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Klasse und Masse

Ziel ist es, bis 2010 den ökologischen Landbau auf 20 Prozent der landwirtschaftlich genutzen Fläche in Deutschland auszuweiten. Das ist sehr ambitioniert. Es ist auch durchaus realistisch. Österreich hat bereits seit Jahren zehn Prozent ökologischen Landbau. Schweden hat sich das Ziel gesetzt, 25 Prozent zu erreichen. Sie sehen also, es gibt Agrarminister, Agrarministerinnen in Europa, die sind noch realistischer als ich.

Von Peter Podjavorsek |
    Verbraucherministerin Renate Künast demonstriert Zuversicht. Ob sich ihre Prognosen bewahrheiten, muss sich erst noch zeigen. Doch schon heute stellen immer mehr konventionelle Bauern auf Öko-Landbau um. Die kleinen, traditionellen Biohöfe geraten unter wirtschaftlichen Druck. Wie wird der Öko-Landbau in Zukunft aussehen? Ist er in der Lage, genügend Fleisch oder Milch für einen Massenmarkt zu liefern?

    Vier Dutzend Schweine stehen auf einer eingezäunten Wiese. Einige fressen genüsslich das üppig wachsende Kleegras, andere suhlen in einer Schlammkuhle - unbeeindruckt von den Regenwolken, die am Himmel aufziehen.

    Schweinen in ökologischer Freilandhaltung scheint es gut zu gehen. Doch die vier Dutzend Tiere werden wohl nicht auf den Tellern gesundheitsbewusster Verbraucher landen. Sie fressen für die Wissenschaft. Bislang gibt es kaum Arbeiten über Schweine im Öko-Landbau. Es lohnte sich nicht, denn ihr Fleisch hat zur Zeit einen Marktanteil von gerade einmal 0,3 Prozent. Am Institut für ökologischen Landbau in Trenthorst, 60 Kilometer nordöstlich von Hamburg, wird nun untersucht, wie die Haltung von Bio-Schweinen für einen größeren Markt optimiert werden kann. Dr. Gerold Rahmann, Leiter des Instituts:

    In der Regel ist das so, dass die Öko-Landwirte irgendwann umstellen und dann das weitermachen zunächst, was sie vorher auch hatten. Und wenn das Schafe waren einer bestimmten Rasse, oder Rinder oder Schweine, dann stellt man die um. Und wenn sie dann umgestellt sind, dann ist das Wichtigste, die Herde weiterzuentwickeln, ohne zu viel Zukäufe, das ist zu teuer.

    Diese Hochleistungsrassen, so die verbreitete Ansicht, seien aber für die Bedingungen der ökologischen Haltung weniger gut geeignet. Die Tiere würden nicht genügend Leistung bringen oder Verhaltensauffälligkeiten zeigen. Tatsächlich gibt es für diese Annahmen aber kaum Belege. Auf den Trenthorster Flächen stehen deshalb Schweine vier unterschiedlicher Genotypen: zwei Hochleistungs- und zwei lokale Haustierrassen. In Fütterungsversuchen wird untersucht, wie die einzelnen Genotypen ökologisches Futter verwerten.

    Wir haben im Öko-Landbau das große Problem der limitierenden Aminosäuren, vor allem Lysin, die in unseren Futterpflanzen nicht ausreichend drin sind. Die Tiere werden deswegen in der Regel zu schnell fett, setzen nicht genügend Fleisch an und haben dann Schlachtkörper- oder Fleischkörperqualitätsprobleme.

    Mindestens 54 Prozent Fleischanteil muss ein Öko-Schwein beim Schlachten aufweisen. Ein hoher Wert, denn Schweine neigen dazu, Fett anzusetzen. Das taten zunächst auch die Trenthorster Tiere. Im ersten Jahr bekamen sie ausschließlich Kleegras von den Wiesen als Proteinquelle. Für Wiederkäuer ein hochwertiges Futtermittel, erwies sich das Gras für die Schweine jedoch als gänzlich ungeeignet. Die Tiere erreichten nicht einmal 50 Prozent Fleischanteil. Auch der Tageszuwachs war mit 300 bis 500 Gramm bei weitem zu gering.
    Im zweiten Jahr verfüttern die Forscher nun zusätzlich Erbsen und Ackerbohnen. Der tägliche Zuwachs ist dadurch auf akzeptable 600 bis 800 Gramm gestiegen. Der Fleischanteil, so zeigen die Analysen im institutseigenen Labor, ist aber nach wie vor zu niedrig. Das Problem liegt in der Vormast.
    Rahmann:

    Wenn die zwischen 25 Kilo, wenn die als Ferkel auf die Weide kommen, bis 40, 50 Kilogramm haben, brauchen sie ein so hochwertiges proteinhaltiges Futter, vor allem mit den Mangelnährstoffen wie Lysin, auch Meteonin. Und die können wir hier mit Kleegras, Ackerbohnen und Erbsen so erst mal nicht lösen. Und wenn sie dieses nicht ansetzen in diesen ersten Wochen, dann haben sie danach auch das Problem, dass sie zwar gute Tageszunahmen haben, aber eben die Schlachtkörper in der Fleischqualität nicht ausreichend sind.

    In der Praxis verfüttern Öko-Landwirte häufig Kartoffeleiweiß oder Maiskleber. Diese Proteinlieferanten werden aber nur im konventionellen Landbau hergestellt. Und ab 2005 werden sie, wie alle konventionellen Futtermittel, im Öko-Landbau ganz verboten. Die Trenthorster Forscher suchen deshalb nach Alternativen. Eine Möglichkeit: die Verfütterung von gepressten Rückständen aus der Rapsölherstellung. Bislang spielt Raps im Öko-Landbau praktisch keine Rolle, da sein Anbau recht schwierig ist. Auf dem Trenthorster Betrieb wird er gleichwohl kultiviert, um mit dem Rapsöl die Landmaschinen anzutreiben. Die gepressten Rückstände wurden bislang weggeworfen.

    Wir wissen um die Chance dieses Kuchens, Rapskuchens. Aber er ist überhaupt nicht bekannt in der Schweinhaltung. Und da sehen wir die Chance, dass dort genau diese Mangelnährstoffe, wenn wir das gut gepresst haben, das Öl also abgezogen haben, eben als Ausgleichsfutter für die Vormast haben. Und das wird nächstes Jahr statt finden. Ich denke, Ende nächsten Jahres können wir das Ergebnis auf den Tisch legen.

    Eine erstaunliche Erkenntnis haben die Wissenschaftler aber bereits jetzt: Die Hochleistungsschweine kommen mit den ökologischen Haltungsbedingungen bestens zurecht. Sie haben sogar größere Tagesgewichtszunahmen als die alten Haustierrassen.

    Ein Gang über die Weide führt zu einem weiteren Problem der Freilandhaltung von Tieren. In der Mitte des Geländes stehen die Tränke und Tröge für das zusätzliche Futter der Schweine. Hier halten sie die Tiere am liebsten auf. Und ein Blick auf den Boden zeigt die Konsequenz: hier häufen sich die Exkremente. Ein übel riechendes Problem. Rahmann erklärt:

    Die Ausläufe sind entweder stark wurmbelastet, wo sie immer rumwühlen und das selten ausgetauscht werden kann. Und zweitens, dass da eine Umweltkontamination vorhanden ist. Dass das also an den Ausläufen, dort suhlen die, dort wird hingeschissen, dann ins Grundwasser gehen kann.

    Ein Umtriebsystem kann dieses Risiko vermindern. Das heißt, die Tiere werden heute meist im Rotationsprinzip auf neue Flächen gebracht, in Trenthorst geschieht das alle drei Wochen. In der landwirtschaftlichen Praxis fehlt aber häufig der Platz dafür. Die Forscher erproben nun, exemplarisch an einer im Freiland gehaltenen Schafherde, ein neues Verfahren zur Bekämpfung von Würmern: mit Sporen des Mikropilzes "Duddingtonia flagranz".

    Diese Pilzsporen sind überall auf der Welt im Boden existent. Und die Tiere fressen sie mit, und die werden mit ausgeschieden. Im Körper machen sie also nichts. Und wenn sie ausgeschieden sind, dann bilden sie Hyphen oder ein Mycel im Boden und verknüpfen sich dann auch mit den Larven von den Würmern. So dass diese Larven dann inaktiv sind.

    In der freien Natur kommen diese Pilzsporen allerdings nur in relativ geringen Mengen vor. Ein Labor in Dänemark kultiviert sie deshalb und kapselt sie in kleine Körner ein. Diese verfüttern die Trenthorster Forscher dann an die Schafe - rund 50 Millionen Sporen pro Tier.

    Und das ist dann verknüpft in verschiedenen Forschungsthemen. Erst mal: Hat das wirklich keine Effekte auf die Milchqualität? Dann haben wir bodenbiologisch eine Tätigkeit. Hat das also eine Auswirkung zum Beispiel auf die Bodenfauna, Bodenlebewesen? Das darf nicht negativ sein. Und natürlich ganz klar, als dritte zentrale Fragestellung: Wie positiv ist das für die Wurmproblematik? Wir wollen die Würmer gar nicht weghaben. Aber wir wollen die Würmer so wenig haben, dass sie keinen Leistungsabfall produzieren.

    Wenn die Methode funktioniert, ist sie direkt auf Kühe und Schweine übertragbar. Doch so weit ist es noch nicht. Denn bei den bisherigen Versuchen verringerte sich die Wurmbelastung nur bei einer der beiden Testgruppen. Jetzt gilt es herauszufinden, woran das liegt.

    Ortswechsel: ein Hühnerstall auf dem Forschungsgut Merbitz, einer Außenstelle der Universität Halle. In dem niedrigen Raum befinden sich dicht an dicht mehrere Verschläge. Sie sind jeweils 15 Quadratmeter groß und ihrerseits in verschiedene Bereiche eingeteilt. Auf dem Boden scharren Hühner im Stroh, in den Ecken sitzen einzelne Tiere auf Stangen. In anderen Bereichen legen Hühner gackernd ihre Eier. An den kleinen Türöffnungen, die ins Freiland führen, herrscht reges Kommen und Gehen. Glückliche Hühner, so scheint es.

    Doch der erste Eindruck täuscht, weiß Eberhard von Borell. Der Professor am Institut für Tierzucht und Tierhaltung beschäftigt sich seit Jahren mit Fragen der ökologischen Hühnerhaltung.

    Ein Hauptproblem ist das gegenseitige Bepicken der Legehühner bzw. auch der Masthühner. Das kann nicht nur dazu führen, dass Federn beschädigt werden oder ausgerissen werden. Sondern das ist meistens auch die Vorstufe dazu, dass die Tiere Kannibalismus untereinander zeigen. Das heißt, kahle Stellen werden dann weiter bepickt. Und wenn die Tiere erst mal verletzt sind, also Blut im Spiel ist, dann geht das Ganze seinem fatalen Ende zu. Also die Tiere hören dann nicht auf zu picken, und das kann dann bis zum Todesfall weitergeführt werden.

    Solch aggressives Verhalten kommt zuweilen selbst auf dem Forschungsgut Merbetz mit seinen wenigen hundert Hühnern vor. Problematisch wird es aber vor allem auf Großbetrieben, wo inzwischen bis zu 100.000 Tiere nach Öko-Kriterien gehalten werden. Erstaunlicherweise tritt das gegenseitige Bepicken eher bei Freiland- als bei Käfighaltung auf. Die Gründe dafür sind bislang nicht eindeutig geklärt.

    Da gibt es verschiedene Erklärungsmodelle. Das hängt unter Umständen mit der Gruppengröße zusammen. Wenn man die Tiere in sehr kleinen Gruppen hält, da hat man doch mitunter sehr stabile Rangordnungsverhältnisse, ist die Wahrscheinlichkeit auch nicht so groß, dass das auftritt.

    Aber auch die genetische Herkunft der Tiere könnte eine Rolle spielen. Hühner sind heute stark auf Eigenschaften selektiert, die optimal für die Käfighaltung sind und dort optimale Leistungen bringen. Mit der Freilandhaltung scheinen diese Tiere weniger gut zurecht zu kommen. Auf dem Gut Merbetz werden derzeit zwei verschiedene Genotypen gehalten. Eine Züchtungslinie ist auf Höchstleistung beim Eierlegen im Käfig getrimmt, die andere kann auch als Masthuhn verwendet werden. Untersucht haben die Forscher zunächst die Mobilität der Tiere. Von Borell:

    Die Besonderheit, die wir hier sehen, dass die Tiere mit einem kleinen Chip ausgestattet sind. Und mit Hilfe dieses Chips können wir genau verfolgen, welches Tier sich zu welchem Zeitpunkt an welchem Ort befindet. Diese Tiere, die wir jetzt hier im Innenraum sehen, werden vom Computer registriert als Aufenthaltsraum Innenraum oder Scharrraum. Und sobald die Tiere den Stall verlassen und nach draußen gehen, laufen sie durch eine Antenne, eine Induktionsschleife, werden dort erkannt und dann auch wieder dem Computer gemeldet.

    Die Auswertung der Daten brachte Erstaunliches zu Tage: Bis zu 30 Prozent der Tiere verließen überhaupt nie den Stall. Vor allem die kräftigeren, zur Mast gezüchteten Hühner waren besonders immobil. Und das hat wiederum Auswirkungen auf ihr Verhalten.

    Die Tiere, die sich mehr im Stall aufhalten und weniger im Außenbereich, die haben weniger Abwechslung, können sich also nicht mit Bodenpicken, oder mit Gegenständen beschäftigen. Und die sind eher geneigt, im Innenraum ihre Artgenossen zu bepicken. Wir versuchen jetzt herauszufinden, welche Genotypen, also welche genetischen Linien, Rassen, besonders geeignet sind für diese Bedingungen. Das heißt, welche häufig rausgehen, sich auch draußen länger aufhalten. Und welche auch am wenigsten verhaltensauffällig sind.

    Wie die angegriffene Grasnarbe vor dem Stall zeigt, bleiben aber auch Tiere, die den Stall verlassen, häufig in unmittelbarer Nähe des Eingangs. Hier sind sie näher am Futter und fühlen sich geschützter vor ihren natürlichen Feinden: vor Raubvögeln, Füchsen, Mardern. Das Verhalten der Hühner führt die Idee der Freilandhaltung ad absurdum. Und gerade in Großbetrieben kann es dazu führen, dass die riesigen Freilaufflächen praktisch ungenutzt bleiben, und in bestimmten Arealen der Boden massiv kontaminiert und mit Parasiten belastet ist. Eberhard von Borell:

    Es ist nicht so, dass hier die Sterblichkeitsrate geringer wäre als bei den Käfigtieren. Ganz im Gegenteil. Man kann davon ausgehen, dass man im Käfig, Verlustraten von fünf bis zehn Prozent hat im Laufe der Legeperiode. Und hier im Auslauf sind es im Moment idealer Weise zehn bis 15 Prozent. Wenn das Management nicht optimal ist, auch bis zu 30 Prozent. Sie müssen bedenken, dass die Tiere im Käfig, auch wenn sie dort ihre Verhaltensmerkmale nicht alle ausleben können, sie von der Hygiene optimal geschützt sind, in der Form, dass sie von ihrem Kot getrennt gehalten werden. Das heißt, der Kot fliegt durch diesen Gitterboden durch und wird dann aufgesammelt.

    Auf dem Gut Merbetz haben die Hühner deshalb ein abwechslungsreiches Freigelände, das sie motivieren soll, die ihnen zustehenden vier Quadratmeter tatsächlich zu nutzen. Bäume und Sträucher bieten den Tieren Schutz und Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Auslauf ist in mehrere Verschläge aufgeteilt, damit sich nicht zu viele Hühner an ein und derselben Stelle drängeln. Und tatsächlich halten sich mehrere Tiere auch in abgelegenen Ecken auf. Statt ihre Artgenossen bepicken sie Pflanzen oder herumliegende Steine. Ein Teil der Hühner scharrt außerdem in einem überdachten Auslauf zwischen Stall und Freigelände.

    Es ist so, dass manchmal die Witterungsverhältnisse nicht so optimal sind und die Tiere trotzdem draußen sein wollen. Und dann gehen sie eben gerne in diesen Wintergarten rein. Es ist auch für viele Hühnerhalter eine Alternative zur gänzlichen Freilandhaltung. Das hat den Vorteil, dass man alles besser kontrollieren kann. Die Exkremente werden zum Beispiel nur in diesem Raum abgesetzt. Man kann also die Einstreu, wir haben hier Rindenmulcheinstreu, die kann man also auswechseln und anderweitig nutzen. Und die Tiere sind geschützt vor Feinden. Es kann kein Marder oder Fuchs eindringen.

    Das Labor des Instituts für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung an der Universität Göttingen. Professor Johannes Isselstein füllt getrocknete und gemahlene Kräuter in mehrere Glaskolben. Unter dem Abzug spannt er die Gefäße in einen so genannten Fibertec. Mit diesem Gerät können die Faseranteile der Pflanzen bestimmt werden. Das Ziel: ein Anhaltspunkt für den Futterwert.

    Wir befassen uns intensiver mit Kleegras, Kräutern, überhaupt kräuterreichen Beständen. Weil die in der ökologischen Praxis eine große Rolle spielen. In der konventionellen Praxis ist es so, dass die Pflanzenbestände vergleichsweise artenarm sind, gerade wenn es um intensivere Wirtschaftsweise geht. Und in welchem Maße die Kräuter die Qualitätseigenschaften, die Verwertbarkeit des Futters im Betrieb beeinflussen, ist nicht hinreichend untersucht. Und das ist ein Forschungsschwerpunkt, den wir hier haben.

    Kräuterreiche Wiesen, so die weit verbreitete Ansicht, seien gesünder und besser für die Tiere. Kühe, die im Sommer auf der Alm stehen, würden schmackhaftere Milch geben, Käse eine bessere Qualität haben. Um das zu überprüfen, haben die Forscher einen so genannten künstlichen Pansen aufgebaut, eine Apparatur, die mit ihren verschlungenen Röhrchen und Glaskolben eher an eine Destillationsröhre erinnert als an den Magen einer Kuh. Pansensaft von Spendertieren bzw. Enzympräparate werden hier mit gemahlenen Futterproben vermengt, unter Bedingungen und Temperaturen, wie sie im tierischen Pansen herrschen. Es bilden sich Gase - und die geben Aufschluss über die gute oder eben eher schlechte Verdaulichkeit des Futters.
    Wir haben eine ganze Reihe von Kräuterarten untersucht. Und man kann sie nicht über einen Leisten schlagen. Es gibt eine Reihe von Kräuterarten, wie den Löwenzahn, Spitzwegerich, die eine gute Verdaulichkeit haben, die an die von Weißklee heranreicht. Weißklee ist eine Futterpflanze, die sehr wertvoll ist.

    Gleichzeitig können auf kräuterreichen Wiesen aber auch Pflanzen wachsen, die ernährungsphysiologisch wertlos oder sogar schädlich sind. Dotterblumen oder bestimmte Hahnenfußarten verursachen zum Beispiel Vergiftungen, zu viel Löwenzahn Durchfall.

    Und der ökologische Landbau muss, wenn er solches Grünland nutzen will, versuchen, eine solches System auszutarieren. Also zum Beispiel über selektives Weiden, dass die Weidetiere die guten Komponenten finden, die möglicherweise schlechten dann aussparen können. Das verlangt dann allerdings in der Pflege, dass man nachmäht, damit die Grasnarben sich nicht unerwünscht verändern.

    Es gibt ein weiteres Vorurteil über ökologisch bewirtschaftete Acker- und Grünflächen: dass sie die Umwelt weniger belasten. Das muss aber nicht immer zutreffen. Im Öko-Landbau wird zwar auf den Einsatz von Pflanzen- und Insektenvernichtungsmitteln verzichtet. Doch auch hier kann Nitrat ins Grundwasser sickern. Im konventionellen Landbau droht dieses Problem durch überschüssigen mineralischen Dünger, der von den Pflanzen nicht verwertet werden kann und dann ausgewaschen wird. Der Öko-Landbau verwendet statt dessen ein ausgeklügeltes System, bei dem der Anbau von Ackerfrüchten mit dem von Grünland abwechseln.

    Man versucht durch die Anpassung in der Fruchtfolge, Aufbau- und Abbauphasen aneinander zu reihen. Eine Aufbauphase für Stickstoff sind die Kleegrasjahre, die ein- oder mehrjährig sein können. Das heißt, es wird Stickstoff im Boden angereichert. Und nach Umbruch des Kleegrases wird eine Menge Stickstoff frei, die dann der Nachfrucht zur Verfügung steht. Nämlich dem Weizen, oder Folgefrüchten.

    Die Crux: Beim Umbrechen, also Umpflügen des Bodens können erhebliche Mengen Stickstoff ausgewaschen werden. Der gelangt dann nicht nur ins Grundwasser, sondern steht auch den Früchten nicht mehr zur Verfügung. Die Göttinger Pflanzenforscher verfolgen deshalb auf ihrem norddeutschen Versuchsbetrieb eine andere Strategie.

    Wir betrachten nicht nur den Stickstofffluss auf der Fläche, sondern wir betrachten den Stickstofffluss im ganzen Betrieb. Und ein Gemischtbetrieb hat nicht nur Ackerfläche, sondern er hat auch Grünland. Und wir wollen das Stickstoffsammeln dem Grünland überlassen. Dort kommt Weißklee vor und Gras. Dort kann relativ viel Stickstoff gebunden werden. Der Stickstoff wird abgeführt vom Grasland, zum Beispiel über die Maht in den Stall. Wird vom Tier gefressen. Und die Exkremente sollen dann zurück auf das Ackerland gebracht werden.

    Um den Stickstoffeintrag in den Boden zu messen, haben die Forscher eine so genannte Saugkerzenanlage auf den Versuchsflächen angebracht. Damit können sie Bodenwasserproben aus 75 Zentimetern Tiefe gewinnen. Ein erstes Ergebnis: Auf den Flächen, die als Dauergrünland genutzt und nicht regelmäßig umgebrochen werden, ist der Stickstoffaustrag vernachlässigbar klein. Auch auf den Ackerflächen, die mit den Exkrementen der Tiere, also Jauche oder Mist gedüngt wurden, entstanden nur geringe Nitrat-Auswaschungen.

    Man muss aber eine solche Prüfung über einige Jahre machen, man muss mindestens eine Fruchtfolge durchlaufen lassen, um den Effekt wirklich quantifizieren zu können. Aber die ersten Ergebnisse sind viel versprechend.

    Mit der Ausbreitung der modernen Landwirtschaft in den 60er Jahren verdrängten die auf Höchstleistung gezüchteten Hybriden zunehmend die alten Haustierrassen. Heute sind sie vielfach vom Aussterben bedroht. Doch sie können nach wie vor nützlich sein. Hans Zaller, Mitarbeiter des Instituts für Organischen Landbau an der Uni Bonn, weist auf eine Weide, auf der rund fünfzig Schafe grasen:

    Wir sehen: Auf dieser Koppel sind die ganzen wertvollen Futtergräser von den Rindern weg gefressen worden. Übrig bleibt mehr oder weniger nur noch der Ampfer Und da gehen wir jetzt mit den Skudden rein und lassen die Ampferbestände von den Skudden wegfressen.

    Skudden sind eine vom Aussterben bedrohte Schafrasse, die ursprünglich aus dem Baltikum und Ostpreußen stammt. Die auf der Weide grasenden Tiere stammen von einem Privatzüchter aus der Nachbarschaft des Versuchsguts. Er hatte festgestellt, dass die Tiere mit großer Begeisterung Ampfer verspeisen. Ein Unkraut, des besonders im ökologischen Landbau schwer zu bekämpfen ist.

    Das liegt zum einen daran, dass er ein unglaubliches Wuchsvermögen hat. Er kann eine Höhe von einem Meter innerhalb von zwei Monaten erreichen. Und er wird auch als so genannter Platzräuber bezeichnet. Das heißt, er verdrängt andere wertvolle Futtergräser. Hat selbst einen sehr geringen Futterwert. Vor allem für Rinder. Es gibt Untersuchungen dazu, wonach Rinder Durchfallerkrankungen kriegen, wenn sie zuviel Ampfer fressen.

    Hans Zaller, Experte in Sachen Ampferforschung, nimmt seinen Ampferstecher und gräbt eine rund 20 Zentimeter hohe, vielblättrige Pflanze aus.

    Und da sieht man schon, was die für enorme Wurzeln die ausbilden Diese Wurzel geht runter bis auf drei Meter Tiefe. Das heißt, die Ampferpflanze ist dadurch auch in der Lage, lange Trockenperioden zu überstehen im Vergleich zu den Futtergräsern. Und dann ist noch das Problem, dass selbst kleinste Wurzelstücke, wir haben das mal versucht, selbst Wurzelstücke von nur fünf Millimeter Größe, die sind noch regenerationsfähig.

    In der konventionellen Landwirtschaft wird Ampfer mit Herbiziden bekämpft. Doch auch damit gelingt es nicht, dem Unkraut Herr zu werden. Im Gegenteil: Ampfer breitet sich in den letzten Jahren auf Dauergrünlandflächen, ob ökologisch oder konventionell bewirtschaftet, immer weiter aus. Wirksame Strategien sind also gefragt.

    Was wir hier gemacht haben, um den Erfolg zu testen, ist, dass wir 60 Pflanzen markiert haben und die Regeneration der eingemessenen Pflanzen immer wieder messen, also bonitieren. Die Pflanzen sind jetzt eingemessen, nachdem die Schafe hier geweidet haben. Das sieht alles aus wie ein Parkrasen, ist alles Ratzeputz kahl gefressen. Und wir lassen das dann wieder nachwachsen. Das dauert drei bis vier Wochen, je nach Witterung. Wir gehen dann zu den eingemessenen Pflanzen und bonitieren die. Das heißt, wir vermessen die Pflanzen, zählen die Anzahl der gebildeten Blätter, wir bestimmen die Blattfläche. Wir ziehen Bodenproben an derselben Stelle. Wir nehmen Blattproben, um sie auf Nährstoffe etc. zu untersuchen.

    Erste Erfolge sind bereits sichtbar. Die Tiere grasen jetzt das zweite Mal auf den Weiden und einige Pflanzen sind bereits komplett verschwunden. Die Schafe besuchen eine Ampferpflanze während der Weidezeit öfters. Sobald etwas nachwächst, gehen die Tiere wieder dorthin und verbeißen die Triebe. Durch die ständige Regeneration werden nach und nach alle Reservestoffe, die in den Wurzeln eingelagert sind, aufgebraucht.

    Und das hat selbst funktioniert, und das hat uns auch selbst erstaunt, bei sehr großen Ampferpflanzen. Auf dieser zweiten Koppel waren die Ampferpflanzen zum Teil über einen Meter hoch Und selbst diese großen Pflanzen wurden von den Skudden gefressen.

    Natürlich fressen die Tiere auch die anderen Gräser. Doch die können sich schnell wieder regenerieren und beim Nachwachsen die Ampferpflanzen verdrängen. Da die Schafe recht anspruchslos sind, können sie das ganze Jahr über draußen gehalten werden. Die Nachteile: Der Umtrieb der Tiere muss gemanagt werden, und die Wolle und das Fleisch der Skudden sind nicht so ertragreich wie bei anderen Schafsrassen. Statt eigener Haltung wären deshalb auch andere Lösungen denkbar.

    Was es gibt in der Zwischenzeit, sind spezielle Betriebe, die Schafe vermieten, nicht jetzt Skudden, aber andere Schafe zur Landschaftspflege. Das heißt, man kann sich solche Schafe mieten für zwei drei Wochen, wenn man Probleme hat mit Unkräutern. Holt die für zwei drei Wochen her. Und hat dann gar keine Arbeit mehr damit.

    Mit der Ausbreitung der modernen Landwirtschaft ist viel Wissen aus den vergangenen Jahrhunderten verloren gegangen. Professor Ulrich Köpke, Leiter des Instituts, will dieses Wissen wieder ausgraben und für den Ökologischen Landbau nutzbar machen.

    Ein Rundgang über den Versuchsbetrieb Wiesengut. Auf den Äckern und Feldern sind mehrere Sitzkrücken für Greifvögel aufgestellt. Sie sollen die Mäuse in Schach halten, sagt Köpke. Ein Stück weiter auf einem abgeernteten Feld picken Tauben nach Fressbarem - gern gesehene Gäste, weil sie unter anderem Unkrautsamen verspeisen. Besonders effektiv erwies sich der Einsatz von Puten, so Ulrich Köpke

    ... der Schlag, den wir hier vor uns sehen, der war vor einigen Jahren mit Kartoffeln belegt. Und diese Kartoffeln wurden sehr intensiv vom Kartoffelkäfer angeflogen, der sich dort auch kräftig vermehrte. Nun war bekannt, dass man Fasanen einsetzen kann gegen Kartoffelkäfer. Und wir haben aus der Kenntnis, dass das auch mit Truthühnern, also Puten möglich ist, im Betrieb mit 25 Hühner begonnen, diese Strategie nachzuvollziehen. Zunächst 2,5 ha sehr aufwändig gezäunt. Und haben uns dann über den Erfolg überzeugen können, und dann später gänzlich frei die Truthühner eingesetzt.

    Und das geht so, dass die Hühner nebeneinander sich verteilt durch die Reihen bewegen. Links und rechts die Reihen abpicken, und auch mäandern, durch den Bestand mäandern. Als ob sie eine Kolonne von Mitarbeitern draußen aktiv haben. Das ist sehr eindrucksvoll zu sehen.

    Zirka zwei Wochen brauchten die zwanzig Puten, um das Feld von 7,5 Hektar Größe zu durchforsten. Der Vorteil gegenüber den im Öko-Landbau üblichen Biokollektoren, die mit Druckluft die Käfer abblasen und einsammeln: Die Puten beseitigen nicht nur die Käfer, sondern picken auch an der Blattunterseite die Eigelege und Larven ab. Und nach getaner Arbeit lassen sich die Truthühner problemlos in den Betriebsablauf integrieren.

    Die kann man im Stall dann weiter halten. Die werden dann zugefüttert. Und sie kennen ja die Gepflogenheiten des Menschen: Zu Weihnachten wandern sie in den Ofen.

    In der Praxis sind solche Strategien freilich nicht immer durchführbar oder ökonomisch sinnvoll. Jeder Ökohof hat seine Besonderheiten und muss individuelle Lösungen finden. Für die Forschung bleibt jedenfalls noch viel zu tun.