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Klare Mehrheit im Bundestag
Die Ehe ist für alle da

Die Ehe für alle ist beschlossene Sache. Nach einer 45-minütigen Debatte haben sich 393 Abgeordnete des Bundestags für eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare entschieden. 226 Parlamentarier stimmten dagegen, vier Abgeordnete enthielten sich ihrer Stimme. Bundeskanzlerin Merkel stimmte gegen die Ehe für alle.

    Mit Konfetti bejubeln die Fraktionsmitglieder von Bündnis 90/Die Grüne am 30.06.2017 im Bundestag in Berlin das Ergebnis nach der Abstimmung zu Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts. In der Mitte Volker Beck. Mit einer historischen Entscheidung hat der Bundestag am Freitag Ja zur Ehe für alle gesagt.
    Mit Konfetti bejubeln die Fraktionsmitglieder von Bündnis 90/Die Grüne im Bundestag in Berlin das Ergebnis nach der Abstimmung zu Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts. (dpa / picture alliance / Wolfgang Kumm)
    Mit dieser Entscheidung dürfen gleichgeschlechtliche Paare künftig genauso heiraten und Kinder adoptieren wie ein Paar von Mann und Frau. Das ist eine historische Entscheidung. Erst 2001 wurde in Deutschland nach langen Konflikten die eingetragene Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare eingeführt.
    Emotionale Debatte
    In einer emotionalen Debatte hatte der Bundestag in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause über die Ehe für alle debattiert. SPD, Grüne und Linke hatten in dieser Woche durchgesetzt, dass das Dauerstreitthema dieser Wahlperiode noch einmal auf die Tagesordnung kommt und abgestimmt wird. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, nannte die geplante Ehe für alle einen "wichtigen gesellschaftspolitischen Fortschritt". Angesichts die Durchsetzung der Abstimmung gegen den Willen des Koalitionspartners Union sagte er, dies sei "wahrscheinlich nicht gut für die Koalition, aber gut für die Menschen".
    Unionsfraktionschef Volker Kauder bekräftigte in der Debatte, dass er persönlich immer noch gegen die Ehe für alle sei. Auch das sei seine "Gewissensentscheidung". Linksfraktionschef Dietmar Bartsch sagte im Plenum des Bundestags: "Ich fordere Sie alle auf, heute für Würde, für Gleichheit und für die Liebe abzustimmen." Damit werde ein Stück weit Normalität in Deutschland geschaffen. Kathrin Göring-Eckardt bedankte sich bei ihrem Kollegen Volker Beck, der jahrelang mit der Causa "genervt" habe: "Danke Volker, das ist dein Lebenswerk." Der homosexuelle Politiker scheidet nach dieser Legislaturperiode aus dem Bundestag aus. Der SPD-Politiker Johannes Kahrs warf Bundeskanzlerin Merkel einen taktisch motivierten Schritt vor, der "erbärmlich" sei. Sie habe das Thema nur aus dem Wahlkampf heraushalten wollen. Jahrelang habe die Union die Gleichstellung von Lesben und Schwulen blockiert. "Liebe Frau Merkel, danke für nichts", sagte Kahrs.
    Merkel stimmt gegen Gesetz
    Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel stimmte gegen die Ehe für alle. "Was die Frage der Ehe anbelangt, so ist es meine Grundüberzeugung, dass der grundgesetzliche Schutz im Artikel 6 die Ehe von Mann und Frau beinhaltet", begründete sie ihre Ablehnung. Sie hoffe aber, dass mit dem Beschluss nun gesellschaftlicher Friede geschaffen werde. Merkel hatte mit einer Äußerung am Montagabend das Thema überraschend ins Rollen gebracht, als sie erklärte, sie und CSU-Chef Horst Seehofer würden bei dem Thema für eine Gewissensentscheidung plädieren. Damit wurde die Fraktionsdisziplin aufgehoben.
    Zu denjenigen aus der Union, die für die Ehe für alle stimmten, gehören Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, Kanzleramtschef Peter Altmaier, Generalsekretär Peter Tauber und Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Auch die ehemalige Familienministerin Kristina Schröder und ihr Mann Ole Schröder, der parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium ist, stimmten dafür. Das sei ein "echter ehelicher Akt" gewesen, twitterte Kristina Schröder.
    Der Politikwissenschaftler Gero Neugebauer sagte im DLF, Kanzlerin Merkel habe durch die Ermöglichung der Gewissensentscheidung zum jetzigen Zeitpunkt klug gehandelt, da das Thema so im Wahlkampf und in eventuellen Koalitionsverhandlungen keine Rolle mehr spiele - und dann möglicherweise auf "Uneinigkeit in der Union" treffe.
    Kanzlerin Merkel stimmt im Bundestag gegen die "Ehe für alle" 30.6.17 
    Kanzlerin Merkel stimmt im Bundestag gegen die "Ehe für alle" (dpa / ap / Michael Sohn)
    SPD-Chef Martin Schulz lobte die Entscheidung als gesellschaftlichen Fortschritt. "Das ist ein schöner Tag, der hart erstritten wurde", sagte Schulz. Mit parteipolitischem Taktieren habe die Ehe für alle aus seiner Sicht nichts zu tun.
    Umweltministerin Hendricks will jetzt einen Antrag machen
    Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) erwägt nun auch eine Heirat. Sie sei im Oktober 2010 eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen. Sieben Jahre könne sie dann voll machen und ihre Partnerin am 22. Oktober 2017 heiraten. "Den Antrag muss ich schon noch stellen, wie sich das richtig gehört", fügte Hendricks hinzu.
    Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) hat die Zustimmung des Bundestages zur Ehe für alle als Sieg für "eine offene und freie Gesellschaft" gewürdigt. "Das ist ein historischer Tag", teilte der Bürgerrechtsverband mit. "Ob man in Deutschland heiraten darf oder nicht, entscheidet zukünftig nicht mehr das Geschlecht, sondern Liebe, Zusammenhalt und das Versprechen, in guten wie in schlechten Zeiten füreinander da zu sein." Nun gehe es darum, aus der gesetzlichen Gleichstellung auch eine gelebte Akzeptanz im Alltag zu machen.
    Der internationale Dachverband der Lesben-, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexorganisationen begrüßte die Entscheidung als historischen Meilenstein. Die Deutsche Aidshilfe erklärte, der Bundestag habe ein längst überfälliges Signal gesetzt. Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Papier, meinte dagegen, das Gesetz sei verfassungswidrig. Er sagte dem Magazin Der Spiegel, wenn man die Ehe öffnen wolle, müsse man das Grundgesetz ändern. Kritik kam auch von der katholischen Kirche.

    Streit noch nicht vom Tisch
    Unions-Abgeordnete prüfen bereits eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Ehe für alle sei grundgesetzwidrig und bedürfe einer Verfassungsänderung, sagte der Justiziar der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl, der "Passauer Neuen Presse". Auch Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer geht davon aus, dass es zu einer Klage kommen wird. Er wisse nicht, wer oder welche Initiative diesen Schritt machen wird. Aber er sei sich "sehr sicher, dass das Gesetz in Karlsruhe überprüft werden wird", sagte der der Zeitschrift "Das Parlament".
    Dem widerspricht Bundesjustizminister Heiko Maas. Auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hält das Gesetz zur Öffnung der Ehe nicht für verfassungswidrig. Dreyer sagte im Deutschlandfunk, der Entwurf sei mehrfach von zahlreichen Verfassungsrechtlern überprüft worden, die ihn für unbedenklich hielten.
    (tzi/mw/vic)