Archaisch wirkt sie schon, diese Konstruktion: Über einer Wasser-Rinne ein hüfthohes Holzgestell, in dem ein Schaufelrad kreist. Über Riemen treibt das Rad Schlägel an, die wiederum auf Bleche prallen. Diese Bleche könnten besonders Oberton reiche Becken sein. Bei näherem Hinsehen aber stellt sich heraus: Es sind in Teheran gebräuchliche "Servier-Tablette", die munter perkussiv vor sich hin scheppern.
Kathrin Lambert hat sich diese Konstruktion ausgedacht. Sie arbeitete monatelang in Teheran und platzierte dort auch ihre Klanginstallation. Ortsbezüge sind im Rahmen von Klangkunst nichts Neues, doch Dank des Bonner Projekts "Sonotopia" kommen bestimmte Orte vertieft zur Sprache.
Kathrin Lambert: "Also wenn man dann Beuys zitieren würde, wäre es die Richtung ‚Soziale Skulptur‘, wo ich dann in den urbanen Raum reingehe und performativ an dieser Konstruktion gearbeitet habe. Dadurch auch mit den Leuten in Kontakt gekommen bin. Das war mir auch in diesem Kontext sehr wichtig, weil wir auch davor sehr viel auf den Basars unterwegs waren und versucht haben, in diese Kulturen und in diese Umgebung reinzukommen und da immer auf sehr offene Menschen gestoßen sind."
Sonotopia hat Klangkünstler raus in die Welt geschickt
Es ist nicht die Kunst "an sich", die das Projekt und die Ausstellung "Sonotopia" so interessant machen. Es sind Geschichten, die sich hinter den Bildern und Klängen verbergen aus Teheran, Dakar oder aus dem chilenischen Valparaiso. Carsten Seiffarth hat Sonotopia zusammen mit dem Berliner Klangkünstler Carsten Stabenow kuratiert. Als Leiter von bonnhoeren lädt Seiffarth seit 2010 regelmäßig Künstler nach Bonn ein, doch diesmal wollte er Klangkünstler "mal einfach in die Welt hinausschicken und nicht alle immer nur in diesem kleinen Bonn, in diesem schönen Residenz-Städtchen arbeiten lassen. Und so kam dann die größere Idee, natürlich mit dem ganzen Hintergrund Beethoven-Jubiläum 2020. Und natürlich auch diesen ganzen experimentellen Charakter von Beethoven nochmal hinein zu tragen. Dass Klangkunst oder SoundArt heute vielleicht ein anderes Thema ist und es viel interessanter ist als zum Beispiel jemanden in einen anderen Kontinent zu stecken als jetzt einen Komponisten zu schicken, der dann irgendwie inspiriert neue Streichquartette schreibt", so Carsten Seiffarth.
Man muss nicht den klassischen Konzertsaal gegen Klangkunst im öffentlichen Raum ausspielen. Aber: Die Ausstellung mit den Dokumentarvideos aus fernen Ländern sind erfrischend alltagsnah und erzeugen nachhaltige Bilder im Kopf des hörenden Betrachters. In Dakar arbeitete der junge, in Senegal geborene Klangkünstler Adramé Ismael Coly. Er widmete sich im Sinne sogenannter Field Recordings der Geräusch-Welt einer meist sehr lauten Millionen-Stadt.
Adramé Ismael Coly: "Wir werden einfach sensibel für die Schönheit von bestimmten Klänge aus Dakar. Es gibt zum Beispiel die lauten Gebetsrufe, die mitten in der Nacht zu hören sind. Erstmal denkt man natürlich, diese Rufe sind einfach so etwas stört den nächtlichen Frieden. Aber wenn Du Dir Zeit nimmst, länger zuzuhören, dann entdeckst Du die Schönheit dieser Gesänge. Und als ich jetzt nach Bonn kam, muss ich sagen: Ich selbst habe sehr viel gelernt aus unseren Diskussionen darüber, wie wir bestimmte Klänge und Geräusche wahrnehmen."
Hören abseits von Quintenzirkel, Dur oder Moll
Klangkunst und Klangforschung sind relativ jung. Manche Fragen der Ausstellung, zum Beispiel die Frage, ob es für bestimme Städte charakteristische Klänge gibt, lassen sich schwer beantworten. Carsten Stabenow präsentiert an einer Hörstation bestimmte Hörorte aus Dakar. Manches mag typisch sein, etwa das senegalesische Sprachgewirr auf einem Basar. Vieles ist leider auch eine wenig charmante aber omnipräsent globale Hörwelt, sprich: ein Mix aus Autogeräuschen, aus Hupen, aus lauter Konserven-Musik. Carsten Seiffarth und Carsten Stabenow wollen mit ihrer inspirierenden Ausstellung Sonotopia keine Kritik üben an akustischer Umweltverschmutzung. Aber ohne Zweifel sensibilisieren sie für ein anderes Hören – fernab von Quintenzirkel, Dur oder Moll.
Carsten Stabenow: "Aber es ist irgendwie deutlich geworden, wie wichtig dieses Hören und Zuhören ist. In Zeiten des Social Distancing ist das Hören ein prima Medium, gewisse Grenzen und räumliche Distanzen zu überbrücken. Das hat dann auch reingespielt in diesen Prozess, der zum Teil in der Vorbereitung des Projekts nur aus der Ferne und telemedial passieren konnte. Insofern sind wir dankbar, dass wir das so real machen konnten. Aber es ist auf ganz vielen verschiedenen Ebenen Realität reflektiert worden – über das Wahrnehmen, über das Austauschen, und das miteinander kommunizieren."