könne aufgrund ihrer Dauer doch als "unmenschliche Behandlung" bewertet werden. Juristen erwarten, dass Breivik nicht Recht bekommt oder wenn, dann höchstens teilweise, dass man am Ende vielleicht die Isolationshaft befristet. Was ihm und seinem Anwalt nicht genügen dürfte. Der hat schon vor dem Prozess angekündigt, wenn nötig bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu gehen. Tonje Brenna, die Utøya-Überlebende, mag sich das gar nicht vorstellen.
"Für mich und viele andere war es schön, dass wir lange nichts mehr von ihm gehört haben. Klar, die meisten Norweger finden es richtig, dass wir einen Rechtsstaat haben, dass er den Staat verklagen kann. Und trotzdem würden wir wohl am liebsten nicht an ihn erinnert. Ich glaube, viele denken wie ich: 'Ach, der schon wieder...' und dass es wirklich angenehm war ohne ihn."