Mein Bruder Jonah steht reglos an den Flügel gelehnt. Er ist gerade einmal zwanzig. Die sechziger Jahre haben eben erst begonnen. Noch liegt das Land im letzten Schlaf seiner trügerischen Unschuld. Niemand hat von Jonah Strom gehört, niemand außer unserer Familie. Dem, was von ihr übrig ist. Wir sind nach Durham in North- Carolina gekommen, in den alten Konzertsaal der Duke Universität. Jonah hat die Endrunde eines landesweiten Gesangswettbewerbs erreicht, von dem er später behaupten wird, er habe nie daran teilgenommen. Er ist allein auf der Bühne, ein wenig rechts von der Mitte. Zur Seite geneigt, als suche er Rückhalt in der geschwungenen Flanke des Konzertflügels, seiner einzigen Zuflucht. Er beugt sich nach vorn, schweigend, gekrümmt wie die Schnecke eines Cellos. Die linke Hand stützt sich auf die Kante des Flügels, in der rechten hält er einen Brief, den es längst nicht mehr gibt. Er grinst, kann selbst kaum glauben, dass er hier ist, dann holt er Luft – und singt.
Jonah Strom singt wie nicht von dieser Welt: "überirdisch" lautet fortan die Lieblingsvokabel der entzückten Musik-Presse, so klar, so rein, so genau sind die Töne, die er mit schlafwandlerischer Sicherheit trifft. Zuhause ist das Wunderkind nur eins unter mehreren. Denn die Stroms haben allesamt Musik im Blut. Die Mutter Delia ist selbst eine genial begabte Sängerin. Ihr Mann David, ein deutscher, jüdischer Emigrant, verbindet die klassischen Klänge Europas in seinem Professorenkopf mit dem Fach der theoretischen Physik. Mit zehn Jahren wissen die Söhne Jonah und Joey alles über den Kontrapunkt, und die kleine Schwester Ruth kann Noten lesen, bevor sie die Buchstaben lernt. Als eines Abends ein Kollege von David mit seinem Cello bei den Stroms anrückt und Jonah singen hört, will er sofort Geld für die Ausbildung des Jungen sammeln. "Na, na..." sagen die Eltern beschwichtigend zu Albert Einstein.
Die Sicherheit, mit der die Stroms sangen, war etwas Körperliches, etwas Angeborenes, es war die Augenfarbe der Seele. Beide Eltern brachten musikalische Gene mit: er den Mathematikerverstand für Rhythmus und Spannungsbögen, sie die Tonsicherheit der Sängerin, zielstrebig wie eine Brieftaube, und die Farbigkeit, so fein wie die Flügel eines Kolibris. Keiner der beiden Jungen wäre auf die Idee gekommen, dass es etwas Besonderes war, wenn ein Neunjähriger mit der Selbstverständlichkeit, mit der er atmete, vom Blatt singen konnte. Sie brachten eine Melodie so mühelos auf die Welt wie ihre vergessenen Vettern auf die Bäume kletterten. Man musste ja nur den Mund öffnen und die Stimme herauslassen; man machte mit den Tönen einen Ausflug zum Riverside Park, dahin wo ihr Vater an einem sonnigen Sonntagnachmittag manchmal mit ihnen spazieren ging: hinauf, hinunter, Kreuz, b, lang, kurz, East Side, West Side, quer durch die Stadt. Jonah und Joseph mussten nur einen Blick aufs Notenblatt werfen und schon hörten sie die gesamte Melodie.
Auf zwei Erzählerstimmen verteilt Richard Powers seinen Text, der die Geschichte der Familie Strom mit der amerikanischen Zeitgeschichte von über 150 Jahren zusammenknüpft. Joey erzählt von Kindheit und Jugend, vom Beginn der Karriere Jonahs und der Rolle als sein Begleiter am Klavier, bis hin zu den späten 90er Jahren, als ihre musikalischen Wege sich endgültig getrennt haben. Ein zweiter neutral-auktorialer Erzähler rekapituliert die Entwicklung der Familie und ihrer Vorfahren seit dem 19. Jahrhundert. Dabei steht vor allem die Familie der Mutter Delia im Mittelpunkt. Ihr Vater William Daley hat sich als schwarzer Arzt emporgearbeitet und versucht, seine Kinder vor den Demütigungen der Gesellschaft zu wappnen, indem er ihnen den Stolz auf die eigene Identität vorführt. "Alles, was du willst, kannst du erreichen", predigt der Vater, und er ist dennoch verzweifelt, als Delia ihm einen weißen Schwiegersohn anschleppt.
Nicht aus Prinzip, sondern weil er weiß, welch Schicksal sich die Tochter damit aufbürdet. Delia hat ihren David am Ostersonntag des Jahres 1939 kennen gelernt, während eines Open-Air-Konzertes in Washington, als die berühmte schwarze Sängerin Marian Anderson am Lincoln-Memorial vor Hunderttausenden auftrat. Dieses Konzert war ein politisches Fanal, begleitet von wütenden Protesten, aber inspiriert und tatkräftig betrieben vom Präsidenten-Ehepaar Roosevelt, das sich für die Versöhnung zwischen Schwarz und Weiß stark machte. Inmitten der Menschenmenge steht Delia, und sie singt begeistert mit. Und David spricht sie an, den ganzen Tag weicht er nicht mehr von ihrer Seite.
Delia ist noch immer unsicher auf den Beinen, erschüttert von Miss Andersons überirdischer Kraft. Die Fäden dieser Klänge hüllen sie ein wie Spinnweben, die sie vergeblich abzuwischen versucht. Da ist etwas zwischen ihr und diesem Mann, eine Verbindung, die einen Augenblick lang aufblitzt und an die sie nicht einmal denken will. Nein, keine Verbindung, nur gemeinsam musikalische Vorlieben. Keine Kraft außer der Stimme, die sie gerade gehört haben. Aber es ist mehr: Er hat sie singen gehört, laut und vernehmlich, und hat es als Geschenk empfunden, als etwas vollkommen Normales. Das Erschrecken darüber, dass sie dies eine Mal nicht einfach nur als Rasse wahrgenommen und auch nicht als "eine von uns" vereinnahmt worden war. Darüber, dass er sie einfach nur als Mensch gesehen hatte, als jemanden, der Musik kennt und den richtigen Ton trifft. Der jedes Recht hat, diese Noten zu singen.
Es wird später zu einem furchtbaren Bruch zwischen Delia und ihrem Vater kommen, weil William Daley sich verraten fühlt. Von David, dem Juden, den er zwar schätzt, der aber am Nuklearwaffenprogramm der USA mitarbeitet. Der Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki ist für den Vater Delias ein rein rassistischer Akt. Und die Tochter erzieht seine Enkel, als ob es das Rassenproblem nicht gäbe! Dabei erlebt Delia tagtäglich die Diskriminierung mit ihren schokoladenbraunen Mischlingskindern. Doch sie impft ihnen ein, einfach nicht darauf zu achten, keinen Hass zu entwickeln, die Menschen sind nur fehlgeleitet, eines Tages werden sie ihren Irrtum, ihre Vorurteile als solche erkennen. Mit dem sowieso weltabgewandten David spinnt Delia die Familie ein in einen Kokon aus Kunst, wo nur Harmonie und Wohlklang herrschen, die Musik von Händel und Bach, die Poesie der Lieder Schuberts und Schumanns. Das ist ihr Universum, in dem die Hautfarbe nicht zählt, und diese gegen alle Schmähungen zäh verteidigte Überzeugung gibt den Stroms die Zuversicht und die Kraft durchzuhalten.
Jonah und Joey überstehen so den höllisch-rassistischen Parcours, den sie für ihre musikalische Ausbildung absolvieren müssen. Sie gehen auf Tournee, mit Begeisterung und der Freude von jungen Künstlern. In manchem Hotel dürfen sie nicht einchecken. Egal, gehen sie eben zum nächsten. Nur die Musik ist wichtig, Politik interessiert sie nicht. Was auf den Straßen, in den Städten Amerikas vor sich geht, am Ende der 60er Jahre, bekommen die beiden nur mit, wenn ein Fernseher läuft.
Wir haben keine Ahnung, was es mit Martin Luther Kings "confrontations"-Projekt auf sich hat, bis wir es in der Hotelhalle eines Zweisterne-Hotels in Minneapolis mit eigenen Augen im Fernsehen sehen: Ein Polizeichef namens Bull Conner setzt fünf Wasserwerfer und eigens dafür abgerichtete Schäferhunde gegen Demonstranten ein, die unerlaubterweise "Marching to Freedom Land" singen. Die meisten Demonstranten sind Jahre jünger als wir. Jonah sieht sich diesen Marsch der Freiheit an und summt dazu "Tuxedo Junction", ohne dass er es merkt. Das Land im Fernsehen ist nicht unser Land. Überall Chaos und Wasserfontänen, geschundene, geprügelte Gliedmaßen, zwei weiße Polizisten zerschlagen einem Jungen mit Gummiknüppeln das Gesicht, bis der schlecht bezahlte schwarze Hotelpage auf Weisung der Direktion einen anderen Sender einschaltet und ich zu einer letzten Mikrofonprobe in den Konzertsaal eile, bevor wir Minneapolis und St. Paul mit unserer Musik beglücken.
Die Apotheose dieser politischen Abstinenz inszeniert Powers während der schweren Rassen-Krawalle 1965 in Los Angeles. Die zwei Brüder machen dort ihre erste Plattenaufnahme, und zum Entsetzen von Joey besteht Jonah darauf, vor dem Heimflug in den Stadtteil Watts zu fahren, wo der Aufruhr am stärksten tobt. Sie geraten mitten hinein, in Lebensgefahr, Jonah wird geschlagen, sie werden verhaftet.
Jonah ist elekrisiert – in seinen Ohren klingt das Chaos, die Hysterie, das Brüllen der Menge, das Heulen der Polizei-Sirenen wie aufregende Musik, eben ein anderer, spektakulärer "Klang der Zeit", berauscht singt er: "Dancing in the Streets". Diese Gewalt in Los Angeles ist die düstere Vorausschau auf das Ende des Romans, wenn Jonah noch einmal die ‚action‘ sucht, im April 1992, als nach der Verkündigung des Urteils im Fall Rodney King – Freispruch für die beteiligten Polizisten – die Stadt erneut explodiert. – Überall regiert die Politik also in diesem Roman, und überall erklingt Musik dazu, oder ist es umgekehrt?
Unter literaturgeschichtlicher Perspektive erzählt Richard Powers von nichts anderem als dem ehrwürdigen Konflikt zwischen Kunst und Leben, zwischen Traum und Wirklichkeit, der Suche nach individueller Erfüllung und ihren fatalen, unleugbaren historisch-politischen Bedingtheiten. Das hat der 1957 geborene Autor im Grunde in allen seinen vorangegangenen Romanen probiert, auch wenn es sich nicht auf den ersten Blick erschließt. Im letzten Buch Schattenflucht entwickelt eine Programmiererin ein Kunstprogramm für eine virtuelle Cyber-Welt, im Roman Galatea 2.2. füttern Wissenschaftler einen Computer mit Weltliteratur, damit er eine Anglistik-Prüfung bestehen kann. Irgendwann entwickelt die Maschine ein eigenes Bewusstsein und schaltet sich aus Protest gegen das absurde Experiment selbst ab.
Der bislang noch nicht ins Deutsche übersetzte Roman The Gold Bug Variations analogisiert das menschliche Genom mit der Struktur von Bachs Goldberg-Variationen – ein ebenso inhaltlich kühnes wie formal komplexes Unterfangen, das Richard Powers den Ruf eintrug, nicht nur der literarische Enzyklopädist des modernen Wissenschaftszeitalters zu sein, sondern ebenfalls den ästhetischen Anspruch des frühen Thomas Pynchon wieder zu bekräftigen: Bedeutungsebenen ohne Ende, geheime Korrespondenzen, Anspielungen und Zitat, Literatur als Entropie und Kaleidoskop, in dem sich die Welt mit jeder neuen Perspektive, jedem subjektiven Ruck neu zusammensetzt.
Diesmal sind die Linien klarer: hie die Schönheit der Klänge, die Sphäre vollkommener Kunst, die nur die Moral der Perfektion anerkennt, da die Ungerechtigkeit, das rassistische Ressentiment, die Kräfte von Hass und Gewalt, die umso stärker sind, als sie tief aus dem Herzen kommen und gegen die kein Gesetz etwas auszurichten imstande ist, ja sie sich oftmals mit diesem Gesetz, mit Polizei und Staat, in Einklang wissen. In einem vor drei Jahren auf deutsch veröffentlichten E-Mail-Dialog mit seinem Schriftsteller-Kollegen Bradford Morrow hat Richard Powers von der "Mär des privaten Lebens" gesprochen und die Durchdringung von Ästhetik und Politik zur Grundlage seiner Literatur erklärt. Aber diese Kongruenz hat ihre Tücken.
Dass Powers die opulente Form der Familien-Saga wählt, mithin den Gesellschaftsroman des 19. Jahrhunderts, entspricht zunächst seinem Ziel, ein Gesamtbild zu zeichnen. Nur im biographischen Roman läßt sich im Sinne Georg Lukács‘ eine "Totalität" entfalten, kann und darf man alles sagen, so wie es Balzac, Tolstoi und zuletzt Thomas Mann getan haben. Und Richard Powers geht lustvoll in diese Spur der alten Meister; ohne Zweifel verfügt er über die stilistische Muskulatur und die richtige Schuhgröße, um die lange Strecke sicher zu gehen. Aber mit dem stattlichen epischen Gewinn teilt er auch das Risiko, nämlich jener ästhetischen Verspannungen und Krämpfe, unter denen jedes der großen Vorbilder noch gelitten hat. Denn so viel haben die Autoren gelesen, studiert für das Projekt eines gesellschaftlichen Panoramas. Nun muss alles raus, alles rein ins Bild, und deshalb beginnen sie alle irgendwann zu dozieren.
Seien wir ehrlich: Wer hat, im zweiten Band von Tolstois Krieg und Frieden, des Dichters langwierige Spekulationen über die korrekte Strategie der russischen Militärführung ebenso atemlos verfolgt wie Pierre Besuchows Verzweiflung darüber, dass Natascha ihn anscheinend nicht liebt? Und wie viele fraglos faszinierte Leser haben in Thomas Manns Doktor Faustus jene angestrengten musiktheoretischen Partien wohl heimlich überflogen, die Beethovens letzte Streichquartette bis auf die letzte Quint analysieren? Natürlich hat die Literaturgeschichte respektive die Wissenschaft auch diese schwachen Punkte der Riesen mittlerweile kanonisiert, und kaum jemand traut sich kritisch anzumerken, dass sie bisweilen im Sande mahlen wie ein festgefahrener Dreißigtonner.
Auch "Der Klang der Zeit" bewegt sich manchmal nicht vom Fleck. Man wundert sich schon anfangs, dass man schwer hineinkommt in die Lektüre, nach 30, 40 Seiten bereits erschöpft ist. Warum eigentlich? Powers schreibt brillant, weitaus flüssiger als in den früheren Büchern. Der Stoff ist packend, die Szenen sind bunt, alles sieht zunächst nach Corrections Teil Zwei aus, Jonathan Franzens Roman, den man weggefressen hat wie nichts, jetzt halt in schwarz. Aber so funktioniert es irgendwie nicht. Man braucht eine Weile, um zu begreifen, was uns beim Lesen widerfährt. Personal und Stoff haben die Familien-Saga annonciert, und die bekommen wir auch im Kontext ihrer Zeit, in voller Breite. Dazwischen aber schiebt Powers seine zwei Diskurse über Kunst und Leben, Musik und Politik. Und jedesmal, wenn es soweit ist, verwandeln sich die Figuren in Sprachrohre, die alles sagen müssen, was dem Autor wichtig ist.
Jonah blickte zum Fenster hinaus auf all die Gewalt, die er so lange und so erfolg- reich geleugnet hatte. Das Wenige, was Jonah über Robert wusste, wusste er von mir. Die Umstände von Roberts Tod waren für uns beide unerforschlich wie Gott. Aber sein Tod bekräftigte die eine, zentrale Tatsache unseres Lebens, diejenige, die wir stets im Abstrakten gelassen, so abstrakt wie die Kunst, der wir uns verschrieben hatten. Wir taten, als kämen wir nicht aus einem Land, in dem der Mord an der Tagesordnung war. Wir versteckten uns in Konzertsälen, unserer Zuflucht vor den echten Klängen dieser Welt.
Diese Einsicht dämmert den Protagonisten auf Seite 657, als der Ehemann ihrer Schwester Ruth – beide sind Black Panther-Aktivisten – erschossen wird; der Leser allerdings hat die eskapistisch-ästhetische Weltsicht der Bruder schon seit 500 Seiten begriffen. Immer wieder hält Powers das zentrale Spannungsmoment – die Sängerkarriere Jonahs – abrupt an, unterbricht er den Fluss, um aufs Neue die Techniken der Vokalmusik oder das politische Spektrum zu erläutern. Das ist auf lange Sicht einfach ermüdend. Irgendwann wird selbst der überirdischste Klang zur Gewohnheit, und dass sich die Geschichte Amerikas im 20. Jahrhundert als eine einzige, endlose Abfolge rassistischer Gemeinheiten lesen lässt, wird auch jenseits der permanenten feierlichen Statements klar. Wobei man, was die Politik betrifft, den hervorragenden Übersetzern Manfred und Gabriele Kempf-Allié zusätzlich danken muss, dass sie eine Zeittafel der historischen Ereignisse zusammengestellt haben, ohne die der europäische Leser wohl ziemlich verloren wäre.
Wenn nun der Roman ein im Wortsinn "Meister-Werk" darstellt, also eines mit den typischen Macken, so sind aber auch entsprechend grandiose Schönheiten zu bewundern. Vor allem die Art, wie Powers mit Musik umgeht. Amerikanische Kritiker, darunter John Updike, haben flugs die Verbindung zum späten Thomas Mann hergestellt; die New York Times schwärmte, dass Zitat "seit ‚Doktor Faustus kein Romanautor so verständlich und begeistert über Musik geschrieben" habe. Dieses gut gemeinte Lob verkehrt charmant die Tatsachen. Thomas Mann – halten zu Gnaden - hatte von Musik im Grunde wenig Ahnung, und jene von Theodor W. Adorno ihm eingeflüsterten Passagen sind alles andere als verständlich. Richard Powers hingegen weiß glänzend Bescheid, kennt Theorie und Praxis des klassischen Lieds in- und auswendig, er selbst spielt Cello, und so gelingen ihm mitreißende ‚schöne Stellen‘, die jeden Kenner und Liebhaber vermutlich zum Träumen bringen. Überhaupt werden ausgebildete Sänger in diesem Buch mit Wonne baden, so präzise und genau hat wohl noch niemand ihre Kunst geschildert. Insofern dürfte dieser "Klang der Zeit" schon allein in der Musikwelt Epoche machen, die Moral indes steht auf einem anderen Blatt.
Verblüffend rigoros entscheidet sich Powers für ein hohes Pathos, dass es einem in den Ohren summt. Aber, zugegeben, auch das Herz schmilzt zwischendurch. "Der richtige Ort... der Ort, den ich mir vorstelle... Das wäre ein Ort, an dem niemand Herr über einen anderen ist...", sagt die Mutter Delia einmal. Es sind die Worte einer gequälten Seele, und auch dafür ist die Literatur immer noch zuständig. Oder nicht? Auf dass die Worte eines Tages Wirklichkeit werden...
Richard Powers
Der Klang der Zeit
S. Fischer Verlag, 765 S., EUR 24,90