Der alte Ruhr-Hafen und die dazugehörige Promenade in Mülheim liegen ruhig dar. Vereinzelt fliegen ein paar Möwen über die Ruhr. Hier, inmitten der Ruhrgebietsstadt, ergibt sich das Bild einer schmucken Perle: Die Straße glatt und eben, der Vorplatz saniert, Neubauten mit Glasbalkonen, von denen sich auf die Ruhr schauen lässt. In den letzten Jahren hat sich Mülheim an der Ruhr zum Wasser geöffnet, gilt heute als "Stadt am Fluss", in der mehr als die Hälfte der Fläche aus Grün besteht. Es ist jener Ruf, den Mülheim einst auch hatte, als das Ruhrgebiet noch wohlhabend war
"Wir sind auch keine Schrottimmobilie, habe ich mal formuliert, sondern wir sind eine propere Stadt. Wir haben leider viele Schulden", sagt Volker Wiebels. Der Sprecher der Stadt sitzt im verwaisten Büro des Oberbürgermeisters, von dem der schöne, aber doch trügerische Blick über den Hafen schweifen kann. Der eigentliche Amtsinhaber, Ulrich Scholten von der SPD, ist krankgeschrieben, skandal-gebeutelt, wird sein Amt nach der Wahl im September verlieren. Mülheim ist also ein stückweit führungslos – und doch federführend in einer bundesweit wichtigen Angelegenheit.
"Also, wir sind zwar die federführende Stadt für das Aktionsbündnis ‚Für die Würde unserer Städte‘, das sich darum kümmert, dass wir Gehör finden bei Land und Bund, also bei der Finanzierung der Städte", Erklärt Volker Wiebels. Über 70 Kommunen aus acht Bundesländern gehören dem Bündnis mittlerweile an.
"Wir fordern einerseits, dass Bund und Land das so genannte Konnexitäts-Prinzip einhalten. Also, wer bestellt, bezahlt. Wir setzen gerne bundes- und landespolitische Gesetze und Regelungen um - überhaupt keine Frage. Aber wir brauchen eine auskömmliche Finanzierung. Also Bund und Land müssen die Stadtfinanzen auf eine andere Ebene stellen. Wir brauchen mehr Geld von Bund und Land und wir müssen weg von den Altschulden."
Mülheim ist quasi pleite
Denn: Mülheim ist – bei allem Glanz – quasi pleite. Das Heimatmuseum beispielsweise: baufällig, eingerüstet, geschlossen; auch der Bismarckturm, von dem man einen herrlichen Blick in das Ruhrtal hat: weiträumig abgesperrt. Und wenn das örtliche Hallenbad mal eine Woche lang ohne betriebsbedingte Störungen offen hat, gilt dies als Erfolg.
"Wir haben einen Haushalt, der so ganz knapp ausgeglichen ist. Das haben wir aber auch nur mit viel, viel Mühe und mit Unterstützung des Stärkungspaktes des Landes hinbekommen. Also, alles nicht befriedigend. Und die Situation muss sich einfach ändern. Wir müssen runterkommen von unseren Altschulden, die uns belasten. Wir müssen runterkommen von den Überziehungskrediten, die die Stadt gemacht hat. Die Kassenkredite, wie sie sich kommunal nennen, die liegen bei zwei Milliarden. Das darf man sich gar nicht vorstellen. Damit finanzieren wir Sozialleistungen, aber beispielsweise auch die Gehälter der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das alles muss sich ändern. Das schaffen wir aber nicht alleine."
Und dafür wird nun getrommelt: "Wir haben Bierdeckel verschickt. So nach dem Motto: Wer bestellt, bezahlt. Schöne Grüße vom Aktionsbündnis." Wiebels ist mittlerweile geübt in der Argumentation - und kann plastische Beispiele nennen: "Also, das fängt schon an ganz klein an mit dem Bundespersonalausweis. Er heißt der Bundespersonalausweis. Okay, wir erteilen ihm. Wir geben einen Aufruf an die Bundesdruckerei, aber wir kriegen nur knapp die Hälfte dessen, was wir an Verwaltungsaufwand haben vom Bund zurück. Das kann ja nicht sein. Aber es gibt, ich sage mal, bundespolitische Ziele, bundespolitische Gesetze, die wir ausfüllen und ausführen. Alles das, was mit Asyl mit Flüchtlingen zu tun hat, ist unterfinanziert."
2.500 Städte und Gemeinden gelten als überschuldet
Doch: Wie konnte es soweit kommen? Wiebels, der seit rund 40 Jahren in der Stadtverwaltung arbeitet, wiegt mit dem Kopf. Er kennt noch die alten, die glanzvollen Jahre, auch die Zeit, in der der Strukturwandel zwar lief, aber …
"… auch Anfang der 80er-Jahre hat der Kämmerer immer schon gemahnt. Aber damals floss das Geld irgendwie. Es floss und es wurde auch ausgegeben. Da hat man sich wenig Gedanken darüber gemacht, was ist eigentlich in zehn oder zwanzig Jahren? Insofern wenn ich jetzt Revue passieren lasse, was wir in den 70er- und 80er-Jahren gemacht haben. Wir haben gebaut, wir haben schon breite Straßen gebaut, die Automobil-Stadt haben wir geplant und, und, und… Dann haben wir alles wieder zurückgebaut, weil man doch nicht so gut mit den Autos. Das hat alles richtig viel Geld gekostet. Und das haben wir dann irgendwann mal nicht mehr aus dem gefüllten Stadtsäckel finanzieren können, sondern wir mussten es finanzieren, im wahrsten Sinne des Wortes. Und das hängt uns eben heute an. Und das ist das, was ich eben schon mal sagte, das sind die Altlasten, die wir auch nicht mehr wegkriegen, zumindest nicht ohne Hilfe."
Die hoffnungslose Überschuldung Mülheims ist auch eine Belastung für die Einwohner. Und so wie den Mülheimern geht es über zehn Millionen Bundesbürgern. Sie leben in Pirmasens oder Kaiserslautern, in Hagen oder Wuppertal, aber auch in Herten, Hattingen oder Siegburg. Insgesamt 2.500 Städte und Gemeinden in Deutschland gelten als überschuldet. Sie stehen mit insgesamt 42 Milliarden Euro in der Kreide. Der größte Teil davon - 35 Milliarden - entfällt auf Kassenkredite, die mit einem privaten Überziehungskredit vergleichbar sind. Viele Kommunen nutzen ihren Dispo teilweise seit Jahrzehnten, ohne davon runter zu kommen. Deshalb wird auch von Altschulden gesprochen.
Die Städte mit den höchsten Altschulden – zusammen fast 23 Milliarden Euro – ballen sich in Nordrhein-Westfalen; es folgen Rheinland-Pfalz und das Saarland. Ihre Probleme sind immer die gleichen: Straßen, Schulen oder Kitas verfallen, Theater und Hallenbäder werden geschlossen, Investitionen bleiben auf das Nötigste beschränkt.
Bundesfinanzminister Scholz will helfen
In dieser Situation darf man diese Städte nicht im Stich lassen, davon ist Bundesfinanzminister Olaf Scholz überzeugt: "Solidarität heißt, dass denen geholfen wird, die Hilfe brauchen. Wir brauchen so was wie eine neue Stunde null, was die Kommunen in Deutschland betrifft. Und das würde natürlich auch dazu beitragen, dass die Investitionstätigkeit dieser Kommunen, die ja nach allen Berichten zentral ist für die Investitionsfähigkeit des ganzen Landes, wieder massiv steigen würde."
Die Debatte über eine Entschuldung von Kommunen hat im vergangenen Jahr Fahrt aufgenommen. Es geht um gleichwertige Lebensverhältnisse. Anfang Oktober verriet Olaf Scholz, er habe sogar schon ein fertiges Konzept in der Schublade. Details nannte er nicht, doch im Kern geht es darum, dass der Bund den Kommunen etwa die Hälfte ihrer Altschulden abnehmen würde. Das wären um die 20 Milliarden Euro. Das jeweilige Bundesland, in dem die Kommune liegt, übernähme die andere Hälfte der Altschulden.
Das Thema ist heikel, sagt Olaf Scholz, diskret redet derzeit jeder mit jedem: "Ich reise durch Deutschland, spreche mit Bürgermeistern, mit Gemeindebünden, Städtetagen, Landkreistagen, ich spreche mit den Länder-Ministerpräsidenten, den Fraktionsvorsitzenden der Länder, den Fraktionen im Deutschen Bundestag." Die lange Liste der Gesprächspartner lässt erahnen, wer alles für die einmalige Rettungsaktion zu gewinnen ist und wie schwierig es wird, für eine Lösung alle ins Boot zu holen. Dabei ist die Gelegenheit günstig wie nie.
"Günstiger werden die Zinsen nicht mehr. Deshalb: Wenn nicht jetzt, wann dann?", fagt Thomas Schäfer, der hessische Finanzminister. Und auch für Gerd Landsberg vom Deutschen Städte- und Gemeindebund tickt die Uhr: "Der Bund bekommt ja noch Geld dafür, dass er Schulden macht. Ob das in zwei, drei Jahren noch ist, wissen wir nicht. Und deswegen würden wir eine solche Lösung sehr befürworten."
Hessen macht es vor
Muster für eine solche Entschuldung könnte Hessen sein. Das Land hat schon vor zwei Jahren knapp 180 Städten und Gemeinden insgesamt fünf Milliarden Euro Schulden abgenommen. Die Schulden kamen in einen Fonds – die Hessenkasse. Und über die werden sie über 30 Jahre abgestottert. Allerdings: Ganz werden die hessischen Kommunen nicht aus ihren Rückzahlungspflichten entlassen. Das Land übernimmt im Schnitt zwei Drittel der Zins- und Tilgungsleistungen, ein Drittel bleibt bei der Kommune.
Bislang ist die Hessenkasse ein Erfolg. Kommunen und das Land ziehen an einem Strang. Und Hessens Finanzminister Thomas Schäfer geht sogar noch weiter: "Von der Grundkonstruktion zu sagen ‚Ja wir nehmen die Kassenkredite aus den kommunalen Haushalten heraus, aber die betroffene Kommune muss an der Abzahlung, an der Tilgung teilnehmen‘ - das halten wir für ein bundesweites Modell."
Es geht nicht nur ums Geld
Doch bei den Altschulden geht es nicht nur um Geld. Das ist angesichts der aktuellen Überschüsse bei Bund und Ländern das geringste Problem. Eine andere Sorge ist größer: "Entscheidend ist dann, wenn Sondergelder gegeben werden. Es darf nicht passieren, dass die wieder in die gleiche Misere reinrutschen. Und ich glaube, dass feststellen zu müssen, da hat es in der Vergangenheit eben sehr unterschiedliche Finanzgebaren gegeben", sagt etwa Heinz Öhmann. Er ist Bürgermeister von Coesfeld und er will mit den gut 35.000 Einwohnern, die in seiner Kreisstadt im Münsterland leben, am Ende nicht der Dumme sein.
In Coesfeld weckt eine Entschuldungsaktion für Pleitestädte sehr gemischte Gefühle. Vor allem, weil Städte wie Coesfeld glauben, von sich selbst sagen zu können, immer solide gewirtschaftet zu haben. Wenn Schulden aufgetürmt wurden, dann habe man sich durch striktes Sparen selbst aus dem Schuldensumpf gezogen. Für Kommunen wie Coesfeld, aber auch für viele Landkreise, wirkt es dann, als würden nachträglich die Falschen belohnt, die Städte, die weiter munter auf Pump gelebt haben, während man in Coesfeld und anderswo längst auf striktem Sparkurs war und sich eben bestimmte Dinge bewusst nicht leistete.
"Ich sage mal hier im Westmünsterland, denn auch im Raum Coesfeld hatten wir in den 70er-, 80er-Jahren die Textilkrise, hier war Monostruktur, und die Kommunen haben sich im Wesentlichen selbst geholfen. Wir haben schwierige Zeiten hinter uns. Vor etwa 15 Jahren haben wir zwei große Konsolidierungsprogramme gefahren, weil wir gesagt haben, wir wollen aus eigener Kraft da wieder rauskommen. Und das haben wir geschafft und sind heute durchaus gut gestellt. Wir haben die Schulden weiter abgebaut, wir haben Liquidität uns geschaffen und deswegen nochmal: Einen Altschuldenfonds des Bundes halte ich für problematisch."
Weitere Bundesländer melden Ansprüche an
So wie dem Bürgermeister von Coesfeld geht es auch vielen Politiker in den Bundesländern. Denn Finanzminister Olaf Scholz will seine Entschuldungsaktion im Wesentlichen auf Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und das Saarland begrenzen, weil sich dort die Kassenkredite ballen. Doch da spielt Hessens Finanzminister Thomas Schäfer nicht mit:
"Klar muss nur auch sein, dass die Hessen, diese Blaupause geliefert haben, nicht diejenigen sein dürfen, die in die Röhre gucken, so nach dem Motto ‚Ihr habt das Problem ja gelöst.‘ Denn ‚gelöst‘ ist das Problem ja nur oberflächlich. Wir haben Schulden, die noch da sind, aus den Haushalten herausgelöst in einen Extra-Fonds überführt, aber sie sind ja noch da. Das heißt, an der Abfinanzierung dieser kommunalen Schulden müsste sich der Bund bei uns genauso beteiligen wie er sich in den Ländern beteiligt, wo die Kassenkredite noch in den Haushalten der Kommunen stecken."
Nicht nur Hessen verfolgt deshalb mit Argusaugen, wie sich die Pläne des Bundesfinanzministers entwickeln. Auch andere Länder melden vorsorglich schon mal Ansprüche an – zum Beispiel Schleswig-Holstein. Finanzministerin Monika Heinold: "Wenn es jetzt zu neuen Hilfen kommt, dann ist natürlich unsere Erwartung als Land Schleswig-Holstein, dass nicht isoliert auf einzelne Kommunen geschaut wird, sondern dass die Gesamtsituation von Ländern und Kommunen betrachtet werden, weil wir sonst mit einer höheren Staatsverschuldung in Schleswig-Holstein keine Unterstützung erhalten, möglicherweise deshalb, das wäre ja die These, weil wir unsere Kommunen relativ gut behandelt haben und dafür Sorge getragen haben, dass es dort gar keine Kassenkredite gibt."
Schloz appelliert an Solidaritätsbereitschaft
Olaf Scholz, dem Geldgeber auf Bundesebene, schwant angesichts einer solchen Anmeldung von Ansprüchen nichts Gutes und er warnt: "Wenn dieser Akt der Solidarität nur möglich ist, indem mit den verschiedensten Begründungen ganz viele sagen ‚Aber dann muss ich auch was kriegen, obwohl das bei mir nicht der Fall ist‘ wird es kompliziert." Scholz weiß wovon er spricht. Als Bürgermeister von Hamburg hat er an vielen Finanzverhandlungen zwischen dem Bund und den Ländern teilgenommen. So kennt er seine Pappenheimer bei den Bundesländern. Nun aber sitzt er auf der Seite des Bundes – und als Bundesfinanzminister will und muss er verhindern, dass die Kosten der Rettungsaktion ausufern:
"So war es bisher immer schon in Deutschland, dass man, wenn man zehn Milliarden geben will, noch fünf Milliarden oben drauf tun muss, damit die Leute, die nichts von den zehn Milliarden abkriegen, auch zufrieden sind und die Solidarität ohne Eifersucht ertragen können. Aber nur ein nicht-eifersüchtiges Land ist zur Solidarität fähig."
Ob dieser Appell an die Solidarität fruchtet ist derzeit offen. Thomas Schäfers Erfahrungen als Finanzminister von Hessen sprechen eher gegen Olaf Scholz:
"Da wird Herr Scholz doch noch mal in die Diskussion mit den Ländern einsteigen müssen. Also ich bin jetzt fast zehn Jahre Finanzminister und habe Verteilungsdiskussionen zwischen Bund und Ländern, aber auch zwischen den Ländern in diesen Jahren durchaus nur teilweise mit mittlerem Vergnügungswert erlebt. Zu glauben, man könne einfach aus Berlin bestimmen ‚Du kriegst was und Du kriegst nichts‘, das entspricht jedenfalls nicht meiner Erfahrung von erfolgreichen Verhandlungen zwischen den Ländern und dem Bund. Da haben Kommunen, gerade kleinere im ländlichen Raum, mit erheblichen Summen profitiert, die sich jetzt eine Investition leisten können, die vorher nicht möglich war."
CDU ist strikt gegen die Rettungsaktion von Scholz
Nach dieser Logik müsste auch der Bundesfinanzminister noch eine größere Summe für die Rettungsaktion hochverschuldeter Kommunen oben drauf legen. Das Programm würde also teurer. Andererseits: Die Forderung, angesichts der aktuellen Haushaltsüberschüsse mehr zu investieren, lassen nicht nach. Ein Investitionsprogramm, gerade für Kommunen, könnte aber auch noch ein ganz grundsätzliches Problem lösen.
"Wir sind der Meinung, dass aus alten Schulden der Kommunen nicht einfach neue Schulden des Bundes werden dürfen", dagt Andreas Jung. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag ist - so wie die gesamte Fraktion - strikt gegen die Rettungsaktion, die Olaf Scholz derzeit auslotet. Der Bund soll sich da raushalten. Zur Begründung verweist Jung auf das Grundgesetz: Für die Kommunen, deren Finanzen und damit auch deren Schulden, sind die Länder zuständig und nicht der Bund. An diesem Grundsatz soll auch nicht gerüttelt werden:
"Wir glauben, dass es einige Grundsätze gibt, die gelten und die auch in Zukunft gelten müssen. Und da ist der erste Grundsatz: Die Kommunen sind Teil der Länder. Und deshalb sind jetzt die Länder am Zug. Natürlich sind wir als Bund konstruktiv im Gespräch, aber wir glauben, dass es jetzt schon richtig ist, dass die Länder hier aktiv werden und nicht, dass es richtig wäre, dass stattdessen die alten Schulden der Kommunen neue Schulden einfach des Bundes werden und alle Bürger im Bundesgebiet für die punktuell entstandenen Probleme aufkommen."
Union will zuerst die Länder in die Pflicht nehmen
Heißt übersetzt: Die Union will schon über eine Entschuldung verhandeln, sie will aber nicht Wasser in einen löchrigen Eimer kippen. Bevor entschuldet wird mit Geldern des Bundes, müssen erst die Löcher gestopft werden, sprich, alle Länder müssen ihre Kommunen finanziell besser ausstatten - und das dauerhaft. Erst wenn dieser erste Schritt getan ist, könnte der zweite - die Entschuldung - folgen.
Zusätzlich müssen aber auch noch die Nein-Sager unter den Ländern überzeugt werden - und da macht der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet diese Rechnung auf: "Vier Länder sind überhaupt nur betroffen: Rheinland-Pfalz, das Saarland, Hessen und Nordrhein Westfalen. Zwölf Länder sind davon nicht betroffen. Die zwölf sagen, warum sollen wir eigentlich hier in so einer Sondersituation helfen?"
Laschet steht unter Druck. Im Herbst finden in Nordrhein-Westfalen Kommunalwahlen statt, doch die Landesregierung in Düsseldorf hat, anders als etwa Hessen, kein eigenes Entschuldungsprogramm aufgelegt. In Düsseldorf wartet man auf den Bund. Dabei weiß auch Laschet: "Die Grundvoraussetzung, dass der Bund einsteigt, ist ein Konsens der 16 Länder. Das ist mühevoll. Ich erwarte, dass auch hier die anderen Länder dieser besonderen Situation entsprechen. Und wenn das steht, wird das Land in vollem Umfang an diesem Projekt mitwirken."
Für Nordrhein-Westfalen könnte es teuer werden
Das könnte für Nordrhein-Westfalen ein teures Versprechen werden. Vor allem dann, wenn das Bundesland seinen überschuldeten Kommunen ein ähnliches Versprechen geben sollte wie Hessen. Kommunen, die dort mit der Hessenkasse ihre Schulden brav über 30 Jahre mit abstottern, werden ihre Restschulden am Ende dieses 30-jährigen Wohlverhaltens erlassen. Für Hessen ist das eine überschaubare Summe, für Nordrhein-Westfalen nicht. Dort gibt es gleich mehrere Städte, die mit mehr als einer Milliarde Euro verschuldet sind. Entsprechend hoch wäre nach 30 Jahren auch die Restschuld, die das Land übernehmen müsste. Das erklärt den verhaltenen Optimismus von Ministerpräsident Armin Laschet mit Blick auf die anderen Bundesländer.
"Also, ich bin da weiterhin zuversichtlich, weiß aber, wie mühsam das ist, zwölf, die davon nichts haben, davon zu überzeugen, dass sie da mitmachen. Wir haben inzwischen klargestellt in der letzten Ministerpräsidentenkonferenz, die müssen nichts zahlen. Also die zwölf müssen es nur dulden, dass der Bund es macht. Und das ist der Prozess, in dem wir uns befinden."