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"Klartextpolitik und Standortbestimmung der konservativen Politik"

"Aschermittwoch ist ja immer eine Klartext-Veranstaltung", unterstreicht CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Politische Auseinandersetzungen zwischen den Koalitionspartnern bezeichnete er als notwendig, wenn man zu guten Ergebnissen kommen wolle. Zugleich warnte Dobrindt davor, in der Sozialpolitik die Gesellschaft zu spalten.

Alexander Dobrindt im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Die Karnevalstage sind vorbei. Der heutige Aschermittwoch läutet im christlichen Kalender die Fastenzeit ein. Doch politisch betrachtet soll es noch einmal deftig zugehen. In Demmin, in Straubing und in Vilshofen sprechen die Parteivorsitzenden von CDU, FDP und SPD vor ihren Anhängern und CSU-Chef Seehofer meldet sich traditionell in Passau zu Wort.
    Am Telefon ist der Generalsekretär der CSU. Guten Morgen, Alexander Dobrindt.

    Alexander Dobrindt: Guten Morgen, Frau Engels!

    Engels: Wie zeigt man denn per Aschermittwochsrede klare Kannte gegenüber dem politischen Gegner, wenn die größten inhaltlichen Differenzen mit dem eigenen Koalitionspartner bestehen?

    Dobrindt: Aschermittwoch ist ja immer eine Klartext-Veranstaltung, aber es ist natürlich auch eine Standortbestimmung für konservative Politik für ganz Deutschland. Das werden wir heute deutlich machen. Uns geht es darum zu zeigen, was konservative Politik bei der Gesundheit, was zum Beispiel konservative Politik bei der Finanzkrise, was konservative Politik bei der Stärkung der Familien erreichen und ausmachen kann. Das werden wesentliche Themen sein, die wir heute besprechen.

    Engels: Aber Hartz-IV-Debatte, Atompolitik, Gesundheitsreform, was Sie gerade sagen, Steuerreform, da sind Sie doch sofort wieder im Konflikt mit der FDP, zum Teil auch mit der CDU.

    Dobrindt: Der politische Gegner für uns steht links, das ist die SPD, das sind die Grünen, das sind die Linkspartei, und wir werden trotzdem deutlich machen, dass wir ein großes Interesse daran haben, dass diese Bundesregierung erfolgreich ist, und deswegen wollen wir Politik für alle in Deutschland machen und nicht nur für eine bestimmte Klientel. Auch das kann man natürlich am Aschermittwoch diskutieren.

    Engels: Sie wollen eine erfolgreiche Bundespolitik. Teilen Sie denn die Wortwahl von Guido Westerwelle, der ja letzte Woche geschrieben hatte, wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspreche, der lade zu spätrömischer Dekadenz ein?

    Dobrindt: Wir tun in erster Linie gut daran, wenn wir keine Spaltung in unsere Gesellschaft hineintragen. Leistung muss sich in unserem Land genauso lohnen, wie unser Land sein soziales Gesicht bewahren muss. Beides gehört untrennbar zusammen. Und Solidarität ist übrigens ein Grundwert in der sozialen Marktwirtschaft und nicht sozialistisch.

    Engels: Dann sind Sie in dem Punkt doch bei Guido Westerwelle, auch in seiner Formulierung?

    Dobrindt: Nein! Ich habe ja noch mal deutlich gemacht: Es geht eben nicht darum, die Gesellschaft in Deutschland zu spalten. Beides muss möglich sein, Fordern und Fördern. Wir in Bayern setzen das um, andere Länder machen das nicht im gehörigen Maße. Darüber kann man diskutieren, aber es muss beides in der Tat möglich sein. Leistung muss sich lohnen, ein soziales Gesicht muss man behalten können.

    Engels: Guido Westerwelle selbst gibt sich enttäuscht über die CSU. Er sagt heute in der "Passauer Neuen Presse", "in der Bekämpfung linker Ideologien hätte die FDP früher die CSU auf ihrer Seite gehabt". Ist das nicht mehr so?

    Dobrindt: Ich habe noch mal deutlich gemacht, auch in den letzten Tagen, dass wir den Gegner links sehen, die SPD, die Grünen, die Linkspartei, und dass die Debatte, die man zurzeit vernimmt, dass es irgendwelche schwarz-grünen Gespensterdebatten gebe, dass die hauptsächlich von der FDP kommt, nicht von uns. Wir haben eine klare Standortbestimmung. Wir machen konservative und bürgerliche Politik, das wollen wir auch in Passau deutlich machen. Übrigens auch da muss man sagen, in Passau leuchtet heute die olympische Flagge der Konservativen und auch der Bürgerlichen, nicht in Straubing.

    Engels: Wie wird denn das konservative Element rund um die Hartz-IV-Debatte weitergehen? Gestern – wir können es ja konkreter machen – wurde bekannt, dass das Bundesarbeitsministerium nur in wenigen Fällen direkt Zusatzhilfen für Hartz-IV-Empfänger genehmigen will. Auf der Liste steht Finanzierung von Nachhilfe für Kinder, Haushaltshilfen für Rollstuhlfahrer, Medikamente für chronische Krankheiten – Ende. Ist diese Liste lang genug?

    Dobrindt: Das Bundesverfassungsgericht hat uns ja eine Aufgabe gegeben, dieser Aufgabe müssen wir gerecht werden. Wir haben die nächsten Monate die Zeit, dass wir Hartz IV in seiner Substanz neu diskutieren, und da geht es natürlich darum, auch Leistungen entsprechend neu zu diskutieren. Das ist eine Aufgabe, die die Bundesregierung zu erledigen hat, da muss man jetzt nicht vorweg schon irgendwelche Festlegungen entsprechend machen. Ich glaube, auch da geht intensive Debatte vor Schnelligkeit.

    Engels: Stehen Sie hinter dieser Liste oder nicht?

    Dobrindt: Es gibt in dieser Liste – es gibt ja noch eine weitere Liste, die jetzt schon die Hartz-IV-Regelsätze zusammensetzt; da sind die einen oder anderen Unklarheiten letztlich drinnen. Das muss man in der Summe noch mal anschauen und dann werden wir es bewerten.

    Engels: Die FDP fordert eben auch eine Rundumerneuerung von Hartz IV und will nun alle Sozialtransfers in einem Bürgergeld bündeln. Sind Sie dabei?

    Dobrindt: Nein. Das Bürgergeld ist kein Konzept, das heute sich diese Bundesregierung auf Basis ihres Koalitionsvertrages als Aufgabe gegeben hat. Wir wollen das, was das Bundesverfassungsgericht uns auferlegt hat, entsprechend auch umsetzen, mehr momentan nicht.

    Engels: Wir haben ja viele Streitpunkte schon in den letzten Wochen gesehen. In der FDP will man eine andere Gesundheitspolitik, als die CSU das will, in der Atompolitik ist die CDU auf anderer Linie als die CSU, Hartz IV haben wir eben angesprochen. Über was kann Herr Seehofer eigentlich reden heute?

    Dobrindt: Wir werden alle diese Themen natürlich auch ansprechen. Eine Standortbestimmung, die ja für ganz Deutschland gelten soll, für konservative Politik bedingt ja, dass man heute Lösungsansätze präsentiert. Das werden wir entsprechend auch tun. Wir stellen ja auch fest, dass mit unseren Positionen, die sind vereinbar mit dem, was der Koalitionsvertrag auch formuliert hat. Auf dieser Basis machen wir Politik.

    Engels: Aber nehmen wir das Beispiel Atomkraftwerke heraus. Da hat ja Umweltminister Norbert Röttgen doch ziemlich deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er von der langfristigen Betreibung von Atomkraftwerken recht wenig hält. Die CSU hat aufgeschrien. Was soll sie heute sagen?

    Dobrindt: Wir haben immer eine klare Position bei der Kernenergie gehabt. Sie ist eine Brückentechnologie und sie ist schlichtweg notwendig, um Energiesicherheit in Deutschland zu gewährleisten für die nächsten Jahre, um auch die Kosten der Energie auch zukünftig bezahlbar zu halten. Deswegen sind wir für die Verlängerung der Kernkraftwerke. Wir haben ja eine Energiekommission eingesetzt, sie wird im Laufe des Jahres sich über Laufzeiten und alles, was damit verbunden ist, Gedanken machen. Auch da ist es jetzt falsch, Vorfestlegungen zu machen aus dem hohlen Bauch heraus, die mit realer Politik wenig zu tun haben.

    Engels: Das waren die Inhalte; nun kommt es auch immer auf den Tonfall an. In den vergangenen Wochen haben Sie in einigen Bereichen, beispielsweise als Sie Guido Westerwelle empfahlen, Geheimabsprachen zu vermeiden, als es um den türkischen EU-Beitritt ging, ziemlich zugeschlagen. Versprechen Sie sich, oder nehmen Sie sich für die Fastenzeit vor, etwas sanftmütiger mit dem Koalitionspartner umzugehen?

    Dobrindt: Politische Auseinandersetzungen, die sind in einer demokratischen Kultur, wie wir sie pflegen, erstens notwendig, zweitens auch verträglich. Wir wollen ja am Schluss zu wirklich guten Lösungen kommen und da muss man Diskussionen führen. Ich glaube auch, dass die Menschen ein Anrecht darauf haben zu erfahren, wie Politik zu Ergebnissen kommt. Transparenz in der Diskussion muss möglich sein, das tun wir und manche sagen, da wird zugespitzt formuliert. Ich sage, man muss einfach auch das Spot-Licht im Fokus auf die Probleme legen, die die Menschen bewegen, und das tue ich immer wieder gerne. Ich glaube auch, dass es heute stattfinden wird.

    Engels: Wie zum Beispiel?

    Dobrindt: Mal schauen. Ich will die Reden, die heute stattfinden, ja nicht vorweg nehmen. Aber Klartextpolitik und Standortbestimmung der konservativen Politik, das wird heute im Vordergrund stehen.

    Engels: Das heißt, die Unruhe innerhalb der Koalition, auch was die Wortwahl angeht, geht weiter?

    Dobrindt: Nein. Die Unruhe muss entsprechend nicht weitergehen. Ich glaube, dass man allen empfehlen kann, ein bisschen weniger Befindlichkeiten an den Tag zu legen, und das täte uns auch gut.

    Engels: Alexander Dobrindt, CSU-Generalsekretär, zum heutigen politischen Aschermittwoch. Vielen Dank für das Gespräch.

    Dobrindt: Danke schön!