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Klares Ziel

Kernenergie. - Mitte der 1990er Jahre begann in Frankreich die Suche nach einem Platz für sein atomares Endlager. In Bure - 150 Kilometer von der saarländischen Grenze - scheint man fündig geworden zu sein, und so hat am 15. Mai in Frankreich "offiziell" die öffentliche Debatte um die Entsorgung des hochradioaktiven Mülls begonnen.

Von Dagmar Röhrlich |
    CGO heißt das geplante Endlager im lothringischen Bure. Das steht für Industriezentrum für geologische Tiefenlagerung:

    "2006 hat das französische Parlament ein Gesetz verabschiedet, dass die langlebigen Nuklearabfälle ab 2025 in ein tiefes, geologisches Endlager gebracht werden sollen. Die Nationale Agentur für das Management radioaktiver Abfälle Andra soll bis 2015 den Nachweis führen, dass ein solches Endlager sicher gebaut und betrieben werden kann. In Frankreich müssen die Bürger bei Großprojekten einbezogen werden. Deshalb wird bis Oktober dargelegt, wie die Standortwahl ablief, wie das Endlager errichtet werden soll und wie das Sicherheitskonzept aussieht."

    Jacques Repussard, Leiter der Aufsichtsbehörde IRSN, des Instituts für Strahlenschutz und nukleare Sicherheit. In Bure sollen in einer Tonsteinformation 80.000 Kubikmeter Atommüll eingelagert werden, von denen das Gros bereits erzeugt ist.

    "Dem Konzept zufolge werden wir in 500 Metern Tiefe ein mehr als 35 Kilometer langes Tunnelsystem errichten, dass sich über mehrere Quadratkilometer erstreckt. Von diesen Tunneln gehen röhrenförmige Einlagerungszellen ab, in die ein Roboter die Abfallgebinde schiebt. Ist eine Zelle voll, wird sie mit Ton verschlossen. Sind alle Zellen in einem Abschnitt verfüllt, wird dieser selbst versiegelt."

    Der Abstand von 500 Metern zur Oberfläche soll dafür sorgen, dass der Atommüll weit von den Menschen und ihrem Handeln entfernt ist und auch von der Erosion, die das Land langsam verändert. Das Endlager selbst liegt dann mitten in der rund 130 Meter mächtigen Tonformation, so dass Grundwasser weder von oben noch von unten her eindringen kann. Repussard:

    "Es wird etwa 100 Jahre dauern, die 80.000 Kubikmeter Abfall Container für Container über eine Rampe nach unten zu schaffen. Dann soll das Parlament entscheiden, ob das Endlager für immer geschlossen wird."

    Das Endlager wird zwar auf eine Million Jahre ausgelegt, aber das Gesetz verlangt, dass die Entscheidung noch eine Weile rückgängig gemacht werden kann:

    "Die Betriebsdauer soll bei mindestens 100 Jahren liegen - plus einer gewissen Anzahl von Jahren, in denen alles wieder zurückgeholt werden kann, falls künftige Generationen mit dem Abfall anders verfahren wollen."

    Um 2125 wird die endgültige Entscheidung fallen müssen, schätzen Experten der staatlichen Agentur für Atomabfall Andra. Das Sicherheitskonzept setzt darauf, dass der Ton die Radionuklide so lange zurückhält, bis der natürliche Zerfall seine Arbeit getan hat und der Abfall keine Gefahr mehr darstellt. Aber - anders als beim Salz, wo, falls es gut geht, kein Wasser an die Abfälle kommt und die Radionuklide eingeschlossen bleiben - muss bei Tonstein mit dem Faktor gerechnet werden. Jacques Repussard:

    "Diese Tonsteine sind mit Wasser imprägniert. Weil sie jedoch kaum durchlässig sind, fließt dieses Wasser extrem langsam. Deshalb bleiben die Radionuklide auch dann noch im Endlager gefangen, wenn Behälter und Bergwerk zerstört sein werden. Da die Radioaktivität mit der Zeit abklingt, werden die Radionuklide, falls sie irgendwann die Oberfläche erreichen, etwa das Niveau der natürlichen Hintergrundaktivität haben und keine Gefahr mehr für die Menschen darstellen."

    Im Moment arbeitet die Andra am genauen Design des Endlagers. Falls das Projekt 2015 genehmigt wird, könnte 2017 der Bau und 2025 oder 2030 die Einlagerung beginnen. Ein stringenter Plan, urteilt Stefan Alt vom Ökoinstitut Darmstadt:

    "Wie sich das jetzt die nächsten zehn, 15 Jahre entwickelt, da wird noch eine ganze Menge passieren und da wird man auch noch technische Optimierungen machen müssen. Aber grundsätzlich kann man im Tongestein auch ein Endlager bauen. Man muss es halt richtig machen und man muss halt die Technik dafür noch weiter entwickeln."

    Auf Seite der deutschen Behörden gehe es nun darum, die grenzüberschreitenden Aspekte näher zu betrachten und sich in die Debatte einzumischen. Denn die Diskussion in Frankreich laufe nur auf nationaler Ebene.